Die Telefunkenröhren und ihre Geschichte
Von Hans Rukop

I. Rückblick und erste Erfolge.
Die drahtlose Telegraphie könnte man, dem Gradienten ihrer Entwicklung nach, im ganzen einen äußerst schnellebigen Betrieb nennen; vielleicht steht sie in dieser Beziehung sogar an der Spitze aller Industrien. Jedenfalls muß es mir so scheinen, der ich zu einer Zeit in dieses Gebiet hineinkam, als eine nun fast fünfzehn Jahre dauernde rapide Entwicklung gerade eingesetzt hatte. Der Keim dieser Entwicklung waren die seit 1906 bearbeiteten gesteuerten Glühkathodenröhren, als deren ersten Vorläufer man die ungesteuerte Röhre mit geheiztem Faden von J. A. Fleming in ihrer Verwendung für die drahtlose Telegraphie bezeichnen kann.
Die gesteuerten Glühkathodenröhren wurden erfunden von Robert von Lieben und zum Patent angemeldet am 3. März 1906. Es dauerte jedoch fünf bis sechs Jahre, ehe ihnen in der Funktechnik irgendeine Beachtung zuteil wurde. Dann aber zeigt sich eine merkwürdige Erscheinung. Es tritt nämlich zum Strome der fortschreitenden Entwicklung der Liebenröhre ein Nebenfluß hinzu, der, aus einer völlig selbständigen Quelle entspringend, im Endergebnis in jenen einmündet. Dies ist der de Forest-Audiondetektor, der, von L. de Forest im Januar 1907 zum Patent angemeldet, bislang in der drahtlosen Telegraphie gleichfalls ein recht bescheidenes Dasein gefristet hatte. Wenn man sich bei der Liebenröhre über mangelnden Kontakt mit dem Funkwesen kaum wundern darf - der Erfinder selbst war in seinem Gedankenkreise ganz von Kabel - und Telephoniefragen beherrscht -, so ist solche Vernachlässigung beim Audiondetektor viel erstaunlicher, denn L. de Forest war ein Mann mitten im Getriebe der drahtlosen Technik. Die gemeinsamen Gründe für diese Erscheinungen erkennt man vielleicht heute erst; sie scheinen mir in dem antiphysikalischen Geiste zu liegen, der damals in der Funktelegraphie noch den Ausschlag gab. Telefunken trat in die Röhrenentwicklung ein, indem es sich am Lieben-Konsortium beteiligte, welches die Patente von R. von Lieben, E. Reiß und S. Strauß zur alleinigen Verwertung übernommen hatte. Das Laboratorium für die weitere Durchbildung wurde allerdings bei einem der größeren Mitglieder dieses Konsortiums, bei der A.E.G., belassen.
Von dorther bezog Telefunken die ersten Lieben-Verstärker, die nicht allein bei Tonfrequenzen, sondern auch bei Hochfrequenz recht bedeutende Fortschritte in der Empfangstechnik ergaben. Auf dem Kongreß für drahtlose Telegraphie zu London im Jahre 1912 ausgestellt und mit ihren prächtigen Farben, der dunkelroten Glut der Kathode und dem himmelblauen Glimmlicht des Quecksilberdampfes, sogar als Tafeldekoration verwandt, zogen diese Röhren die ufmerksamkeit der Teilnehmer aus aller Welt auf sich. Gleich im ersten Entwicklungstadium hatten die Erfinder der Liebenröhre eine andere Elektrodenanordnung gegeben, als die ursprünglich benutzte und in der grundlegenden Patentanmeldung beschriebene. Sie waren zu dem heute allgemein bekannten System, bestehend aus Glühkathode, Anode und zwischen beiden liegendem Gitter, übergegangen, und zwar ohne Kenntnis der äußerlich sehr ähnlichen Anordnung im Audiondetektor, der erst 1912 in Europa bekannt wurde. Dieser Zufall beschleunigte damals die Entwicklung der Röhre, denn dem phantasievollen Techniker - deren es ja in der Funkindustrie immer eine große Menge gab - mußte es bei unbefangenem Vergleichen der Liebenröhre und des Audiondetektors so scheinen, als ob man mit ganz derselben Elektrodenanordnung in beiden Fällen auch das Gleiche erreichen könne. Man fragte sich daher sofort, ob nicht der Audiondetektor ebenso als Verstärker brauchbar wäre; und siehe da, es ging! Es ging sogar recht gut, und man erkannte bereits, daß bei diesen einfach gebauten Röhren, deren schlechtes Vakuum zwar nur geringe Anodenspannungen zuließ und anfangs eine rechte Plage war, doch manche Nachteile fehlten, die in Quecksilberdampfgefäßen nach von Lieben störten.
Aus dieser fundamentalen Erkenntnis die Überlegenheit eines Elektronenrelais ohne Gasionen folgernd, zog man in Betracht, die Verstärker bedeutend zu vervollkommnen, indem man Röhren von hohem Luftleeregrad entwickeln würde, die eine dem Audiondetektor sehr ähnliche, jedoch mit dem von Lieben'schen Prinzip völlig übereinstimmende Elektrodenanordnung erhalten sollten. Bei den ersten, daraufhin in der Glühlampenfabrik von Siemens & Halske vorgenommenen Versuchen zur Herstellung von Hochvakuumröhren wurde Telefunken von Herrn Professor Pirani in dankenswerter Weise unterstützt. Von dieser Zeit an stritten die beiden Ausführungen, Quecksilberdampfglimmrohr und hoch-entlüftete Elektronenröhre, um den Sieg. Das Übergewicht lag aber zunächst auf der ersteren Seite, und zwar wohl aus rein persönlichen Gründen. Man hatte nämlich in dem von den Erfindern geleiteten Laboratorium des Konsortiums für die andere Lösung wenig übrig.
Telefunken sah, etwa zum Beginn des Jahres 1914, daß die Entwicklung auf diese Weise in Gefahr war, sich festzulaufen, und gründete kurzerhand ein eigenes Laboratorium für die Weiterbearbeitung der Röhrenprobleme. Es wurde dem damaligen Schwachstrom- und Empfängerlaboratorium angegliedert und meiner Leitung unterstellt. Wir nahmen als Hauptpunkt in unser Programm zunächst die Durchbildung von wirklichen Hochvakuumröhren auf, weil wir dies auf Grund der schon erwähnten Vorversuch mit de Forest-Röhren für aussichtsreich hielten.
Ober das Entstehen und außerordentlich schnelle Wachsen des gesamten Röhrengebietes habe ich 1919 in der Telefunken-Zeitung, Nr. 19 und 21, schon einmal berichtet. Diese Entwicklung wurde dadurch beschleunigt, daß die wesentlichsten Verwendungsarten der Röhren, die in ihrer Vielseitigkeit damals etwas Fabelhaftes darstellten, bereits vorlagen. Man kannte ja die Tonfrequenzverstärkung, die doch der Ausgangspunkt der von Lieben'schen Erfindung wir, seit 1906, die Audionschaltung seit 1907. Hinzu kam die grundlegende Erfindung der Hochfrequenzverstärkung von 0. von Bronk im Jahre 1911, mit dem Audion kombiniert und durch die sogenannte Reflexschaltung vervollkommnet von W. Schloemilch und von 0. von Bronk im Jahre 1913. Ferner kannte man das außerordentlich wichtige Verfahren der Schwingungserzeugung durch Rückkopplung von A. Meißner, ebenfalls vom Jahre 1913. Zur selben Zeit wie die Senderschaltung war von ihm das weittragende Prinzip der Empfangsverstärkung mit Rückkopplung angegeben worden. Am gleichen Tage, wie die Erfindung von Meißner, entstand auch die erste Tonfrequzenzverstärkung mit Rückkopplung von E. Reiß. Der besondere Vorzug des rückgekoppelten Hochfrequenzverstärkers, nämlich die erhöhte Selektion durch Dämpfungsreduktion, wurde etwa ein Vierteljahr später von C. S. Franklin in Kenntnis des Meißner'schen Sendeschemas gefunden, die Verbesserung der Audionschaltung durch Rückkopplung zum Zwecke der Dämpfungsreduktion und der Selbstüberlagerung von H. J. Round im Dezember 1913. So recht zur Geltung kamen freilich alle diese Anwendungen der Rückkopplung im Empfang erst später, als die Röhrentechnik weiter fortgeschritten war.
Mit diesen vielen Verwendungen der Röhren war natürlich zwangsläufig ein großes Entwicklungsprogramm gegeben. Man konnte im Prinzip eine Unterteilung in Empfängerröhren und Senderröhren machen. Für die Empfängerseite waren nach den Vorversuchen sicherlich günstige Resultate zu erhoffen. Dagegen war man über das, was von den Senderöhren zu erwarten sei, in völliger Unsicherheit. Es ist heute, wo die wichtigsten drahtlosen Verbindungsmittel der Welt, die transozeanischen Kurzwellensender, sowie annähernd 100 % der Rundfunksender nur mit Röhren betrieben werden, die zum größten Teile Leistungen von 1 Kilowatt bis zu 20 Kilowatt pro Stück und bereits über 100 Kilowatt pro Sender umformen, nicht ganz leicht, sich wahrheits- und stimmungsgetreu in jene Zeit zurückzuversetzen. Man muß bedenken, daß die Großstationen dazumal schon zu aschinensendern von mehr als 100 Kilowatt gelangt waren, um sich vorstellen zu können, welchen kümmerlichen Eindruck dagegen die Röhrensendertechnik machte, die bisher unter Anspannung aller Kräfte und erheblichstem Röhren- und Materialverbrauch vielleicht 2 bis 3 Watt auf eine Viertelstunde hervorgebracht hatte. Es kam hinzu, daß die Fachleute selber über die Möglichkeit, stabile Entladungen in Gasen, Dämpfen oder hohem Vakuum mit Leistungen von der Größenordnung eines Kilowatt hervorzubringen - und dies bei Lebensdauern der Röhren von Hunderten oder Tausenden von Stunden - beträchtlich im Zweifel waren. Und abgesehen von den technischen Grundlagen waren auch die rein physikalischen keineswegs klar. Man war nicht allgemein sicher, ob sich ohne eine Gasionisation in der Röhre überhaupt noch ein Verstärkereffekt von brauchbarer Größe würde erreichen lassen, denn man hielt gerade diese lawinenartig erfolgende Ionenbildung für eine wichtige Ursache desselben. Andererseits wußte man - hiervon hatten uns zahlreiche Versuche überzeugt, bei denen die freundliche Hilfe des Röhrenlaboratoriums der Akkumulatorenfabrik A.G. (Hagen) wertvoll war -, daß alle Gasentladungen auf längere Zeit sehr unzuverlässig und veränderlich arbeiten; also wünschte man doch sehnlichst, die Angelegenheit mit der Hochvakuumröhre "hinzubekommen". Da nun bei letzterer die Glühemission als die einzig diskutable Elektronenquelle erschien, stand man wiederum vor der betrübenden Tatsache, daß die Physik hierfür noch keine zuverlässigen, konstanten Stoffe kannte, die zugleich ergiebig genug gewesen wären, um die gewünschten Leistungen zu erzielen. Ganz abgesehen davon, daß das Erreichen und Erhalten hoher Luftleere bei Anwesenheit einer glühenden, gasabgebenden Elektrode im Entladungsgefäß, das noch dazu von der Pumpe abgeschmolzen sein mußte, als eine der schwierigsten Aufgaben der experimentellen Physik galt. Es existierte über dieses Gebiet damals nur eine eingehendere Veröffentlichung von O.W. Richardson, die einen Techniker von der Anwendung des Hochvakuums in Verbindung mit Glühkathoden eigentlich mehr abschrecken als überzeugen konnte. Die später Aufsehen erregenden Arbeiten von I. Langmuir und S. Dushman waren zu jener Zeit noch nicht erschienen.
Trotz dieser zweifelhaften Prognose des Hochvakuums, insbesondere für Senderöhren, legte man im Laboratorium keineswegs irgendwelche Mutlosigkeit an den Tag; im Gegenteil, man war heilfroh, daß man etwas Interessantes und Wichtiges über den damals ziemlich langweiligen Empfängerbau hinaus unternehmen konnte. Es fand sich zum Glück unter den Apparatebeständen eine Gaede-Quecksilberpumpe, die einige Jahre vorher unser früherer Laboratoriumsvorstand R. Rendahl zu Versuchen über Stoßfunkenstrecken in Quecksilberdampf benutzt hatte. Einiges andere wurde schnell zusammengekauft. Die zukünftige Röhrenfabrik erhielt einen fürstlichen Raum von 2 Meter mal 5 Meter Größe zur Verfügung gestellt, den sie alsbald mit einem Glasbläser, einem selbstgebauten Evakuierofen und den notwendigen Pumpen bevölkerte. Für die zugehörigen mechanischen Arbeiten und das Prüffeld mußte sie sich allerdings je ein Eckchen in einer anderen Werkstätte und im Schwachstromlaboratorium ausleihen. Bei letzterem borgte sie auch ihr gesamtes Versuchspersonal und ihre Mechaniker. Infolge dieses Mangels an "zielbewußter Organisation" arbeitete sie mit großer Geschwindigkeit und Intensität: Obgleich nämlich der Beschluß zur Gründung unserer Röhrenentwicklung und -fabrik nicht vor etwa Mai 1914 gefaßt wurde, hatte Telefunken das erste Exemplar eines selbstgebauten Zweikaskaden-Tonfrequenzverstärkers mit Röhren eigener Fertigung, die sogar schon eine Typenbezeichnung trugen - nämlich EVN 94, soll heißen: die 94. Nummer aus der Liste der Empfangsapparate E mit dem Zusatz Verstärkerröhre V für Niederfrequenz N - genau am Tage des Kriegsbeginnes auf dem Tische stehen. Diese erste Ausführung, die eine Hörbarkeitsverstärkung von nahezu 70 gab (nach der damaligen verbesserten Parallelohmmethode gemessen), fand die ungeteilte Bewunderung aller, die sie sahen oder erprobten. Das Gerät verdiente dies auch, denn es machte in der Tat einen ganz unfeststellbaren Empfang, von dem der beste Telegraphist auch nicht eine "Laus" (sit venia verbo) hörte, mit noch etwa 100 Ohm Lautstärke tadellos aufnehmbar. Dabei hatte dieser EV 89 die Ausmaße einer flachen Zigarrenkiste, was im Vergleich mit den bis dahin üblichen Dimensionen der Empfänger - ich erinnere nur an den etwa 1 Kubikmeter einnehmenden MUZE 1914 - unerhört klein zu nennen war. Bild 67 zeigt von ihm, wenn auch nicht das Urexemplar, so doch eines der gleichen, monatelang unverändert gebliebenen Type. Man wird begreifen, dai3 der wirklich gute Erfolg jenes ersten Verstärkers, der in die Automobilstation des großen Hauptquartiers eingebaut wurde, uns bei der weiteren Entwicklung der Röhren außerordentlich ermutigt hat.
