c) Bauteile-Dimensionierung


1. Stufe

Um die Verstärkung der ersten Stufe groß zu machen, muß der Arbeitswiderstand R3 groß und der Kathodenwiderstand R4 möglichst klein gehalten werden. Ebenso sollte der dem Arbeitswiderstand wechselspannungsmäßig parallel liegende Gitterableitwiderstand R5 nicht zu klein bemessen werden. Der Innenwiderstand Ri der ersten Stufe wird zwar durch den nichtüberbrückten Kathodenwiderstand R4 erhöht, liegt aber immer noch in der Größenordnung von nur 150 kOhm. Da der Innenwiderstand bezüglich der Verstärkung dem Außenwiderstand R3 parallel liegt, bringt es fast keinen Verstärkungsgewinn mehr, wenn dieser wesentlich größer als etwa 200 kOhm gemacht wird. Bei höheren Frequenzen ist auch die Eingangskapazität der zweiten Stufe zu berücksichtigen. Hier muß einschließlich der Verdrahtungskapazität mit etwa 20 pF gerechnet werden. Bei 10...20 kHz gerät auch diese kapazitive Belastung in die Größenordnung von 200 kOhm. R3 wurde daher auf 221 kOhm (ein Normwert der E96-Reihe) festgelegt.

R4 muß zwei Aufgaben gleichzeitig erfüllen. Er ist einmal masseseitiger Abschlußwiderstand des RIAA-Netzwerks und bestimmt damit die absolute Verstärkung V der gesamten Schaltung. Zum anderen dient er zur Einstellung der richtigen Gittervorspannung und damit des Arbeitspunktes der ersten Stufe. Dieser sollte bei einer Anodenspannung von ca. 100...120 V und einem Anodenstrom von ca. 1 mA liegen. Aus Gründen, die mit der Verstärkungseinstellung zusammenhängen und weiter unten noch erläutert werden, sollte der Wert von R4 in der Nähe von 1 kOhm liegen. Glücklicherweise führte ein Wert von 1.21 kOhm schon zu dem gewünschten Arbeitspunkt. Jedenfalls mit den Röhrenexemplaren, mit denen die Schaltung getestet wurde. Dies ist allerdings nur der Fall, wenn eine relativ hohe Versorgungsspannung von ca. 320 Volt zur Verfügung steht. Ein noch höherer Wert von 330...350 Volt wäre noch vorteilhafter gewesen. Dazu reichte aber der verwendete Netztrafo aus der Bastelkiste nicht aus. Mit einer niedrigeren Betriebsspannung als etwa 300V erreicht diese Schaltung nicht die gewünschten Eigenschaften.

Da die eine Aufgabe des Kathodenwiderstandes R4 die Einstellung von Gleichspannungen, die andere die von Wechselspannungen betrifft, würden sich beide Funktionen relativ gut voneinander entkoppeln lassen, wie es auch bei einigen kommerziellen Schaltungen geschieht. Der Arbeitspunkt könnte dann mit einem justierbaren Kathodenwiderstand unabhängig von der Wechselspannungsverstärkung eingestellt werden. Die Entkopplung erfordert aber den Einsatz von Elektrolytkondensatoren, die an dieser empfindlichen Stelle wegen ihrer relativ hohen Verzerrungen vermieden werden sollten. Bei anderen als den getesteten Röhrenexemplaren könnte eine solche Entkopplung aufgrund anderer Kennlinien nötig werden.

Wie in (5) gezeigt, reicht die Siebung im Netzteil auch für die erste Stufe aus. Das Siebglied in der Anodenspannungszuführung dient deshalb weniger einer zusätzlichen Siebung als vielmehr einer definierten Rückführung der kleinen und daher empfindlichen Signalströme dieser Stufe. Signalanteile mit einer Frequenz größer als einige Hertz werden über C1 an einen eingangsnahen Erdpunkt zurückgeführt und müssen nicht den relativ großen Umweg über das Netzteil nehmen.

Der Koppelkondensator C2 zur 2. Stufe sollte mit Rücksicht auf niedriges Rauschen der 2. Stufe bei den niedrigsten Frequenzen des Hörbereichs eine Impedanz von maximal etwa der Größe des Ausgangswiderstandes ( ca. R3||Ri||R5) der 1. Triodenstufe haben. Ein Wert von 0.1 µF entspricht dem etwa und war auch gerade in der Bastelkiste zu finden.



