1. Statt Vorwort


Es fing damit an, daß Freund K. seine Plattensammlung wiederentdeckte. Die hatte er vor 15 Jahren in den Keller verbannt. Samt Plattenspieler. Um Platz zu schaffen für die berufsbedingt ständig anschwellende Flut von CDs in seinem Wohn- und Arbeitszimmer.

Jetzt also hat er sie neu entdeckt, die Plattensammlung. Der Plattenspieler, ein gutes Stück, ist auch noch in Ordnung. Nach einem Austausch des Abtasters und ein paar Einstellarbeiten läuft er wieder wie neu. Nur mit dem Plattenhören klappts noch nicht so ganz.

Der alte Vollverstärker mit dem Phono-Eingang ist inzwischen den Weg alles Irdischen gegangen. Der vor ein paar Jahren angeschaffte Röhrenverstärker ist eigentlich nur ein Endverstärker. Ohne Tonabnehmer-Eingang. Den CD-Spieler konnte Freund K. direkt anschließen. Dank eines regelbaren Ausgangs. Und aus klanglichen Gründen, sagt er. Er hätte sich da beraten lassen.


Mein Angebot, ihm so ein kleines Kästchen zu bauen mit zwei, drei Operationsverstärkern, an das er seinen Plattenspieler und den CD-Spieler anschließen könne, lehnte er ab. Wieder aus klanglichen Gründen. Halbleiter seien irgendwie charakterlos. (Ob damit die Halbleiter selbst gemeint waren oder deren irregeleitete Benutzer, blieb offen.) Wenn schon, dann müsse ein röhrenbestückter Vorverstärker her mit CD-Anschluß und Entzerrung für Platte, sowas passe auch besser zum vorhandenen Equipment und zum Plattenhören überhaupt. Mein zaghafter Einwand, auch CD-Spieler enthielten jede Menge an Halbleitern und Röhrentechnik sei mechanisch sehr aufwendig, wurde nicht zur Kenntnis genommen. Freund K. versteht nicht so viel von Technik. Er weiß aber, was er will. Ein Blick allerdings in einschlägige Preislisten für Röhren-Vorverstärker vom Feinsten und vom weniger Feinen ließ ihn erbleichen. Insbesondere nach einem zweiten Blick auf sein Rentnerkonto.

Es folgten harte Diskussionen, die sich über zwei Flaschen Brunello hinzogen. Es ist nicht leicht, mit Freund K. über Musikwiedergabe zu diskutieren. Die Musik selbst ist sein Gebiet. Da kennt er sich aus.
Bei der Wiedergabetechnik aber bezieht er Rat von allerlei Experten. In deren Chor habe ich nur eine kleine, wenn auch schrille Stimme.

Wir einigten uns schließlich auf folgendes. Unter weitgehender Verwendung von Teilen aus der Bastelkiste bekommt er von mir seinen Entzerrer-Vorverstärker, mit Röhren aber in Minimalausführung. In 'Minimalausführung' deshalb, weil ich etwas faul bin. Aber auch wieder aus 'klanglichen Gründen'. Nur eine absolut minimale Anzahl von Verstärkerstufen sollte im Signalpfad liegen. Ein puristisch minimalistisches Design war angesagt. Allerdings ohne Kompromisse in technischer Hinsicht. Entscheidende Daten wie Frequenzgang, Rausch- und Verzerrungsverhalten sollten auch neueren, durch SACD & Co. verschärften Ansprüchen standhalten. Darin waren wir uns einig.

Zur Strafe dafür, daß er so stur auf Röhrentechnik beharrte, bekommt Freund K. kein repräsentatives
Chrom-Gehäuse. Nur ein
hölzerner Rohbau wird mitgeliefert. Nicht einmal angestrichen. Einen Pinsel lege ich bei. Sonst nichts.
Wir Halbleiter-Elektroniker sind kalte und hartherzige Naturen.


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