Erwähnt sei, daß der ganze Laboratoriumsstab, den ich bis dahin für diese Aufgaben zur Verfügung hatte, aus dem wohlbekannten Herrn W. Schloemilch und dessen jungem Schüler Herrn O. Dölle bestand, abgesehen von dem Glasbläser und den Mechanikern. Erst einige Monate später kam Fräulein Dr. Isolde Ganswindt, jetzige Frau Dr. Hausser, hinzu, die, bis heute eine Hauptstütze der Röhren- und Verstärkerentwicklung, als deren "Veteranin" gelten kann, soweit dies von einer jüngeren Dame zu sagen schicklich ist. Obgleich nun die Arbeit in den nächsten Jahren tatsächlich flott vorwärts ging, hätte sie sicher noch schneller gehen können, wenn nicht durch die Mobilmachung die Personalverhältnisse des Laboratoriums völlig über den Haufen geworfen worden wären. Zudem kam plötzlich der Bedarf der Marine an Empfängern als wichtigste Notwendigkeit auf die Tagesordnung.
Diese Geräte, die damals in größeren Stückzahlen fertig wurden, jedoch ungeprüft in der Fabrik herumstanden, nahmen auf viele Monate hinaus die meisten Kräfte des Schwachstromlaboratoriums in Anspruch, so daß in unserem Programm eine Verzögerung von etwa einem halben Jahre eintrat. Erst dann konnten die Laboratoriumsleute zu ihren Röhren- und Verstärkeraufgaben restlos zurückkehren.
Immerhin waren unterdessen Entwicklung und Fabrikation nicht ganz stillgelegt worden, vielmehr wurden sie so nebenbei weitergeführt, und zwar stellte man zunächst die eine Röhrentype EVN 94 für den zweistufigen Tonfrequenzverstärker her. Eine weitere Type, EVN 129, wurde bald in Angriff genommen, speziell bestimmt für Oberlagerung. Damals verlangte man nämlich von den Überlagerern viel mehr Leistung als heute, und das machte eine besondere Ausführung nötig. Ferner wurde mit Senderöhren begonnen, jedoch zunächst in einem Stile, den man vom heutigen Standpunkte aus als reichlich primitiv bezeichnen muß. Man bedenke, daß dazumal die wichtigsten Daten über die Elektronenabgabe von G1ühfäden, die Lebensdauer, die notwendige Hochvakuumbehandlung der Metalle und G1äser noch fehlten. Zwar enthielt die physikalische Literatur unzählige Mitteilungen über thermische Emission, aber wir merkten erst mit der Zeit, wie weitgehend unbrauchbar diese Angaben vom technischen Standpunkte aus waren. Im Laufe des Jahres 1914 erschienen dann die heute klassischen Arbeiten von I. Langmuir über die Raumladung bei der Hochvakuum-Glühkathodenemission und den Einfluß von Gasen auf sie.
Zweifellos war damals kaum jemand imstande, diese Veröffentlichungen richtig zu würdigen, denn der Boden war dafür nicht vorbereitet. Lediglich wir wenigen mit dem gleichen Problem beschäftigten Leute konnten sehen, daß hier bereits eine imponierende Leistung vorlag und daß diese auf breiter experimenteller Grundlage gefundenen Gesetzmäßigkeiten die gesamten früheren Publikationen über Glühkathoden zu kindlichen Anfängerarbeiten stempelten. Neben dem ganz außerordentlichen Fortschritt in der Gesamtanschauung der thermischen Emission brachten die Angaben von Langmuir gewiß manche technische Hilfe in Einzelheiten. Aber es ist eine bekannte Tatsache, daß eine Technik nicht vom Papier "gelernt" werden kann; sie muß wirklich durchgemacht werden. Erst nachher sieht man dann, daß es wirklich so war, und hat die Genugtuung der gefundenen Übereinstimmung. Beiläufig muß man allerdings sagen, daß in den Veröffentlichungen von Langmuir manche Darstellung der Schwierigkeiten der Erreichung und Bewahrung des Hochvakuums heute als übertrieben gelten muß, und daß außer den fördernden Momenten hierin auch Hemmungen gelegen haben. Wir wollen aber nicht ungerecht sein und zugeben, daß jene scheinbare Übertreibung wohl durch den Stil der bis dato üblichen Glühkathodenarbeiten verschuldet gewesen sein mag. Auch ist die saubere und zielbewußte Behandlung der Röhren, die Langmuir und Dushman von ihren Vorgängern so wesentlich unterschied, mittlerweile dermaßen in das Fabrikmäßige übergegangen, daß man sie heute leicht unterschätzt.
Wir benutzten zu jener Zeit in der Verstärkerröhrenfabrikation Rotations-Quecksilberpumpen und Kokosnußkohle in flüssiger Luft. Bei der Senderöhrenherstellung begannen wir alsbald mit Molekularpumpen, wie später noch beschrieben wird.
Die kommenden Monate der Entwicklung waren ausgefüllt mit dem Studium der charakteristischen Kurven der Röhren, heute meist "Kennlinien" genannt. Die Zusammenfassung der Gitter- und Anodeneigenschaften in eine einzige Formel unter Benutzung einer Konstanten für den Durchgriff gab es damals noch nicht, und die erste diesbezügliche Veröffentlichung von Langmuir, die in Amerika im Mai 1915 erschien, kam infolge der Kriegsumstände sehr verspätet in unsere Hände. Wir halfen uns diese ganze Zeit mit empirischen Dimensionierungen, denn es glückte nicht, einen Ausdruck abzuleiten, der die Ströme und Spannungen mittels dynamischer Vorgänge der Elektronenbahnen in Beziehung zueinander gebracht hätte, und die rein elektrostatische Betrachtungsweise, die der späteren Durchgriffsformel zugrundeliegt, wagte man eigentlich nicht recht anzuwenden.
Damals, im Jahre 1915, kamen wir jedoch in manchen Einzelheiten gut vorwärts. Wir ersannen am 21. Oktober das Ionisationsmanometer, und hatten somit ein Verfahren, um in der Röhre, gleichviel, ob sie noch mit der Pumpe verbunden oder schon abgeschmolzen war, das Vakuum quantitativ zu messen. Auch rechnerisch waren wir vielen Röhrenfragen unterdessen nahegerückt. So hatten wir im Oktober 1915 die "Seitenbänder" bei Telephoniemodulation abgeleitet und sofort, im Dezember, experimentell bestätigt, eine Tatsache, die jahrelang belächelt wurde. Ebenso hatten wir die wichtigsten Gesetzmäßigkeiten über die Senderöhren, nämlich Phasenlage, Leistung, Wirkungsgrad, inneren und äußeren Widerstand, in Formeln erfaßt. Die nächste Aufgabe war die Entwicklung einer Tonfrequenzverstärkerröhre von höherem Verstärkungsgrad und größerer Endlautstärke. Nach Verwerfung vieler Modelle entschlossen wir uns zu der Ausführung EVE 173, einer Anordnung mit gerade gespanntem Glühfaden, zylindrischem Gitter und zylindrischer Anode, an welcher wir schon im Jahre 1914 herumprobiert hatten.
Vorher war bereits die bisherige EVN 94 in eine mechanisch zweckmäßigere und elektrisch wirksamere Form mit der neuen Bezeichnung EVN 171 gebracht worden. EVN 171 und EVE 173 wurden noch eine Zeitlang ebeneinander geführt, bis schließlich, wie ich hier vorwegnehmen will, erstere verschwand und EVE 173 in zwei hauptsächlich durch die äußeren Abmessungen und den Sockel unterschiedene Typen aufgeteilt wurde. Sie bekamen, da unterdessen eine neue Typenklasse mit dem Index R geschaffen war - ein bemerkenswertes Zeichen für die wachsende Bedeutung der Röhren - die Benennungen RE 11 und RE 16.
Mitten in dieser Entwicklung erlebten wir eine außerordentliche Überraschung, und zwar meiner Erinnerung nach bereits 1915. Dies war, großspurig ausgedrückt, die "Erfindung" der Thoriumröhre. Wir benutzten damals als Kathoden schon Wolframfäden mit Thoriumdioxydzusatz aus den Glühlampenfabriken der A.E.G. oder von Siemens & Halske und erhielten plötzlich Röhren, die bei mittlerer Temperatur, etwa 1500º, bereits die erforderliche Emission von einigen Milliampere gaben, während normalerweise hierzu die bekannte Weißglut (2100º bis 2300º) des Wolframfadens nötig war. Solche "dunkelglühenden Röhren" fanden wir zunächst einzeln unter der normalen Produktion; später gelang uns ab und zu ein ganzer Satz von etwa 24 Stück in einem Evakuierofen auf einmal. Diese Erscheinung mutete uns zu Beginn sehr fremdartig an und war keineswegs reproduzierbar. Wir glaubten, erst jetzt das richtige Vakuum und dadurch die wahre hohe Emission des Wolframs gefunden zu haben. Diese Annahme erwies sich jedoch bei sorgfältigen Untersuchungen des Entlüftungszustandes als vollkommen abwegig. Es ging manche Zeit darüber hin, und eines Tages bekamen wir die beiden bereits auf das Jahr 1914 zurückgehenden Patentanmeldungen der General Electric Company über thorierte Kathoden durch unsere Mutterfirma A. E. G. in die Hand. Wir sahen ja nun schon klarer, woran wir mit unserer "Erfindung" waren, konnten aber mit dem damals völlig unentwickelten Thorierverfahren nichts Zuverlässiges erreichen. Zur Zeit der Entdeckung aber hatten wir keine wesentliche Arbeit an ein so ungewisses Problem wenden können, denn der dauernd zunehmende Bedarf an Verstärkerröhren zwang uns zu einer ständigen Erweiterung der normalen Fabrikation, die den infolge des Krieges sehr verminderten Personalbestand aufs äußerste beanspruchte. Unsere knappen Räume am Tempelhofer Ufer reichten nicht aus, zumal die künftige Steigerung des Konsums jetzt überblickt werden konnte.
Wir gingen nun daran, die Entwicklung und Herstellung von Röhren an einem Orte unterzubringen,der und die größte Ausdehnungsmöglichkeit gab. Dies war das später recht bekannt gewordene Grundstück Friedrichstraße 235, ein in vier Höfen Tiefe von Filmfirmen wimmelndes Gebäude, in dem wir zwar nur von April 1917 bis Oktober 1920 gearbeitet haben, das aber durch den außerordentlichen Zuwachs an Raum und an allerlei experimentellen Hilfsmitteln, den wir uns dort sichern konnten, die Quelle der schnellsten, erfolgreichsten Vervollkommnung der Röhrentechnik Telefunkens geworden ist. Schon in dem alten Laboratorium am Tempelhofer Ufer hatten wir die Durchbildung von Senderöhren intensiv betrieben.
Vor allem hatten wir einen Haupttreffer mit der Einführung des Tantals als Anodenmaterial gemacht. Es liefen dort bereits drei Molekularpumpen; auch war ein sehr zerbrechliches Glasgebilde, das damalige neue Wunder der Vakuumtechnik, eine der ersten Diffusionspumpen von Gaede, bei uns erschienen. Jedoch fehlten uns noch sehr starke Hochspannungsquellen zum Ausglühen der Senderöhrenmetallteile durch Elektronenbombardement. Wir waren mit Versuchstypen bis zu 1500 Volt Anodenspannung und etwa 5 bis 10 Watt abgegebener Hochfrequenz gekommen. Es konnte aber kein Zweifel darüber bestehen, daß diese 1500 Volt Gleichspannung für einen praktischen Betrieb von Sendern so kleiner Leistungen etwas außn und die Einführung, insbesondere bei Feldstationen, beinahe illusorisch machten. - Nach Beziehen der Fabrik Friedrichstraße begann nun die Senderöhrenentwicklung sofort mit ganz anderen Mitteln. Wir uns 5 Maschinen von je l000 Volt, die, für Reihenschaltung eingerichtet, hierbei nahezu 5000 Volt bei etwa 4 Ampere Stromstärke gaben. Überhaupt wurden die neuen, ausgedehnten Räume von vornherein auf das Zweckmäßigste für Versuche und Fabrikation angesichts der erwarteten Vergrößerungen eingerichtet und gruppiert. Das Laboratorium erhielt die Abteilungen: 1. Vakuum und Glühfäden, 2. Verstärkerröhren, 3. Senderöhren. Die Fabrik war bezüglich der drei wesentlichsten Operationen, Elektrodenanfertigung, Glasbläserei, Pumperei, ebenfalls nach erstärker- und Senderöhren gegliedert. Gleiches galt für das Prüffeld. Dazu kamen die erforderlichen Hilfsbetriebe und der sehr wichtige Werkzeug- und Einrichtungsbau. Schon am Tempelhofer Ufer hatte die Röhrenherstellung den jungen Techniker A. Bardehle zum Meister gehabt. Er wurde jetzt zum Betriebsleiter ernannt. Seiner unermüdlichen Energie und Geschicklichkeit ist das schnelle Entstehen und hervorragende Arbeiten der gesamten Werkstätten hauptsächlich zu verdanken. Später trat Dr. K. W. Hausser, der im Laboratorium die erste Entwicklung mitgemacht hatte, als physikalischer Fabrikvorstand in die Oberleitung ein, und durch diese ganze Konstellation wurde schließlich die bedeutende Leistungsfähigkeit der Anlage in der Friedrichstraße erreicht, deren Ruf alsbald in weite Kreise gedrungen ist.