2. Stufe

Der Lastwiderstand der zweiten Verstärkerstufe besteht aus der Parallelschaltung von R6, R10, dem externen 100 kOhm-Lautstärkepoti und dem Entzerrer-Netzwerk. Letzteres hat eine stark frequenzabhängige Impedanz, die bei Frequenzen über 300 Hz wesentlich die Größe des Lastwiderstandes an der Anode bestimmt (s. Bild. 3.).



Bild 3. Lastimpedanz an der Anode der zweiten Verstärkerstufe in Abhängigkeit von der Frequenz.


Wie man dem Bild entnehmen kann, variiert die Lastimpedanz etwa zwischen 47 kOhm bei 20 Hz und 8 kOhm bei 20 kHz. Gleichlaufend ändern sich natürlich auch die Verstärkung und die Aussteuerbarkeit dieser Stufe. Um bei den niedrigen Impedanzen noch ausreichend Aussteuerungsreserve zu haben, darf der Anodenstrom hier nicht zu klein gewählt werden. Andererseits wird bei festliegender Betriebsspannung der Arbeitswiderstand R6 und damit die maximal erzielbare Verstärkung umso niedriger je höher der Anodenstrom eingestellt wird. Als guter Kompromiss zwischen großer Aussteuerbarkeit einerseits und großer Verstärkung andererseits erschien ein Wert von 100 kOhm für R6. Bei einer Anodenspannung von ca 130...140 Volt ergibt sich so ein Anodenstrom von ca. 1.6 mA. Eine höhere Betriebsspannung hätte hier noch einen kleinen Vorteil gebracht.

Es ließe sich erwägen, die Impedanz des RIAA-Netzwerks insgesamt zu erhöhen, um bezüglich des Anodenstroms und der Stufenverstärkung günstigere Verhältnisse zu schaffen. Das ließe sich dadurch erreichen, daß alle Widerstände um den gleichen Faktor erhöht und alle Kapazitäten um diesen Faktor erniedrigt werden. Die Zeitkonstanten und damit der Frequenzgang bleiben dadurch unverändert. Da die Gesamtverstärkung V (ca. 35 dB bei 1 kHz) aus den oben genannten Gründen festliegt, muß aber auch der Widerstand R4 erhöht werden, wodurch die Verstärkung der ersten Stufe wieder zurückgeht. Bezüglich der Leerlaufverstärkung A ergeben sich also keine Vorteile. Nur die Austeuerbarkeit bei hohen Frequenzen wäre verbessert. Diese ist aber in der ausgeführten Form des Netzwerks schon gut ausreichend. Einer wesentlichen Erhöhung der Netzwerkimpedanz sind auch schnell Grenzen gesetzt durch den zunehmenden und schlecht kontrollierbaren Einfluß von Streukapazitäten. Generell ist es wohl empfehlenswert auch in Röhrenschaltungen alle Impedanzen so klein wie möglich zu halten.

Der relativ kleine Widerstand des Lautstärkepotentiometers spielt hier ebenfalls eine begrenzende Rolle, da er dem Ausgang der zweiten Stufe parallel liegt. Ein höherer Widerstand als 100 kOhm für das Potentiometer aber wurde wegen höherer Brummempfindlichkeit, höherem Rauschen und zunehmendem Höhenverlust durch Streukapazitäten nicht in Betracht gezogen.

Der Kathodenwiderstand R7 sorgt wie üblich für die Arbeitspunkteinstellung. Um die Leerlaufverstärkung nicht unnötig zu erniedrigen wird R7 durch C3 und C6 kapazitiv überbrückt. Die Kondensatoren C3, C6 ebenso wie C1, C2, C4, C5, C10 liegen innerhalb der Gegenkopplungsschleife. Durch sie gegebenenfalls verursachte Verzerrungen werden also um etwa den Faktor der Schleifenverstärkung k*A reduziert. Es genügt, hierfür Typen in guter Industriequalität (z.B. MKS, MKT bei statischen Typen) einzusetzen. Der Auskoppelkondensator C9 dagegen liegt außerhalb der Gegenkopplungsschleife. Hier schien es lohnend, einen Typ mit geringer dielektrischer Hysterese (MKP) einzusetzen. Dies würde auch für C7 und C8 gelten. MKP- oder Styroflex-Typen mit 1% Toleranz waren aber in den benötigten Werten nicht zu beschaffen.

 

Dimensionierung des RIAA-Netzwerks.


Die Impedanz des RIAA-Netzwerks bei 1 kHz liegt etwa in der Größenordnung von R8. Zusammen mit R4 muß sich damit das gewünschte Verstärkungsverhältnis von ca. 35 dB bei 1 kHz ergeben. R4 muß aber gleichzeitig einen Wert haben, der zumindest in die Nähe des optimalen Arbeitspunktes für das erste Triodensystem führt.

Das ergibt bei R4 = 1.21k für R8 einen Widerstand von gut 50 kOhm. Da ein Wert des Netzwerks zunächst frei gewählt werden kann, wurde hierfür der Normwert von 56.2 kOhm genommen. Mit Hilfe der Zeitkonstanten T1...T3 aus [7] können dann die anderen Werte des Netzwerks festgelegt werden. Das führte zu einem brauchbaren Kompromiß bei der Gesamtimpedanz des Netzwerks, das einerseits genügend hochohmig ist, um die Verstärkung und Aussteuerbarkeit der zweiten Verstärkerstufe nicht allzu stark herabzusetzen, andererseits genügend niederohmig, um den Widerstand R4 nicht zu groß werden zu lassen.

Die auf diese Weise bestimmten Bauteilwerte setzen allerdings einen Wert der Schleifenverstärkung von
k*A > 30 voraus. Dieser Fall ist hier bei niedrigen Frequenzen unter etwa 300 Hz nicht mehr gegeben. Die Folge ist, daß die Verstärkung nicht mehr den gewünschten Verlauf hat.

Eine kleine Näherungsrechnung zeigt die Größe der Abweichung.
Geht man von einer Gesamtverstärkung V von 35 dB bei 1 kHz aus, so muß die Verstärkung V bei 20 Hz nach RIAA um 19.3 dB höher, also bei 54.3 dB liegen. Da die Leerlaufverstärkung A hier nur 67 dB beträgt (s.
Bild 2.), ist die verfügbare Schleifenverstärkung nur noch 67dB - 54.3dB = 12.7 dB ~ 4.3 . Diese Werte kann man in die Gleichung für die Verstärkung

des Entzerrerverstärkers einsetzen. Dann ergibt sich

A = 67 dB ~ 2240  ( bei 20 Hz )

1/k = 54.3 dB ~ 519   bzw.    k = -54.3 db ~ 1/519   (bei 20 Hz)

k*A = 67 dB - 54.3 dB = 12.7 db ~ 2240/519 ~ 4.3

V = 2240/(1 + 2240/519) = 2240/(1 + 4.3) ~ 421.

Die Verstärkung V, die bei 20 Hz den Wert 54.3 dB ~ 519 haben sollte, hat nur den Wert 421, ist also um den Faktor  421/519  bzw. -1.8 dB zu klein gegenüber dem gewünschten RIAA-Verlauf. Die geforderte Toleranz von +/- 0.2 dB läßt sich mit der kleiner werdenden Schleifenverstärkung bei niedrigen Frequenzen nicht mehr einhalten (ohne Änderung an dem idealen RIAA-Netzwerk). Wie ebenfalls in [7] gezeigt, läßt sich der Frequenzgang in diesem Fall durch Vergrößern der Zeitkonstante T1 korrigieren. Der Korrekturfaktor läßt sich berechnen, ist aber durch Versuch leichter zu bestimmen. In diesem Fall mußte T1 von 3.18 auf ca. 4.2 msec vergrößert werden. Dies geschieht durch Vergrößerung von R9.

Diese Korrektur bringt allerdings nur dann den gewünschten Erfolg, wenn noch ein gewisser Mindest-"Verstärkungsüberschuß", also ein Mindestwert für die Schleifenverstärkung k*A vorhanden ist. Ein solcher läßt sich u.a. dadurch schaffen, daß die Verstärkung V bei 1 kHz nicht zu hoch angesetzt wird. Der hier gewählte relativ kleine Wert für V von 35 dB bei 1kHz ist also notwendig, um den Frequenzgang bei 20 Hz innerhalb der Toleranzgrenze zu halten.


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