Die damalige Zeit wird mir und allen denen, die führend an diesem Aufbau beteiligt waren, eine unvergeßliche Epoche gleichzeitiger wissenschaftlicher Arbeit und intensivster Fabrikation bleiben, getragen von einer Kameradschaftlichkeit und einem Einvernehmen, die jeden veranlaßten, sich bis zur letzten Sekunde für das Ganze einzusetzen. Es war kein Raum und keine Stimmung für ein Vordrängen des Einzelnen da. Die Ingenieure und die Wissenschaftler, die Meister und die Arbeiter waren von einem gemeinsamen Geiste erfaßt, der die Tätigkeit in der neuen Fabrik zu einem Genuß machte. Wir Physiker, die wir vorher nicht weit über die Wände unserer Laboratorien hinausgekommen waren, lernten damals in kürzester Zeit kennen, was es heißt, eine Produktion größeren Ausmaßes zu leiten. Denn unser Betrieb hat während seiner stärksten Besetzung über 1000 Arbeiter und Beamte gehabt. Sie schafften ununterbrochen in je drei Achtstundenschichten vom Montagmorgen bis zum Samstagabend, und ich muß sagen, daß wir uns keine bessere Schar zu wünschen brauchten. Wir hatten vorzügliche Glasbläser, erstklassige Mechaniker, die bereitwilligsten und fleißigsten ungelernten Arbeiterinnen, die sich recht schnell in die Elektrodenherstellung und andere Operationen hineinzufinden wußten. Aber auch die in der Mehrzahl wohl dem Durchschnitt angehörende Belegschaft hat in ihrer Gesamtheit Außerordentliches geleistet, und zwar meiner Überzeugung nach deshalb, weil der Arbeitsgeist zwar denkbar intensiv, mahnend und drängend, ja oft aufs äußerste antreibend war, niemals jedoch schikanierend oder verständnislos dem Einzelnen gegenüber. Zudem hatten alle das beste Beispiel an ihren Vorgesetzten, die selber unermüdlich waren. Sie gingen allen Einzelheiten nach, erfragten und klärten die zweifelhaften Punkte und ließen sich in lobenswerter Weise von jedem Facharbeiter Belehrungen gefallen, um das Gesamtgebiet möglichst schnell und vollständig beherrschen zu können. Sämtliche Meister erschienen täglich früh bei den Betriebsleitern zur gemeinsamen Besprechung und berichteten über normale und anormale Vorkommnisse, über jeden Evakuierprozeß und jedes sonstige Verfahren, das ihnen tags zuvor aufgegeben wurde, sofern es nicht schon am gleichen Tage durch einen der Vorgesetzten selber bei der Werkstattprobe bestätigt oder verworfen war. Gerade diese eingehende Durchknetung aller einzelnen Fragen mit Arbeitern und Meistern haben wir als das wichtigste Mittel zur Beschleunigung des Fortschrittes und zum Ingangbringen der Fabrikation erkannt. Wie jeder weiß, stand damals den größten physischen Anstrengungen das allermagerste Äquivalent an Nahrungsmitteln gegenüber, und es ist erstaunlich, daß die Leistungsfähigkeit der Leute trotzdem auf dieser Höhe blieb. Nebenbei gesagt, hatte die Geschäftsleitung oft dem einen oder anderen über Schmerzen und Verlegenheiten hinwegzuhelfen; konnte sie es, so war sie darin nicht kleinlich. Sie war es gleichfalls nicht, wenn es galt, eine durchaus notwendige Arbeitskraft für die Fabrik auf irgendeine Weise zu beschaffen oder zu erhalten. Unsere Röhrenfabrik Friedrichstraße bestand etwa vier Jahre. Als nach dem Friedenschluß die Kriegsmaterialproduktion stillgelegt und alle Industrien gezwungen wurden, ihre Erzeugung auf eine rationale Friedenswirtschaft umzustellen, die ihnen den weiteren Wettbewerb auf dem Weltmarkte gestattete, mußte auch die Röhrenherstellung unseres Konzerns rationalisiert werden. Da Telefunken als Tochterfirma von A. E. G. und Siemens & Halske nicht als Fabrikationsunternehmen für die Dauer gegründet war und obendrein die Mutterfirmen große, nunmehr dringlichst Beschäftigung verlangende Arbeitstätten besaßen, zu denen im Falle von Vakuumröhren ihre Glühlampenwerke (die seit ihrem Aufgehen in der Osram-Gesellschaft "Osram A" und "Osram S" heißen) hinzukamen, hatte eine eigene Röhrenfabrik Telefunkens keinen Daseinszweck mehr. Die Räume in der Friedrichstraße wurden also 1921 aufgegeben; wir zogen trauernd aus der schönen Anlage, die sich im Laufe der Zeit auf 3500 Quadratmeter Bodenfläche erweitert hatte, fort, und zwar mit einiger Überstürzung. Unsere bisherige Erzeugung wurde größtenteils von der A. E. G. in deren Glühlampenfabrik Sickingenstraße übernommen und dort mit der Röhrenanfertigung für Eigenkonsum vereinigt. Die Siemens & Halske A. G., deren Produktionsmittel in erster Linie für von ihr selbst vertriebene Röhren vorbehalten blieben, bekam vom Bedarfe Telefunkens einen nicht näher definierten Anteil reserviert. Für letzteren sollte eine prinzipielle Entwicklung in den Siemens-Laboratorien erfolgen, während Telefunken seine eigene, gut eingearbeitete Entwicklung aus Gründe der besonderen Anforderungen des Funkwesens vorläufig fortzuführen beschloß. Dieses "Röhrenlaboratorium" wurde in Übereinstimmung mit der A.E.G. und ihrer zuständigen Produktionsstätte, dem A.E.G.-Glühlampenwerk, zur Wahrung engster Fühlung mit der Fabrikation, unmittelbar an diese angrenzend in den Räumen der Sickingenstraße untergebracht. Das Verfahren sollte für einen möglichst schnellen und reibungslosen Obergang sorgen und die neue Fabrik allmählich an die selbständige Inangriffnahme von Röhrenproblemen unter Beachtung der Notwendigkeiten der drahtlosen Technik gewöhnen. Die Zusammenarbeit hat sich vorzüglich bewährt, und seit 1924 werden auch die Entwicklungslaboratorien und die Prüffelder von der Herstellerin der Röhren selbst - die unterdessen zum Osram-Werk A geworden ist - betrieben, während die Führung und technische Aufgabenstellung auf diesem Gebiete nach wie vor bei Telefunken liegen. Die Röhrenfabrik von Siemens & Halske hat nur wenige Angestellte und Arbeiter aus der Friedrichstraße aufgenommen und sich, wie schon erwähnt, von einer Fusion ihrer Entwicklung mit derjenigen von Telefunken ferngehalten. Sie machte später mancherlei Umänderungen durch, hauptsächlich deswegen, weil das wichtigste Lieferungskontingent für den Eigenbedarf, die Röhren für Telephonieämter-Verstärker, ziemlichen Schwankungen unterlag. Der beim Ausbau der Ämter große Absatz ging nachher, im Betriebe derselben, stark herunter, so daß erhebliche Einschränkungen in der Produktion notwendig wurden. Es kam hinzu, daß durch die nahe Verbindung des Telefunken-Versuchsfeldes mit dem Werk Sickingenstraße sich von selbst das Gewicht mehr nach dieser Seite hin verlegte, so daß in späteren Jahren Telefunken seine Röhren zum überwiegenden Teile bei der A.E.G., der nachmaligen Osram-Gesellschaft, herstellen ließ. Jedoch hat die Firma Siemens & Halske unter anderem einen bestimmten Typ, dessen Durchbildung auch bei ihr mit begonnen hatte, stets und bis auf den heutigen Tag in ihrer Fabrikation behalten. Es sind dies die sogenannten Wasserkühl- Senderöhren und -Ventile, auf die ich später noch zu sprechen komme.
Damit will im die rein historische Darstellung verlassen. Ich habe die organisatorische Seite der Röhrenentwicklung von Telefunken vorweggenommen, um diese nunmehr nach rein technischen Gesichtspunkten einteilen zu können und durch Hineinspielen äußerer Zusammenhänge nicht unterbrochen zu werden. Ich will mich also zunächst geschlossen mit dem Gebiete der Empfängerröhren und Schwachstromverstärkerröhren beschäftigen, um danach in analoger Weise die Senderöhren zu behandeln.

II. Die Weiterentwicklung der Empfängerröhren.
Weiter vorn habe ich kurz die Anfänge der Verstärkerröhren geschildert. Neben den theoretischen Problemen, die die Vervollkommnung der inneren Elektrodenanordnung zur Erzielung günstiger Röhrenkonstanten umfaßten, lieb eine Anzahl äußerlicher Umstände zu studieren, die aber teilweise auch auf jene Konstanten einwirken. Eigenschaften, die keinen unmittelbaren Einfluß auf die Röhrenkonstanten und die durch sie definierte "Güte" ausüben, sind: die Lebensdauer bei der notwendigen Emission, die mechanische Festigkeit, die Empfindlichkeit gegen Erschütterungen, die sich in dem sogenannten "Klingen" oder "Mikrophoneffekt" verrät, ferner die Eigengeräusche des G1ühfadens, das "Brodeln" oder "Rauschen". Dagegen tragen folgende Merkmale unmittelbar zu der durch die Konstanten bestimmten Güte und zur Wirksamkeit der Röhre als Verstärker bei: die Steilheit der Emissionskurve, die Größe des Durchgriffs, die bei gegebener Steilheit und gegebenem Durchgriff mögliche Leistung, die hierzu notwendige Anodenspannung, die Restionisation oder, anders ausgedrückt, die Höhe des Vakuums und schließlich der für die vorgesehene Emission erforderliche Heizwattverbrauch des Glühfadens.
Das Interessante an solchen Entwicklungen läßt sich später kaum treffend beschreiben, denn am Anfang arbeitet man auf unbekannte Ziele hin. Von den vielen rein theoretischen Möglichkeiten, die Röhre zu verbessern, ist die Mehrzahl durch die uns zur Verfügung stehenden Stoffe und Fabrikationsmethoden irgendwie beschränkt. Wo und wann nun die Grenze in den Materialien gegeben ist, wo sie bereits erreicht ist und wo noch nicht, wo andererseits die Schranke etwa nur in der Arbeitsweise der Menschen oder Maschinen liegt, während die Natur noch Spielraum gelassen hat, und alle diese Fragen auf die tausend einzelnen Eigenschaften angewandt, die eine Röhre hat, - das kennzeichnet in einem Satz die Fülle der Aufgaben, der die Entwicklung gegenübersteht. Stets ist deren größte und wichtigste die Glühkathode selbst gewesen, und soweit ich heute, nach jahrzehntelanger Beschäftigung damit, sehe, wird sie es auch bleiben. Die Erzielung eines ausreichenden Vakuums für die gesamte Gebrauchsdauer, die Wahl der seine Haltbarkeit sicherstellenden Metalle für Anoden, Gitterbefestigungen, Durchschmelzungen, Kolben und dergleichen haben gelegentlich auch mancherlei Arbeit gemacht, insbesondere in der Zeit des Krieges, als Stoffe wie Kupfer, Platin, Nickel sehr knapp waren. Aber man muß sagen, daß diese Aufgaben sich im Prinzip tausendmal leichter lösen ließen, als das stets aktuelle Glühkathodenproblem. Natürlich darf hierbei nicht vergessen werden, daß eine im Prinzip beantwortete Frage, beispielsweise das Erzielen eines genügenden Vakuums bei Verstärkerröhren mit vorgegebenen Materialien, immer noch die weitere Bedingung in sich schließt, den gefundenen Weg für eine Serienfabrikation von vielen tausend Stück am Tage hinreichend zuverlässig, ausfallfrei und billig zu gestalten. Besonders dieser letztere Punkt bleibt ein Dauerproblem, da ja der Abbau der Erzeugungskosten erst dann vom fabrikatorischen und kaufmännischen Standpunkte aus als obsolut beendet angesehen wird, wenn sie praktisch auf Null gesunken sind.
Die erste Stufe, auf der die Herstellung der Verstärkerröhren lange Zeit mit kleinen Variationen stehen blieb, war die Wolframkathode, die unter den damals bekannten Glühfädenmaterialien anscheinend das Optimum darstellte.
Das Hauptkriterium für eine Glühkathode ist das für eine bestimmte Lebensdauer erzielte Verhältnis ihrer Emission zur Heizleistung. Dieses Verhältnis, in der Umgangsprache als die "Milliampere pro Watt" der betreffenden Kathodenart bezeichnet, soll möglichst groß sein. Die hierbei zugrundegelegte Lebensdauer ist eine rein willkürliche, und, ich möchte sagen, der Mode unterworfen. Sie wird nämlich letzten Endes durch die Kunden diktiert, und zwar nach Laune, ohne Ansehung der Optimalen Wirtschaftlichkeit, wie man sich durch eine Nachrechnung leicht überzeugen kann.
Die Bewertung einer Glühkathode nach Emission pro und Lebensdauer könnte untechnisch scheinen, da sie weder die Richardson-Konstanten, noch die Temperatur einschließt. Doch sieht man bei näherer Betrachtung, daß dies zwar physikalisch wichtige, aber für die Klassifizierung nicht treffende Daten sind. Eine indirekte Bedeutung hat die Temperatur allerdings auch in technischer Hinsicht: Bei gleichem Heizaufwand und gleicher Emission ist der kältere etallfaden vorzuziehen, weil er in der Regel eine größere Länge bedingt und dadurch, als sekundäre Wirkung, eine höhere Steilheit liefert. Ferner könnte man glauben, daß man einen G1ühfaden bezüglich der gegenseitigen Abhängigkeit von Emission und Lebensdauer durch die ganze diese Funktion darstellende Kurve und nicht durch einen einzigen Punkt derselben beschreiben müsse. Dies ist aber überflüssig, denn hier, bei so niedrigen Anodenspannungen und Temperaturen, verhalten sich alle uns bekannten Kathoden im Prinzip etwa gleich. Mit der Temperatur des Glühfadens ändert sich die Emission pro Watt, und zwar ist die relative Änderung der Emission etwa 3 bis 5 mal so groß wie diejenige der Heizleistung. Die Lebensdauern verhalten sich dabei umgekehrt wie die Quadrate der Emission oder, was dasselbe sagt, umgekehrt wie etwa die 2,5 fachen Potenzen der Emission pro Watt.
Um eine für die Praxis brauchbare Glühkathode zu schaffen, muß man, sobald man mit der Entwicklung über das Stadium des "Stöpselns" hinausgekommen ist, sich zunächst klarmachen, welche Lebensdauer man den Röhren geben will. Ferner hat man natürlich eine ungefähre Kenntnis davon, welche Emission notwendig ist. Auf Grund dieser beiden Daten kann man dann unter den zur Verfügung stehenden Glühkathodenmaterialien wählen, und zwar gemäß der Hauptbedingung: Bei welchem ist der geringste Aufwand an Heizung notwendig! Hier treten alsbald die Nebenfragen in Erscheinung, nämlich: Ist der Glühfaden leicht fabrizierbar, erhält man genügendes Vakuum, sind Emission und Vakuum befriedigend konstant, ist die Kathode "ruhig", ist sie transportsicher, also hinreichen fest, und schließlich, ist sie im Preise erschwinglich? Unter Berücksichtigung aller dieser Punkte waren wir lange Zeit, von 1914 an bis etwa 1920, bei der Wolframkathode stehengeblieben. Zwar wußte man, daß die Oxydkathode nach A. Wehnelt ihr in der Hauptbedingung sicherlich überlegen ist. Aber hinsichtlich der meisten Nebenbedingungen war man sich über die Wehneltkathode absolut unklar; in dieser Richtung hatten auch die physikalischen Veröffentlichungen der letzten Jahre über die Emission solcher Kathoden nichts Ermutigendes gezeigt. Dagegen war die Wolframkathode mit ihren etwa 1 bis 3 Milliampere pro Watt recht zuverlässig herstellbar und die erforderliche Heizleistung von etwa 2 Watt pro Faden bei Verwendung eines Akkumulators mit 4 Volt und etwa 8 Amperestunden allenfalls in Kauf zu nehmen. Wie es in einer jungen Industrie sehr oft geschieht, begeht man zu Anfang irgendeine Ungeschicklichkeit, deren Folgen sich hernach nur äußerst schwer beseitigen lassen, weil die einmal eingeleitete Normalisierung der notwendigen Nachlieferung wegen nicht leicht wieder umgeworfen werden kann. Als eine solche Ungeschicklichkeit muß man heute die ursprüngliche Einführung von Verstärkerröhren mit 2,5Volt Heizspannung bezeichnen. Zwar war diese Dimensionierung keineswegs ins Blaue hinein erfolgt. Man hatte vielmehr gesehen, daß unterhalb 2Volt kaum etwas Brauchbares zustande kam, wogegen 2,5 bis 3 Volt eine immerhin annehmbare Bemessung darstellten. Ferner hatten wir bereits in den ersten Monaten des Jahres 1914 gefunden, daß zur Vermeidung des Gitterstromes und der dadurch bedingten Verringerung der Verstärkung eine feste Gitterspannung von etwa minus 1,5 Volt erforderlich war. Als besonders einfache Lösung war uns nun damals, als die Frage wirtschaftlichster Ausnutzung der Batterieladung noch ohne Bedeutung war, die Einschaltung eines Widerstandes in die negative Heizleitung erschienen; von ihm wurde die Gitterspannung abgegriffen. So war das später jahrelang in der ganzen Welt verbreitete Schaltschema entstanden, das sich bei uns, nach einmal geschehener Einführung, in der Kriegszeit überhaupt nicht und hernach nur durch geradezu heroischen Entschluß abschaffen ließ.
Der Wolframdraht, den wir anfangs verwandten, war ein normaler Glühlampen-Faden, nämlich hart gezogener Draht mit Thoriumdioxydzusatz, der von einem der jetzigen Osram-Werke angefertigt wurde. Im Laufe der Zeit versuchten wir verschiedene Spezialsorten von besonderer Herkunft oder Zusammensetzung. Vorteilhaft bemerkbar machte sich darunter der Wolfram- Hinkristallfaden von der Julius Pintsch A.G., Glühlampenwerk, der sich den gezogenen Drähten der ersten Jahre in Bezug auf Geräuschlosigkeit überlegen zeigte. Der späterhin fabrizierte gezogene Draht war hierin jedoch dem Kristallfaden fast gleichwertig.
Die Pumpmethoden verlangten eigentlich die geringste Entwicklungsarbeit, was deren prinzipielle Seite betraf. Doch sind natürlich für die nötigen Arbeitsdauern und -unkosten niemals endgültige Lösungen erreichbar gewesen. In erster Linie hängt die Evakuierung von den Elektrodenmaterialien ab. Unter ihnen schieden aus Preisgründen die für Vakuumröhren am besten geeigneten Metalle aus. Man mußte unter den billigeren von eben noch annehmbarer Qualität: Kupfer, Nickel oder Eisen wählen. Im allgemeinen ist Nickel das beste hiervon. In jenen Kriegsjahren war dieses jedoch ganz außerordentlich knapp, sodaß wir es nicht in genügender Menge erhalten konnten. Wir haben demnach Kupfer benutzt, weil normales käufliches Eisenblech in seiner Beschaffenheit meist unzuverlässiger ist und häufig Emissionsgifte enthält: unedle Gase, die die Emission verderben. - Als im Frieden wieder geordnete Rohstoffverhältnisse eintraten, haben wir nur Nickel zum Elektrodenaufbau angewandt, und wir sind auch bis zum heutigen Tage dabei geblieben.
Die Entlüftung geschah in den ersten Zeiten sehr langsam und sorgfältig, und zwar durch Rotations - Quecksilberpumpen mit starker Nachevakuierung durch flüssige Luft und Kohle. Die Röhren befanden sich dabei in Öfen, die bis nahe unterhalb der Erweichungstemperatur des Glases erhitzt wurden. Die Metallteile wurden dem Bombardement der aus der GIühkathode emittierten, durch eine Batterie oder Maschine von mehreren hundert Volt beschleunigten Elektronen ausgesetzt. Erst allmählich lernte man mit einem Minimum von Zeit und Aufwand auskommen Insbesondere wurde die Entleerungsdauer durch die Erfindung der Diffiusionspumpe von Gaede bedeutend herabgesetzt. Nach anfänglichen Unbequemlichkeiten mit dem ersten Gaede'schen Modell kam die zweite, ganz aus Glas bestehende Ausführungsform bei uns durchweg zur Benutzung. In der Friedrichstraße hatten wir etwa 32 Evakuieröfen, von denen je zwei an eine gemeinsame Sauganlage angeschlossen waren, mithin 16 unabhängige Vor- und Diffusionspumpen.
Im Laufe der späteren Entwicklung sah man bald ein, daß bei einer 4 Volt-Batterie deren Ausnutzung durch einen 2,5 Volt-Faden sehr schlecht war. Es wurden daher Röhren mit Glühfäden gebaut, die bei fast entladener Batterie eben noch richtig arbeiteten und demnach mit 3,5 bis 3,6 Volt brannten. Leider wurde ihre Einführung durch das Beharrungsvermögen des Apparatebaues verzögert. So erklärt sich, daß eine zu jener Zeit eigentlich schon völlig unmoderne Type, die RE 11, noch Jahre hindurch als Telefunken-Normalröhre geführt werden mußte, - zum großen Schmerze der Röhrenentwicklung.
Unterdessen warf sich diese aber auf einen anderen Zweig, und zwar auf die Herstellung von Kathoden mit sehr viel geringerem Heizaufwand für eine vorgegebene Emission. Später hat sich dafür die Bezeichnung Sparfäden eingebürgert. Zwei Wege wurden etwa gleichzeitig beschritten: Oxydfäden und Thoriumfäden. Wenn man heute die außerordentlich einfache und gut durchgebildete Fabrikation von Röhren mit Thoriumfäden sieht, so kann man sich schwer in jene Zeit zurückversetzen, in der die Gewinnung einer konstanten Glühkathode dieser Art wirklich Mühe machte. Die Hauptschwierigkeit liegt darin, eine ausreichende, dauernd nachwirkende Reduktion des Thoriumoxydes zu erreichen, ohne daß der Wolframfaden verdorben, das Glas angegriffen und Leitfähigkeit zwischen den Zuführungen erzeugt wird. Dabei muß dies alles in die Form einer Methode gebracht werden, die von relativ ungelernten Arbeitern beherrschst wird. Dir Reduktion geschah anfangs durch Kohlenwasserstoffe. Dies hatte, da Wolfram sehr zur Carbidbildung neigt, den schwerwiegenden Nachteil, daß der Faden leicht vollkommen brüchig wurde. Erst durch die Evakuierung der Metallteile mittels Wirbelstromerhitzung und durch gleichzeitige Verdampfung von metallischem Magnesium wurde die Erzeugung der Thoriumröhren auf ein hohes Niveau gehoben. Hierauf spielte sich die Fabrik bald derartig ein, daß in den späteren Jahren, nunmehr bereits in der Sickingenstraße, die tägliche Herstellung von 2000 Thoriumröhren weniger Schwierigkeiten machte, als diejenige von 2000 Wolframröhren es früher tat.
Bei der Einführung dieser neuen Röhren mußte ein Zugeständnis an die Wünsche des Publikums gemacht werden. Ich meine damit die Anpassung des Glühfadens an eine Batterie von 3 Trockenelementen, was unter Berücksichtigung der deutschen Fabrikate eine Heizspannung von etwa 2,4 Volt bedingte. Wir haben dieser Mode von Anfang an keine lange Dauer vorausgesagt. Der vernunftgemäßere, für den 4 Volt-Bleiakkumulator zurechtgemachte Glühfaden folgte bald ganz von selbst, nachdem er auch im Publikum eine zwingende Notwendigkeit geworden war. Die Typen jener "4 Volt"-Epoche, RE 064, RE 144 und RE 154, stellten einen wirklich hochbefriedigenden Stand der Thoriumfadentechnik mit guten elektrischen Eigenschaften der Röhren und relativ leichter Fabrikation dar. Natürlich blieben einige Probleme, wie die Erschütterungsempfindlichkeit und das ständige Absenken der Herstellungskosten, aktuell. Ferner machten sich dauernd Bestrebungen nach Sonderausführungen geltend, woraus die Röhre RE 054, speziell für Widerstandsverstärkung, die RE 97, später RE 504 genannt, und die besonders entwickelte Type RE 354, letztere drei für Lautsprecher-Endstufen, hervorgingen.
Mit Vorstehendem habe ich schon zu erkennen gegeben, daß wir uns in einem bestimmten Stadium der Durchbildung sowohl von Thorium- als auch von Oxydröhren zunächst zur Einführung und Normalisierung der ersteren Klasse entschlossen. Es war aber bereits aufgefallen, daß man durch sorgfältige Herstellung Oxydfäden erhalten konnte, die bei gleicher Emission und Lebensdauer nur etwa den halben Heizaufwand erforderten. Diese Erkenntnis stammte aus exakten Laboratoriumsversuchen, die hauptsächlich den bemerkenswerten Einfluß der Mischungsverhältnisse gewisser Oxyde aufklären sollten. Dabei hatten wir sowohl verschiedene Vertreter der 2., 3. und 4. Klasse des periodischen Systems der Elemente kombiniert, als auch die prozentische Zusammensetzung über die ganze Skala variiert. Wenn man bedenkt, daß nicht nur die spezifische Emissionen Bezug auf die Temperatur, sondern auch vor allem die Lebensdauer untersucht werden mußte, so begreift man den beträchtlichen Umfang und Zeitbedarf dieser Arbeiten. Zwei Beispiele eines sehr interessanten Mischungsdiagrammes zeigt Bild 71. Man erkennt dort an dem System BaO/La2O3 die beiden Maxima der Emission pro Watt. Eine ähnliche Kurve, bei der allerdings nur ein ausgesprochenes Maximum vorhanden ist, gibt das Gemisch BaO/Ce2O3. Jedes Diagramm ist für gleiche Emission pro Flächeneinheit aufgenommen, und das Bedeutungsvolle hieran ist, daß bei den Höchstwerten der Emission zugleich solche der Lebensdauer auftreten. Bezieht man daher den Verlauf auf bleiche Haltbarkeit, so ergeben sich für die ausnutzbaren Milliampere pro Watt noch viel ausgeprägtere Maxima als in Bild 71. Diagramme von diesem Typus fanden wir oft. Als günstigstes Oxydgemisch erschien uns schließlich ein solches von etwa 80 bis 90 % aus der Erdalkalien-Klasse (II) mit 20 bis 10% aus der Klasse der seltenen Erden (III oder IV). Diese Zusammenstellung dürfte die beste sein, die es für wirkliche Oxydkathoden jemals in der Technik gegeben hat. Jedenfalls haben wir bei keinem Fabrikate der Welt eine vorteilhaftere gefunden.
Die soeben erwähnte Entwicklung leitete Dr. H. Simon, den wir beim Wiederaufbau nach den Streik- und Abbauzeiten frisch von der Hochschule engagiert hatten und der nun in dem ihm anvertrauten, mit nur wenig Hilfskräften ausgestatteten Vakuum- und Glühfädenlaboratorium reichlich Arbeit fand und bewältigte.
Mit dem soeben beschriebenen Oxydgemisch wurden die Typen RE 062, RE 152 und RE 352 hergestellt. Ich muß hierzu nachtragen, daß wir für Rundfunkempfangsröhren eine besondere Benennung eingeführt hatten. Die ersten Thoriumröhren RE 78 und RE 83 mit 2,5 Volt-Fäden gehörten noch zu der alten Typenklasse, deren Vertreter einfach der laufenden Nummer nach getauft wurden. Die vorhin erwähnten RE 064, RE 154 und andere trugen dagegen schon die neuartige Bezeichnung, bei der die Buchstaben RE, "Röhre" und "Empfang" bedeutend, beibehalten sind, die hinzugefügte Nummer jedoch unmittelbar Heizstromstärke und -spannung angibt. Die letzte Ziffer drückt die notwendige Voltzahl des Akkumulators aus, die beiden ersten den Strombedarf in Hundertstel Ampere. RE 062, RE 152 und RE 352 besitzen demgemäß sämtlich Glühkathoden, die einen 2 Volt-Sammler erfordern und 0,06 Ampere, 0,15 Ampere und 0,35 Ampere verbrauchen. Man ersieht hieraus, daß wir uns entschlossen hatten, zwei Klassen von Rundfunkhörern zu normalisieren, von denen die eine der 4 Volt-, die andere der 2 Volt-Batterie angepaßt war. Es hatte sich hierfür in der Kundschaft anscheinend ein starkes Interesse gezeigt. Als man aber später sah, daß für 2 Volt-Röhren doch nur ein sehr geringer Bedarf bestand, ließ man diese wieder fallen, um nicht eine große Zahl von Typen für einen kleinen Konsum zu führen und die Fabrik dadurch bei wichtigeren Aufgaben zu behindern.
Zu dieser Zeit machten wir eine unangenehme Periode in der Normalisierung der Sockel durch. Im Kriege hatten sich ämlich infolge der Absperrung der einzelnen Länder und Märkte völlig verschiedene Sockel für Verstärkerröhren herausgebildet, und zwar konnte man den großen und den kleinen Telefunkensockel, den französisch- englischen und den großen amerikanischen als Haupttypen unterscheiden. Außer diesen existierten weniger eingeführte Formen, der fünfpolige Telefunken- Siemens -Sockel und der "Peanut"- Sockel der Western Electric Company. Da die Absatzgebiete noch bis zum Beginn des Rundfunks ziemlich abgeschlossen gewesen waren, fand sich in der Welt alsbald Rundfunkgerät mit Fassungen für die verschiedensten Sockelarten verteilt. Aus kaufmännischen Gründen war eine Vereinheitlichung dringend notwendig. Wir sahen rasch ein, daß es nicht gelingen würde, die schon sehr verbreiteten französisch - englische Type durch unseren, technisch zwar viel besseren, kleinen Telefunkensockel zu verdrängen. Daher gaben wir dieses Beginnen auf und stellten selber Empfänger mit gut ausgeführten, besagtem französisch - englischen Vorbilde angepaßten Fassungen her. Der entsprechende Sockel, den wir unter der Bezeichnung "Europa-Sockel" propagierten, wurde durch die deutsche Normalisierung zwar weitgehend verbessert, ist aber meiner Ansicht nach im Prinzip falsch, da ich einen Röhrensockel mit festen Stiften und federnder Fassung für die einzig richtige Lösung halte. Wenn bei einer technischen Kombination von festen und auswechselbaren Bestandteilen die Wahl bleibt, die eigentlich schwierige und doch sicher zu gewährleistende Funktion der einen oder der anderen Art aufzuerlegen, so muß diese Funktion meiner Ansicht nach von dem dauernd verwandten, nur einmal hergestellten, nicht aber von dem häufiger erneuerten Organ übernommen werden. Ein Beispiel hierfür ist auch das bekannte Problem der Erschütterungsempfndlichkeit der Röhren. Selbstverständlich muß hier bereits im Empfänger durch gedämpfte Montage und verdeckten Einbau für weitgehende Beseitigung der Anstoßgefahr gesorgt, nicht aber alles der Konstruktion der Röhre überlassen werden, die als laufender Verbrauchsgegenstand dadurch in der Fabrikation unnötig teuer wird und hohen Ausfall gibt. Dementsprechend sollte die schwierige Aufgabe der Federung bei den Steckerkontakten in den Empfangsapparat verlegt werden und nicht in die Röhren. Diese Ansicht konnte sich aber, wie gesagt, aus kaufmännischen Gründen nicht durchsetzen.
Der Übergang von einer Sockelart zur anderen hat sehr viele Umstände gemacht und zur gleichzeitigen Führung sämtlicher Röhrentypen mit beiderlei Sockel gezwungen. Solche der Rationalisierung abträglichen Erscheinungen pflegen viele Jahre lang nachzuhinken.
Zu jener Zeit hatten die 4 Volt- und die 2 Volt-Röhren ähnliche Konstanten, und zwar deswegen, weil erstere mit Thoriumfäden, letztere mit Oxydfäden versehen waren, die, entsprechend ihrer viel tieferen Temperatur, pro Volt Heizspannung einen wesentlich längeren Glühfaden und demnach eine größere Steilheit der Kennlinie besaßen. Man sieht sofort, daß hier die Möglichkeit verborgen lag, bei Normalisierung der Röhren für 4 Volt deren elektrische Qualitäten weitgehend zu steigern, indem man das Fadenmaterial der bisherigen 2 Volt-Typen dazu verwandte Und dieser Schritt ließ auch nicht lange auf sich warten; er wurde zu einer durch technisch bewanderte Rundfunkteilnehmer, durch die Literatur, durch das Beispiel auswärtiger Hersteller immer stärker gestützten Forderung der Kundschaft. Also mußten die Fabriken wieder einmal neue Röhren auf den Markt bringen. Man kann aus dem Vorhergehenden leicht ableiten, daß in der letzten Zeit mindestens einmal im Jahr sämtliche Haupttypen geändert wurden, und zwar in den Etappen: Wolfram 2,5 Volt, Wolfram 4 Volt, Thorium 2,5 Volt, Thorium 4 Volt, Oxyd 2 Volt und Oxyd 4 Volt. Ob aber dieser jeder großen Fabrik so verhaßte ständige Wechsel unbedingte notwendig und richtig war, bleibt zweifelhaft, wenn man an die außerordentlichen Erfolge denkt, die von anderen Industrien, etwa dem Ford'schen Automobilbau, mit genau der entgegengesetzten Typenpolitik erzielt worden sind.
Im Wettbewerb mit der weiter vorn beschriebenen Oxydgemischmethode wurde in jüngster Vergangenheit eine neue Glühkathodenherstellung übernommen und durchgearbeitet, die, korrekt ausgedrückt, nicht Oxydfäden ergibt, aber im Endeffekt auf etwas physikalisch analoges hinausläuft. Dieses sogenannte Dampfverfahren liefert Röhren, die den besten Oxydtypen elektrisch und fabrikatorisch noch etwas überlegen sind. Sie haben kleine äußerliche Mängel: die reduzierende Metallschicht auf der Kolbenwand wird sehr ausgedehnt und undurchscheinend, verliert auch den spiegelnden Glanz. Da aber ein Glühen des: Fadens infolge der äußerst niedrigen Temperatur, bei der die Röhren normalerweise arbeiten, ohnehin nicht wahrzunehmen wäre, ist die Durchsichtigkeit zu entbehren. Das Aussehen aber ist gleichgültig, denn es handelt sich auch bei einer Rundfunkröhre nur um die technische Zweckmäßigkeit, und außerdem hat der Empfängerbau sich endgültig dazu durchgerungen, die Röhren verdeckt anzuordnen, was in mehrfacher Hinsicht einen technischen Fortschritt bedeutet, abgesehen von der ästhetischen Seite.
Von der eben beschriebenen Glühkathodenausführung werden jetzt die Typen RE 074, RE 084 und RE 134 hergestellt, von denen Ansichten, Daten und Kennlinien in Bild 72 und 73 wiedergegeben sind. Sie sind auf dem Weltmarkte bisher unübertroffen und weisen, mit den ersten Rundfunkröhren verglichen, eine so außerordentliche Steigerung in elektrischer Hinsicht auf, daß sie in manchen für die früheren Qualitäten gebauten Empfangsapparaten nicht verwandt werden können, weil den Selbsterregungseigenschaften der Schaltungen nicht diejenige Sorgfalt gewidmet wurde, die so hochwertige Röhren erfordern. Dagegen zeigen sie in Geräten, die ihrer elektrischen Güte angepaßt sind, unerreichte Leistungsfähigkeit. Insbesondere besitzen die Typen für Endstufen eine solche Breite in der Kennlinie, daß selbst Lautsprecher mit relativ starkem Wattbedarf diese Röhren nicht erschöpfen können. Da letzthin das Bedürfnis nac~ sehr großer Tonfülle be; tadelloser Verzerrungsfreiheit häufig auftritt, ist eine derartige Ergiebigkeit von wesentlicher Bedeutung.
Neben diesen "Normalröhren" hat Telefunken von jeher Spezialtypen entwickelt. Als deren älteste Klasse muß ich hier die Raumladungsgitterröhren anführen. Ihre erste Vertreterin RE 20, rasch vervollkommnet als RE 26, kam bereits gegen 1919 in der Friedrichstraße auf. Diese Raumladungsgitterröhren, die man im Publikum nachlässigerweise "Doppelgitterröhren" nennt - ein an sich richtiger, aber keineswegs eindeutiger Ausdruck -, haben den besonderen Zweck, bei sehr kleinen Anodenspannungen noch Steilheiten und andere Verstärkereigenschaften zu ergeben, wie sie Eingitterröhren heute nur bei mehrfach höherer Anodenspannung liefern. Diese beträgt zum Beispiel bei Type RE 26 normal 12 bis 15 Volt. Die RE 26 wurde für behördliche und industrielle Anlagen, unter anderem für Hochfrequenz-Telephonie längs Starkstromleitungen, angewandt. Später äußerte sich auch im Rundfunk ein gewisser Bedarf an Raumladegitterröhren mit nur 4 bis 8 Volt Anodenspannung. Für diesen haben wir besondere Typen mit Thorium- und Oxydfäden normalisiert. Aber ich bin stets der Meinung gewesen, daß solche Röhren, da sie infolge ihrer außerordentlich niedrigen Anodenleistung keinen Lautsprecherempfang gestatten, niemals eine wichtigere Rolle spielen werden. Bei manchen Amateuren sind sie deswegen beliebt, weil sie eine besonders gute Detektor - Wirksamkeit haben. Wenn man sie also als Audion verwendet und dahinter Niederfrequenzverstärlter- und Endröhren mit normalen Anodenspannungen, kann man allerdings im Aufnehmen ferner Stationen bedeutende Ergebnisse erhalten. Bei "kommerziellen" Empfängern sind vielfach Raumladungsgittertypen höchster Steilheit in Gebrauch, so in Flugzeug- und in Anrufgeräten oder in Schnellschreibern, wo besondere elektrische Qualitäten der Röhren notwendig sind.
Auch die von W. Schottky im Jahre 1916 erfundene Schutzgitterröhre - gleichfalls eine Doppelgitterröhre, aber anders wirkend, als solche mit Raumladungsgitter - hat sich in den letzten Zeiten wieder ziemlich bemerkbar gemacht. Sie hat bekannte Vorzüge hinsichtlich Vermeidung der Anodenrückwirkung in Gestalt von Selbsterregung bei Verstärkern mit abgestimmten Zwischenübertragern, wie es die modernen Empfänger mit Hochfrequenzverstärkung sind. Es ist gewiß richtig, daß man mit dergleichen Spezialtypen für Sonderzwecke viel erreichen kann. Dem steht jedoch die Gefahr der fabrikatorischer Zersplitterung und der dadurch veranlaßten Verteuerung und Verlangsamung der normaler Produktion entgegen, so daß eine rationelle Typenpolitik derartigen Wünschen nicht allzu bereitwillig nachgeben sollte.
Eine andere Spezialentwicklung, die trotz mancherlei technischer Schwierigkeiten große Erfolge verspricht, ist diejenige der Röhren mit wechselstromerhitzter Glühkathode. Man unterscheidet hier die direkt und die indirekt geheizten. Während erstere nichts anderes als gewöhnliche Eingitterröhren vorstellen, bei denen nur die vom Wechselstrom unmittelbar durchflossenen Fäden zwecks Unschädlichmachung der Strom-, Spannungs- und Temperaturänderungen besonders dimensioniert sind, stellen die indirekt beheizten Röhren ein weit interessanteres Problem dar, zumal sie auch höhere Qualitäten zu erzielen gestatten. Ihr Kennzeichen ist eine Art sekundärer Glühkathode, die von einer primären, vom Wechselstrom gespeisten Wärmequelle durch Strahlung oder Leitung erhitzt wird. Wir hatten solche Röhren mit Oxydemission bereits im Jahre 1923 fertig entwickelt. Die Kathodenanordnung ist folgende: Ein von Wechselstrom geheizter Wolframfaden ist von einem eng anliegenden Röhrchen aus einer hochschmelzenden, wärmeübertragenden, aber elektrisch nichtleitenden Substanz umgeben. Dessen Außenseite bedeckt ein metallischer Mantel, der die emittierende Oxydschicht trägt. Die Qualitäten dieser Röhre REN 1104 sind außerordentlich Gute, wie aus ihren Kennlinien in Bild 77 ersehen werden kann. Sie hat erheblichen Eingang in die Praxis befunden.
Ferner wären die Röhren mit mehreren Elektrodensystemen in einem und demselben Kolben zu erwähnen. Sie bedeuten meiner Meinung nach einen Mißgriff, denn sie leisten nichts weiter, als die Verlegung der Unkosten an eine andere Stelle, bringen aber keinen Fortschritt in technischer Beziehung. Die Ansicht, daß sie eine Verbilligung darstellen, wird vor einer strengen Nachprüfung im einzelnen kaum bestehen, weil ihr meines Erachtens eine Vernachlässigung in Bezug auf gewisse Punkte zugrunde liegt, die ganz dieselbe pekuniäre Rolle spielen wie die anderen.
Das Verstärker- und insbesondere das Vakuumlaboratorium haben sich lange Zeit mit einer speziellen Aufgabe beschäftigt, die bei großer Anstrengung bisher doch keine zufriedenstellende Lösung fand: Röhren mit kalter Kathode und gesteuerter Glimmentladung. Es existieren darüber zahlreiche Patente, unter denen Telefunken diejenigen von Schröter, Marx und Kossel erworben und experimentell bearbeitet hat. Der Glimmentladung haften aber neben dem bestechenden Vorteil der Vermeidung der lästigen Heizbatterie so viele Unsicherheiten und auch prinzipielle Fehler, wie etwa das Rauschen des Verstärkers, an, daß die immerhin erzielten Erfolge mit den Leistungen der Hochvakuum-Glühkathodenröhren im Endergebnis nicht konkurrieren konnten, obgleich die Gasröhren zeitweise recht gute Verstärkungszahlen bei geringem elektrischen Aufwande und nur 110 bis 220 Volt Anodenspannung aufzuweisen hatten. Vielleicht wäre bei einer zielbewußten Weiterentwicklung noch manches zu erreichen gewesen, wenn ich auch nicht glaube, daß man auf diesem Wege jemals einen linearen Verstärkungsgrad von mehreren Tausend ohne jegliches Eigengeräusch erhalten wird.
Daneben besteht ferner die Möglichkeit, G1ühkathodenröhren mit bestimmten Gasfüllungen zu verwenden. Diese haben jedoch, wie eingehende Vorversuche zeigten, bei guten Eigenschaften ebenfalls große Mängel, so besonders die geringe Konstanz der notwendigen speziellen Anodenspannungseinregulierung und beträchtlichen Geräuschspiegel. Deswegen haben wir die Entwicklung solcher Röhren trotz Drängen der Kundschaft stets abgelehnt, und ich kann heute nur sagen, daß wir richtig gehandelt haben.
Ich will damit lediglich zum Ausdruck bringen, daß mir ein derartiges oder ähnliches System zu Verstärkungszwecken unbrauchbar erscheint, daß es dagegen als Gleichrichter, beispielsweise für Netzanschluß, sich wohl durchsetzen könnte, da die genannten Nachteile hier nicht störend hervortreten. Auf diesen Punkt muß ich noch kurz eingehen. Ein Entwicklungszweig von großer praktischer Bedeutung für den Rundfunkempfang sind nämlich Ventile als Mittel zur Entnahme von Gleichspannung aus dem Wechselstromnetz. Als unbedingt zeitgemäß und notwendig erwies sich ein Gleichrichter, der die Anoden- und die Gitterspannungen liefert. Von den hier möglichen Ausführungsformen war bisher die beste ein Doppelventil mit Hochvakuum und Glühkathode, das etwa 200 Volt bei 75 Milliampere Gleichstrom abgibt. Es ist dies die eingeführte Type RGN 1503, die zwei getrennte Anoden und je eine dazugehörige Kathode, letztere beiden in Serie liegend, enthält und die auf dem Markte als außerordentlich leistungsfähig und zufriedenstellend aufgefallen ist. Die anderen Möglichkeiten, Glühkathode in Gasatmosphäre oder völlig selbständige Glimmentladung mit kalter Kathode, sind eingehend untersucht worden und besitzen teilweise Vorteile bezüglich des elektrischen Aufwandes, daneben auch einige mehr oder weniger unbequeme Unterschiede in Einzelheiten. Im Ganzen haben sie annähernd die gleiche Qualität wie die Hochvakuumtype erreichen können (Bilder 81, 82).
Es bleibt noch die Frage offen, in welcher Form die Heizung der Rundfunkröhren aus dem Wechselstromnetz eines Tages endgültig gelöst sein wird. Hier stehen in Wettbewerb 1. die schon besprochenen Arten der Wechselstromerhitzung der Kathode, 2. Der Umweg über Gleichstrom, und zwar
  1. unmittelbar aus Ventilröhren,
  2. mittelbar mit Pufferschaltung von Sammlern,
  3. aus einer Sammlerbatterie, die in den Nichtempfangszeiten auf einen Ladegleichrichter umgeschaltet wird.
Sicher wird man nicht dabei stehen bleiben, den Akkumulator außerhalb des Hauses neu aufladen zu lassen. Dagegen scheint es möglich, daß die Röhren mit Wechselstrombeheizung, und zwar für die empfindlicheren Stufen die indirekt, für die unempfindlichen die direkt arbeitenden, sich schließlich allgemein durchsetzen. Deswegen fragt sich, ob man auf die Dauer noch einen Gleichrichter für starken Strom und niedrige Spannung, entweder zur unvermittelten Speisung aller Glühkathoden, oder zur Ladung zwischengeschalteter Zellen, benötigen wird. Immerhin dürfte in der Zwischen- zeit für die beträchtlichen Mengen von Heizakkumulatoren, die sich im Besitze der Rundfunkteilnehmer befinden, eine brauchbare Laderöhre willkommen sein. Telefunken hat sich hierauf vorbereitet, indem eine passende Type in der Reserve liegt. Allerdings glaube ich mehr an die Ära der Wechselstromröhren.

III. Die Entwicklung der Senderöhren im allgemeinen.
Nunmehr kehre ich zurück zu der Zeit, in der auch bei den Senderöhren eine systematische Entwicklung begann. Schon in der ältesten Fabrik am Tempelhofer Ufer war ja daran gearbeitet worden. Von den zu diesem Zwecke beschafften Molekularpumpen hatten wir bei der Herstellerfirma, Gebrüder Leybold in Köln, in Anbetracht ihrer auf Kriegsbedarf umgestellten Produktion, trotz größter Bemühungen nur drei Stück bekommen können. Zwei weitere erhielten wir liebenswürdigerweise von den Direktoren der physikalischen Institute in Bonn und in Marburg, Geheimrat Kayser und Geheimrat Kicharz, geliehen. Später, als die ganz aus Glas gebauten Diffusionspumpenmodelle herauskamen, arbeiteten wir nur noch mit diesen. Flüssige Luft hatten wir hierzu immer hinreichend zur Verfügung. Die ersten Bemühungen zur Schaffung von Senderöhren bestanden darin, daß wir uns mit den stärkeren Wolframfäden, ihrer möglichen Belastung und Lebensdauer vertraut zu machen begannen. Ferner suchten wir Metalle für Gitter und Anoden, die selbst im glühenden Zustande des Vakuum nicht verdarben. Als bestes Anodenmaterial erwies sich Tantalblech, a uf dessen Herstellung die Firma Siemens & Halske glücklicherweise gut eingerichtet war, da sie lange Zeit Glühlampen mit Tantalfäden fabriziert hatte. Für Befestigungstücke, Träger und dergleichen fanden wir Molybdän vorteilhaft, das sich bedeutend leichter schweißen läßt, als Tantal. Wir kamen so in größeren oder kleineren Schritten zu Röhren von etwa 15 bis 20 Watt Leistung, wobei zunächst die Konstruktion in Metall und Glas wohl allen Beteiligten recht schwer wurde. Betrachtet man heute die sehr vollkommene und ansprechende, dabei außerordentlich einfache Bauweise der modernen Senderöhren, so versteht man nicht gut, warum damals so viel um die Halterung und Anordnung der Elektroden gekämpft werden mußte. Aber es lag wohl daran, daß die Leute an praktische Glaskonstruktion nicht gewöhnt waren und deswegen einen schauerlichen Stil produzierten, der ein Bastard aus ,,Gedanken und Erinnerungen" war. Nebenbei hatte man ganz überflüssige Angst vor der Verwendung von Metallteilen und benutzte zuviel Glasmechanik. Einige Senderöhren aus der damaligen Zeit, denen man heute das Unsichere im Aufbau deutlich anmerkt, sind in den farbigen Bildern wiedergegeben, die Reproduktionen US den Laboratoriumsbüchern darstellen.
Nach der Übersiedlung in die Friedrichstraße blühte die Entwicklung der Senderöhren auf, denn dort waren sowohl große und zweckmäßige Laboratoriumsräume vorhanden, als auch sehr umfangreiche experimentelle Mittel, wie Hochspannungsmaschinen, Vakuumöfen, jegliche Art von Meßinstrumenten und sonstigen Hilfsapparaten beschafft worden; und vor allem gelang es, dank der nunmehrigen Einsicht der Militärbehörden, geeignetes wissenschaftliches und technisches Personal zu sichern, dessen Erhaltung bis dahin infolge der Aushebungsvorschriften fast ausgeschlossen war. Wir zogen zu dieser Zeit mehrere Physiker, so Dr. K. W. Hausser, Dr. O. Keinkober, Dr. H. Baerwald, Dr. G. Wiedmann, später Dr. W. Kossel, und einen tüchtigen und brauchbaren Stab von jungen Technikern und Monteuren herbei.
Die Typen, auf die wir damals lossteuerten, waren recht zahlreich. Als erste Lieferung wurde von unseren technischen Büros eine Senderöhre von ungefähr 3 Watt bei etwa 440 Volt Anodenspannung verlangt. Wir konnten dem sofort entsprechen; denn wir hatten zu jener Zeit ja schon bis zu 15 Watt entwickelt und wurden infolgedessen vor eine weniger schwierige Aufgabe gestellt, als wir eigentlich erwartet hatten. Jene Type hieß RS 1. Sie ist in Bild 85 wiedergegeben. Verwendung fand sie in einer tragbaren Schützengrabenstation, die durch eine kleine Dynamomaschine entweder mit Handantrieb oder 12 Volt-Motor gespeist wurde. Diese Anlage wurde später etwas variiert. Sie erhielt etwa 600 bis 800 Volt Anodenspannung und leistete 10 bis 20 Watt. Die Röhren waren für diesen Zweck ein wenig umgeändert worden, bekamen die Typenbezeichnung RS 5 und wurden zu vielen Tausenden fabriziert. Einige vorübergehend normalisierten Modelle, RS 2 und RS 3, hatten keine besondere Bedeutung erlangt. Dagegen war unterdessen mit der Röhre RS 4 ein wichtiger Fortschritt gemacht worden. Diese war bestimmt für einen fest eingebauten Marine-Schiffsender, der größer und schwerer sein durfte, als ein tragbares Gerät, und unbedenklich eine Anodenspannung von 1000 bis 2000 Volt zuließ. Die RS 4 leistete 50 bis 75 Watt bei 1000 bis 2000 Volt und hatte einen Heizbedarf von 3 Ampere und 9 Volt. Später wurde ihr mechanischer Aufbau Hand in Hand mit der Vervollkommnung der Konstruktion und der Erkenntnis gewisser elektrischer Nach- oder Vorteile des öfteren modifiziert; ferner wurden im Zuge dieser Entwicklung Heizverbrauch, Anodenspannung und Leistung allmählich gesteigert. Wir hatten uns aber zum Prinzip gemacht, einer elektrisch geänderten Ausführung stets eine neue Type zu geben, so daß sie an die RS 4 zunächst RS 17 I und mit der Zeit eine Anzahl höherer Ordnungen bis zu RS 17 IV anschlossen, die alle für den Marinesender dienten.
Zwischendurch unternahmen wir Schritte, um das teure Tantal durch ein billigeres Metall zu ersetzen. Wir erprobten und verwarfen Eisen, Chrom, Nickel und allerhand Legierungen derselben, und ich möchte gleich hinzufügen, daß auch zahlreiche Versuche mit Molybdän, ebenso wie einige - viele Jahre später - mit Wolframblech ausgeführten, uns kein einziges Material finden ließen, das die Qualität des Tantals gehabt hätte. Allerdings zeigte sich, daß man bei manchen Röhren, deren Anoden nicht allzusehr belastet waren, mit Molybdän auskam, während wir die Metalle der Eisengruppe niemals als praktisch brauchbar ansehen konnten. Man muß hierbei bedenken, daß, selbst wenn der Ersatzstoff billiger ist, mühsamere Pumparbeit und vergrößerter Ausfall nicht nur die Ersparnis illusorisch machten, sondern auch die Fabrik bei gleichem Umsatz stärker beschäftigen.
Mit der Nachfolgerin der Type RS 4, der RS 17, gelangten wir schließlich zu 200 Watt, ohne daß wir eine wesentliche Änderung in der Entwicklung empfanden. Anders war dies bei den Aufgaben, die wir unterdessen in Angriff genommen hatten. Es war nämlich eine neue Entwicklungsreihe größeren Stiles für Leistungen von 0,5 Kilowatt an aufwärts bis zu 5 Kilowatt beschlossen worden, ohne daß wir zunächst wußten, ob und wie wir besonders die stärkeren Typen schaffen würden. Diejenige für 0,5 Kilowatt ist bald darauf eine unserer wichtigsten und meist angewandten Röhren geworden. Sie hieß, je nach ihrer fortschreitenden Vervollkommnung, RS 13, I bis III, dann RS 18 und wurde in dem damals wirklich etwas Außergewöhnliches darstellenden 1 Kilowatt-U-Boot-Sender benutzt (siehe die Röhrengruppe in Bild 86).
Nach deren Einführung warfen wir uns eifrig auf das Problem der 1 Kilowatt-Röhre, die in kurzer Zeit ganz gut gelang und auf 1,5 Kilowatt bei 4000 Volt erhöht wurde. Die sehr frühe Type RS 15 (Bild 86) zeigt, wie schnell diese Entwicklung gegangen war. An den Bau-und Herstellungsprinzipien hatten wir unterdessen nichts Wesentliches zu ändern brauchen. Die Art der Metalle, der Glasdurchschmelzungen, des Evakuierprozesses war geblieben. Im Einzelnen waren allerdings für jede Type eingehende Dimensionierungsversuche, Belastungsproben und daraus sich ergebende Fabrikations- und Prüfmethoden notwendig. Selbstverständlich machte das alles, unter abwechselnden Erfolgen und Rückschlägen, sehr viel mehr Mühe, als hier in den wenigen Sätzen zum Ausdruck kommt. Eine Materie, auf die man besonders achten mußte, war das Glas für die Einschmelzung der Heizstromzuführungen zur Kathode. Denn bei der steigenden Rohstoffknappheit des Krieges suchten auch dir großen Glasfabriken ihre kostbareren Zusätze, vor allem Bleioxyd, mehr und mehr einzuschränken. Aber es gelang uns schließlich, die "Vereinigten Niederlausitzer Glaswerke" in Weißwasser O.-L., jetzt "Osram W", zur dauernden Lieferung von hochwertigem Bleiglas zu bewegen, während wir für die Kolben damals ziemlich allgemein Thüringer Glas von Gundelach in Gehlberg verwandten. Das Verarbeiten jener mächtigen Glaskolben, die wir für RS 15, ferner zu den Versuchen für die Typen 2,5 und 5 Kilowatt benötigten, bedeutete ein Kunststück, dem sich der normale Glasbläser keineswegs gewachsen zeigte. Hierin waren wir freilich auch gut versehen, denn wir hatten in der Friedrichstraße mehrere Meister, wie man sie von so allgemeiner Erfahrung und eigener Geschicklichkeit in jeglicher Glasblase-, Einschmelz- und Evakuierarbeit und von so hervorragenden Fähigkeiten in der Behandlung und Unterweisung der riesigen Schar von Glasbläsern in Deutschland nicht besser finden konnte. Unübertrefflich waren Albert Kühne und Karl Froberg, letzterer leider schon früh gestorben. Auch unter den Glasbläsergesellen hatten wir eine große Zahl wirklich erster Kräfte, die vorzüglich und willig arbeiteten und die selbst in politisch bewegter Nachkriegszeit im Gegensatz zu vielen anderen einen sachlichen und überlegten Standpunkt zu bewahren wußten. Unter ihnen möchte ich hier nur den stets vergnügten, leider später beim Schwimmen tödlich verunglückten Wenzel erwähnen, der mit seinem Freunde Walde zusammen die riesigen Kolben der größten Versuchsröhren einblies.
Wir hatten uns damals, wie gesagt, eine 5 Kilowatt-Glastype in den Kopf gesetzt, die mit etwa 5000 Volt arbeiten sollte und einen Kolben von imponierenden Dimensionen brauchte. Ein übrig gebliebenes Museumsexemplar hiervon zeigt Bild 88. Wenn wir auch mit dieser Art von 5 Kilowatt-Röhren nicht fertig geworden sind, so haben wir dabei doch soviel gelernt, daß wir später Typen gleicher Leistung unter etwas veränderten Bedingungen durchbilden konnten. Ich will aber die Schilderung dieser Entwicklung aus Gründen des Zusammenhanges noch ein wenig verschieben und weise zum Abschluß der Beschreibung unserer normalisierten Erzeugnisse der Fabrik Friedrichstraße auf einige in dieser Festschrift verstreute Illustrationen hin; unter ihnen zeigt Bild 22 die täglichen Herstellungsmengen zur besten Zeit, etwa Sommer 1918.
Nach dem Waffenstillstand und Friedensschluß traten natürlich manche unangenehmen Erlebnisse ein, die man hinterher merkwürdig leicht vergessen hat. Streiks, Einschränkungen, Entlassungen waren an der Tagesordnung, aber man fühlte bald das Entstehen eines Friedensbedarfes, der eine neue Entwicklung verlangte. Man sah, daß die kleinen Typen für die transportablen Stationen an Wichtigkeit verloren und zeitweise fast vollkommen verschwanden, wogegen die Nachfrage nach Röhren für kräftige Landstationen von mehreren Kilowatt Leistung einsetzte. Vor allem bekam jetzt der wirtschaftliche Gesichtspunkt bei der Röhrenausnutzung ein viel größeres Gewicht, als es im Kriege der Fall gewesen war. Man forderte möglichst hohen Wirkungsgrad, um den Anschaffungspreis zu reduzieren, möglichst lange Lebensdauer, um die laufenden Betriebskosten zu verringern. Dabei war es notwendig, mit der Wattzahl der einzelnen Röhre tunlichst hinaufzugehen, weil eine klare Statistik das Sinken der Anschaffungspreise für eine bestimmte Leistung bei Steigerung der Einheitsleistung anzeigte. Wir konnten nicht umhin - und auch die Erfahrungen im Auslande deuteten in diese Richtung -, zur Erhöhung der Anodenspannung auf 6000 Volt bei mittleren Typen bis zu 0,5 Kilowatt und auf 10000 Volt bei 1 Kilowatt und darüber zu schreiten. Dieser Weg konnte jedoch nur betreten werden, wenn wir gleichzeitig von unserer bisher üblichen Anodenspannungserzeugung ab- und zur Entwicklung von Hochvakuumventilen übergingen. So begann die gemeinsame Durchbildung von Senderöhren und Gleichrichtern für 10000 Volt, und zwar bereits in unserem Werk Friedrichstraße. Zu einem Abschluß dieser Typen kamen wir jedoch erst nach Obersiedlung in die Sickingenstraße. Aus der dortigen Tätigkeit entsprangen die 1 Kilowatt-Röhre RS 47 und die 2,5 Kilowatt-Röhre RS 53 (Bild 86), beide mit 10 000 Volt Anodenspannung. Schließlich setzten wir auf diese Reihe als Spitze die 5 Kilowatt-Röhre RS 54 für 20000Volt Anodenspannung, die allerdings stets unsicher blieb und kaum Fuß faßte (Bild 86). Nebenbei waren die Ventile RG 44, RG 46, RG 61 (Bild 90) entstanden, die 10000 bis 20000 Volt Gleichspannung und in der angegebenen Reihenfolge 0,4 Ampere, 0,15 Ampere, 0,8 Ampere Gleichstrom liefern konnten. Sämtliche im Vorstehenden angeführten Röhren und Ventile waren aus Thüringer Glas mit Bleiglaseinschmelzungen hergestellt. Diejenigen für 6000 Volt fanden keinen rechten Absatz und wurden bald wieder fallengelassen. Dagegen blieben die 3000 bis 4000 Volt-Typen RS 15 und RS 18 für große Stationen, in Parallelschaltung verwendet, jahrelang lebensfähig, nachdem man zum Betriebe mit Gleichstrom - Dynamomaschinen übergegangen war. Auch heute noch wird der normale Röhrensender mittlerer Leistung (0,2 Kilowatt bis 3 Kilowatt) durch Gleichstrom-Anodenspannungsgeneratoren mit 2000 Volt bis 4000Volt gespeist.
Als sich vor einigen Jahren zeigte, daß Röhrensender von größeren Dimensionen geeignet sind, alle übrigen Senderarten zu verdrängen, überlegten wir uns die technischen Wege zu weiterer Leistungsteigerung der Einheit und fanden folgende Möglichkeiten: 1. Große Quecksilber-Lichtbogenröhren, 2. Hochvakuumröhren in a) Hartglas, b) Porzellan, c) Metall mit Wasserkühlung. Die Durcharbeitung des Quecksilberdampfgenerators haben wir trotz besten Vorsätzen infolge starker anderweitiger Inanspruchnahme immer wieder verschoben, und bis heute ist es noch nicht richtig dazu gekommen. Von den drei vorgenannten Vertretern des Hochvakuumtypus fiel nach reiflicher Durchrechnung die Porzellanröhre der Behandlungsschwierigkeiten halber fort. Dagegen beschlossen wir, nach Erreichung der Grenze für Thüringer Glas in der Gegend von 5 Kilowatt, sowohl die Konstruktion in Hartglas als auch diejenige in Metall vollständig durchzubilden.
Hartglas ist eine Sammelbezeichnung für schwerflüssige Glasarten. Die Temperaturkoeffizienten der Ausdehnung stimmen bei solchen Gläsern mit denjenigen von Molybdän, Tantal oder Wolfram meistens nahezu überein. Diese Materialien können daher als Stromdurchführungen ohne weiteres eingeschmolzen werden. Nach Einarbeitung der Glasbläser gelang es, Röhren für größere Leistungen sehr zufriedenstellend zu fabrizieren. Wir entwickelten zunächst die 5 Kilowatt-Type von relativ kleinem Volumen RS 203, darauf eine 10 Kilowatt-Röhre für etwa 15000 bis 16000 Volt Anodenspannung (Bild 89). Obgleich diese Exemplare an sich brauchbar waren, sahen wir doch, daß wir über 10 Kilowatt, höchstens 15 Kilowatt - ich mache hier darauf aufmerksam, daß Telefunken bei seinen Senderöhren immer die von ihnen gelieferte Hochfrequenzleistung angibt - nicht wesentlich hinauskommen würden. Auch dabei hätte man nicht von einer Serienfabrikation, sondern nur von einer Handanfertigung durch Künstler reden dürfen. Deswegen ließen wir die begonnene Normalisierung solcher Hartglastypen wieder fallen und wandten uns für größte Einheiten der vorläufig aussichtsreichsten Lösung, der wassergekühlten Metallkolbenröhre, zu. Diese ,,Wasserkühlröhre" war seit langer Zeit ein Entwicklungsobjekt unserer Abteilung gewesen. Bereits 1918, in der Fabrik Friedrichstraße, waren wir in Analogie mit der wassergekühlten Röntgenröhre zu dem Projekt einer nach dem gleichen Prinzip funktionierenden Senderöhre gekommen. Unser erstes Probeexemplar zeigt die linke Seite von Bild 91. Die Zeichnungen und elektrischen Daten aus jener Zeit sind heute noch vorhanden. Ihre Wiedergabe siehe in Bild 87 und 92. Die Wasserkühlröhren wurden anfangs für eine Betriebspannung von 5000 Volt gebaut. Schon damals hatten wir die sogenannte "Ringschmelzung" durch die Firma Siemens & Halske ausführen lassen, deren Röntgenröhrenfabrik darauf eingearbeitet war. So kam es, daß später, als die Produktion aus der Friedrichstraße zum größten Teile in die Sickingenstraße überging, die weitere Entwicklung der Wasserkühlröhren den Siemens-Werken belassen wurde. Im ganzen genommen trat auf diesem Gebiete durch die Einschränkungen und Umstellungen leider ein ziemlicher Aufenthalt ein, der sich einerseits durch die Beschäftigung der wenigen verbliebenen Kräfte mit dringlicheren Aufgaben, andererseits durch die Schwierigkeit, die für die Durcharbeitung der Wasserkühlröhre bis zu großen Einheiten notwendigen Kraftquellen und Hochfrequenzeinrichtungen zu beschaffen, noch verlängerte. Es gelang jedoch, alle Widerstände zu überwinden, und eines Tages hatten wir uns eine Laboratoriums-Senderanlage von ungefähr 150 Kilowatt Leistungsfähigkeit zusammengebaut, deren wichtigste Bestandteile eine 500-Periodenmaschine von etwa 250 Kilovoltampere mit Gleichstrommotor und ein entsprechender Transformator aus einem früheren Tonfunkensender waren. Diese Anlage konnte vermittelst Hochvakuumventilen 16000 bis 17000 Volt Gleichspannung liefern. Die Hochfrequenzteile waren ein wenig schwächer dimensioniert, aber für jede projektierte Einheit von Röhren ausreichend, zudem leicht auswechselbar.
Nun war gewissermaßen das Eis gebrochen, und sowohl die Entwicklung der Wasserkühlröhre selbst, als auch die weitere Vervollkommnung der Versuchs- und Prüfanlage ging trotz erheblichen Kosten glatter vonstatten. Heute besitzt dieses Laboratorium vier Kraftquellen von je mindestens 100 Kilowatt, die eine größere Zahl von Sendern oder Prüfständen mit Gleichspannung zwischen 8000 Volt und 20000 Volt speisen können. Die Bilder 93 und 94 zeigen einige Ansichten dieses ausgedehnten Betriebes, der sich im Wernerwerk (Siemensstadt) befindet.
Ein Zwischenglied in der Entwicklung der wassergekühlten Senderöhre ist in Bild 91 rechts wiedergegeben. Im Gegensatz zu der erst beabsichtigten Siedekühlung ist man hier zur Durchflußkühlung übergegangen. Hieran fällt bei näherer Betrachtung die außerordentlich zweckmäßige und technisch schöne Bauweise auf. Die Röhre besitzt für sämtliche Durchführungen nur Ringschmelzungen, also außer derjenigen für die Anode zwei für die G1ühkathode und eine für das Gitter. Sie sind durchweg für Hunderte von Ampere dimensioniert, weil wir für lange und kurze Wellen gemeinsame Konstruktionen haben. Sowohl hinsichtlich ihrer Eleganz in der Ausführung als auch ihrer elektrischen Qualität, ihrer Festigkeit und Transportsicherheit habe ich auf der Welt noch keine bessere Wasserkühlröhre gesehen. Normalisiert wurden zwei Senderöhrentypen, RS 224 und RS 225, von denen die erstere 10 Kilowatt Telegraphieleistung oder 2,5 bis 3 Kilowatt mittlere Telephonieleistung gibt, die zweitgenannte 20 Kilowatt Telegraphieleistung und 6 bis 7 Kilowatt mittlere Telephonieleistung. Hauptsächlich benutzt wird die RS 225, während RS 224 beinahe schon als überholt gelten kann. Seit längerer Zeit ist eine dritte Type mit 40 bis 50 Kilowatt Telegraphieleistung und 10 bis 15 Kilowatt mittlerer Telephonieleistung in der Durcharbeitung begriffen. Ein Beispiel davon zeigt Bild 95. Ihre Normalisierung als RS 226 kann erst erfolgen, sobald die notwendigen Kurzwelleneigenschaften sichergestellt sind.
Bei der Entwicklung der elektrischen Bemessungen unserer Senderöhren bis ins kleinste waren wir gezwungen, auf einen Punkt besonders Rücksicht zu nehmen, dessen Bedeutung die übrigen Fabrikationen der Welt sämtlich nicht kannten und auch heute kaum beachten: die Beherrschung des Gitterstromes. Diese hatte für uns deswegen entscheidende Wichtigkeit, weil Telefunken für Telephonie allgemein die Gittergleichstrom-Modulation verwendet. Die Frage des Gitterstromes hat uns manchmal Kopfzerbrechen gemacht, denn sie hängt ja, wie bekannt, hauptsächlich mit der sekundären Kathodenstrahlung des Gittermaterials zusammen, und zwar in dem Sinne, daß für einwandfreie Modulierung der Hochfrequenz die Sekundäremission möglichst gering und konstant sein muß. Heute beherrschen wir die maßgebenden Daten der Röhren, insbesondere auch der in dieser Beziehung sehr schwierigen Wasserkühlröhren, so gut, daß nach dem Urteil von Tausenden unparteiischer Hörer die musikalischen Qualitäten der von Telefunken gebauten Rundfunksender nirgendwo in der Welt übertroffen werden. Die technische Grundlage einer gesicherten Gittergleichstrom-Modulation ist die physikalische Erforschung der Sekundärstrahlungsquellen, sowohl der Gittermetalle selber, als auch der auf das Gitter auswandernden Bestandteile des G1ühfadens, und die Ausbildung entsprechender Vorbeugungsmethoden. Zur sekundären kommt noch die thermische Emission des Gitters als besonders gefährliche und wichtige Erscheinung hinzu, deren Beseitigung gleichfalls gelungen ist. Hierüber sind einige Veröffentlichungen unseres eigenen sowie des mitentwickelnden Siemens - Laboratoriums erfolgt, in denen die interessanten Einzelheiten ausführlich angegeben sind (siehe die Arbeiten von G. Jobst, S. Ganswindt und W. Kühle).

IV. Spezialgebiete.

a) Senderöhren für kurze Wellen.
In die Entwicklung der Senderöhren kam eine neue Note hinein durch die Epoche der Kurzwellen. Jeder Fachmann kennt heute ihre überraschenden Erscheinungen und deren praktische Bedeutung. In den ersten Tagen dieser jungen Technik wurde mit Wellenlängen von etwa 100 Meter gearbeitet. Hierfür waren die normalen Senderöhren eben noch geeignet. Es sei daran erinnert, daß kurze Wellen die Röhre deswegen mehr beanspruchen als lange, weil die Blindströme über die Elektrodenkapazität im Vergleich zu den Nutzströmen schon eine bedeutende Rolle spielen. Während nämlich die letzteren bei gegebener Betriebspannung mit wachsender Frequenz konstant bleiben, nehmen die ersteren proportional der Frequenz zu. Beim Heruntergehen von 100 Meter auf die derzeitigen Tageswellen - 12 bis 15 Meter - mußten sich demnach die Blindströme etwa verachtfachen. Es fließen hier in der Tat über die Gitterelektrode 20 bis 50 Ampere, die eine normale Senderöhre früherer Zeiten keineswegs aushalten konnte. Bald nach Beginn der Kurzwellenübertragungen wurden daher Spezialröhren für diese erforderlich. Was ihre Entwicklung etwas ärgerlich machte, war der Umstand, daß man - etwa im Laufe eines Jahres - die Wellenlängen schrittweise verkleinern, dabei aber fortgesetzt neue Typen für die verschiedenen Zwischenstufen bauen mußte. Die für etwa 50 bis 60 Meter hergestellten Modelle hielten die Beanspruchung bei 25 bis 30 Meter wieder nicht aus, und so fort. Schließlich kam m an dazu, die Röhren mit so reichlich bemessenen Elektrodendurchführungen zu versehen, daß man bei der nächsten Überraschung nicht wieder aus dem Sattel geworfen werden konnte. Derartige Spezialröhren brauchten wir fast für jede Leistungstufe und Anodenspannung. Während es bei den kleineren Typen und bei niedrigen Anodenspannungen genügte, die Durchschmelzungen etwas zu verstärken, mußten von etwa 200 Watt an absolut neue mechanische Ausführungen angewandt werden. Mit Rücksicht auf die kürzesten Wellen - unsere transozeanischen Versuche gingen bis ungefähr 7 Meter hinunter - ordneten wir Anoden- wie auch Gittereinschmelzung getrennt von dem Fuße für die Heizstromzuführungen an. Die Bilder 97 und 98 zeigen die luftgekühlten Röhren der letzten Entwicklungstufe. Bei allen diesen haben die Anoden und die Gittereinführung Ringschmelzungen, bei den bereits in Bild 95 veranschaulichten, für kurze Wellen dimensionierten Wasserkühltypen RS 224 und RS 225 haben es auch die Kathodenzuleitungen, wie weiter oben schon erwähnt. Wir haben mit ihnen im Kurzwellensender die besten Erfahrungen gemacht, und heute wird die RS 225 bis zu 14 Meter Wellenlänge abwärts mit einer abgegebenen Hochfrequenzleistung von etwas über 10 Kilowatt pro Einheit betrieben, ohne daß sich hieraus jemals besondere Anstände ergeben hätten.

b)Senderöhren mit Sparfäden.
Die wirtschaftliche Seite der Glühkathodenheizung hat bei den Senderöhren nicht die gleiche Bedeutung wie etwa bei den Rundfunkempfangsröhren. Der ganze Heizbedarf einer Röhre mit beispielsweise 12000 Volt Anodenspannung beträgt rund 50% von ihrer Telegraphieleistung und 20 % von ihrer mittleren Telephonieleistung, während im Empfangsverstärker der Wattaufwand für die Glühkathoden die ausgenutzte Anodenleistung meistens wesentlich übertrifft. Allerdings nähert man sich bei Senderöhren mit kleinerer Anodenspannung auch sehr bald diesem Verhältnis. Deswegen wird hier aus Gründen des Gesamtwirkungsgrades der Anlage, besonders aber auch zur Herabdrückung der in einer Röhre auftretenden Verluste, eine Verringerung der Heizleistung bei gleicher Emission dringend wünschenswert. Die Reduktion der Gesamverluste in der Röhre muß ja sowohl deren Volumen als auch die Stärke der Heizstromdurchführungen und damit schließlich den Preis heruntersetzen, falls dies nicht durch erhöhte Fabrikationsunkosten der zum gedachten Zwecke verwandten Sparfäden vereitelt wird. Gewiß wäre auch bei den allerstärksten Senderöhren eine Verminderung des Heizverbrauchs angenehm; doch ist das nicht von solcher Wichtigkeit wie bei den mittleren und kleineren Typen. Für die Lösung dieser Aufgabe bei Voraussetzung gleicher Emission und Lebensdauer stehen nur diejenigen Arten von Glühkathoden zur Verfügung, welche wir bereits bei der Beschreibung der Rundfunkempfangsröhren kennengelernt haben, also Thoriumfäden oder Oxydfäden mit ihren Verwandten. Die Versuche zur Einführung beider Klassen von Fäden bei Senderöhren laufen bereits seit vielen Jahren, aber man sieht immer wieder, daß ihrer Verwendung sehr ernste Hindernisse entgegenstehen, die drei wichtige Fragenkomplexe betreffen. Dies sind 1. die Zerstörung der relativ weichen emittierenden Schichten durch das Aufprallen von positiven Ionen, 2. die Aufrechterhaltung hinreichenden Vakuums (wenigstens bei Oxydkathoden), 3. die durch das Zerstäuben der hochemittierenden Substanzen veranlaßte starke Sekundärstrahlung der übrigen Elektroden, hauptsächlich des Gitters. In allen diesen Punkten sind wir langsam und schrittweise vorwärts gekommen. Wir haben die Erfahrung gemacht, daß die Reduktion des Thoriums hier mit stärkeren Mitteln zu geschehen hat als bei Empfängerröhren, daß andererseits, bei Anodenspannungen von 1000Volt und darüber, der noch vorhandene Gasdruck viel geringer sein muß, als in Röhren mit Wolframfäden, um die Energie des Bombardements durch die positiven Teilchen weitgehend herabzusetzen. Ferner haben wir gefunden, daß man für Senderöhren ein sehr viel "härteres" Oxyd verwenden muß, als man es bei den Empfängerröhren zulassen kann, daß hiernach ein solcher Faden höhere Normalglühtemperatur verlangt und dementsprechend eine weit geringere Emission pro Watt Heizleistung aufweist als die Schwachstromfäden. Schließlich haben wir Methoden ausgearbeitet, um zu verhindern, daß die verspritzenden Emissionsschichten und die reduzierenden Substanzen auf den übrigen Elektroden, besonders auf dem Gitter, störende Sekundärstrahlungsfähigkeit hervorrufen. Aber dies alles ist eine unserer mühsamsten Entwicklungsarbeiten gewesen, und darum konnten auch bisher solche Röhren nur bis zu etwa 75 Watt bei 1000 Volt Anodenspannung normalisiert werden. Bild 99 zeigt derartige Typen, die sich äußerlich von den entsprechenden Ausführungen mit Wolframfäden durch den - von den Rundfunkröhren her schon bekannten - Spiegel des Reduziermetalles auffällig unterscheiden. Insbesondere dürfte hier eine Zweigitterröhre für eine spezielle Telephoniemethode interessieren, die heutige RS 232D.

c) Verstärkerröhren mittlerer und größerer Leistung.
Zwischen den ausgesprochenen Empfangs- und den Senderöhren liegt eine Mittelklasse, die, im allgemeinen wenig beachtet, doch große Wichtigkeit besitzt. Dies sind Röhren, wie sie in der drahtlosen Technik für die Mikrophonverstärker der Telephoniesender, für die Zwischenstufen fremdgesteuerter Sender, für die Modulation, für die Speisung starker Lautsprecher, für die Schreibeinrichtungen des Schnellempfanges und für die Sendertastung und -regulierung, den sogenannten Lastausgleich, benutzt werden. Sie unterscheiden sich von den richtigen Senderöhren, denen sie sonst ähneln, meist durch den wesentlich größeren Durchgriff, der die Vermeidung des Gitterstromes bei Durchlaufen ihrer Charakteristik bezweckt, und in vielen Fällen durch größere Steilheit. Im ganzen aber sind die Materialien für Glühkathoden, Gitter und Anoden, ferner die Fabrikationsverfahren und die Konstruktionseinzelheiten die gleichen. Für die kleineren und mittleren Verstärkerröhren werden Thorium- oder Oxyd-, für die größeren Wolframfäden verwandt. Besonders hervorzuheben wären in dieser Klasse folgende Typen: RV 222, die wichtigste Röhre der ersten Stufe normaler Mikrophonverstärker; RV 24, die Endstufenröhre derselben; RV 230, eine Gittergleichstrom-Modulationsröhre; RV 218, eine Starkstromröhre für Großlautsprecher; schließlich RS 224 LA, eine Lastausgleichröhre für Sender, die durch Ventile mit Gleichspannung gespeist werden. Die Bilder 104 bis 106 zeigen Ansichten solcher Typen.

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Hier bin ich am Ende der Entwicklung in der Gegenwart angelangt. Über die Zukunft will ich nichts sagen, da das Prophezeien nicht meine Sache ist. Der Leser möge aus dem Voraufgehenden ersehen, wieviel Arbeit bis zur Schaffung sicherer technischer Grundlagen für die heutige Ära der Röhren geleistet werden mußte und wie groß deren Bedeutung für das Gesamtbereich der Anwendung Hertz‘scher Wellen, für die Hochfrequenztechnik und ihre Berührungsgebiete mit der Niederfrequenztechnik geworden ist.

Hans Rukop.

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