Berechnen und Wickeln eines Hi-FI-Gegentakt-Übertragers für EL 84

Aus dem Buch von Klaus-Peter Hoffmann, "Der HIFI Röhrenverstärker", erschienen im Pflaum Verlag, München 1994, Seite 34ff
ISBN 3-7905-0691-5

Ein Nf-Verstärker läßt sich ohne allzugroße Schwierigkeiten so bauen, daß er bei extrem kleinem Klirrfaktor einen großen Frequenzbereich linear, also ohne Phasendrehung, überträgt. Diesen Frequenzbereich auch über den AusgangsÜbertrager zu bringen, ist schon wesentlich schwieriger.
Ein Übertrager, der z.B. einen Frequenzbereich von 20 Hz bis 20 kHz geradlinig übertragen soll, erfordert mehrfach ineinander geschachtelte Wicklungen und einen entsprechend großen Eisenquerschnitt. Will man den Klirrgrad auch noch bei tiefsten Frequenzen durch Gegenkopplung klein halten bzw. ihn praktisch unhörbar machen, so muß der Übertragerfrequenzgang besser sein als der des vorgeschalteten Verstärkers. Nur so kann die Gegenkopplung frequenzunabhängig gemacht werden.
Die Industrie umging in der Regel die hohen Fertigungskosten eines solchen Übertragers dadurch, daß sie einfachere Übertrager verwendete und deren Mängel durch komplizierte, frequenzabhängige Gegenkopplungs-Netzwerke ausglichen. Deren Berechnung ist nicht nur sehr schwierig, man braucht auch in der Regel Meßgeräte, über die eine Privatperson kaum verfügt. Der Nachbau bewährter Industrieschaltungen führt nur dann zum Erfolg, wenn er eine äußerst genaue Kopie des betreffenden Gerätes ist.
Daher ist es wesentlich sicherer, den Übertrager so zu bemessen, daß sowohl die geforderte Leistung als auch der gewünschte Frequenzbereich mit Sicherheit übertragen werden. Das ist mit Trioden in der Endstufe leichter zu erreichen als mit Pentoden, nur sind die Material- und die Stromkosten bei gleicher Leistung höher. Der Übertrager hat für Trioden und Pentoden die gleiche Größe bei gleicher Leistung, nur er erfordert für Trioden weniger Arbeitsaufwand.
Nachstehend wird ein Gegentakt-Übertrager für zwei Pentoden EL 84 als Beispiel berechnet und entworfen. Bei entsprechender Änderung der Windungszahlen und des Drahtdurchmessers läßt sich ein solcher Übertrager auch für Trioden anfertigen.

Die Berechnung

Überschlägig kann man rechnen, daß bei einer unteren Grenzfrequenz von 20 Hz ein Nf-Übertrager noch etwa 1/20 der Leistung eines gleich großen Netztransformators für 50 Hz übertragen kann, ohne daß der Klirrfaktor unzulässig hoch wird. Ausgehend von dieser Größe sei zunächst der erforderliche Eisenquerschnitt festgelegt (vgl. Telefunken-Laborbuch, Band 1, Franzis-Verlag):

(N = Leistung in W, fu = untere Grenzfrequenz)
Der sich aus dieser Berechnung ergebende Querschnitt von 10 cm2 entspricht dem nächstliegenden Normkern M102a aus Dyn.-Blech IV, möglichst 0,2...0,35 mm Stärke, ohne Luftspalt geschichtet.
Die erforderliche Windungszahl für die Primärwicklung errechnet man am einfachsten aus der Spannung, die bei voller Leistung auftritt. Die Spannung ergibt sich aus Leistung und Anpassungswiderstand zu:


für zwei Röhren EL 84 (vorgeschriebener Anpassungswiderstand 8 kΩ) also zu


und die dafür erforderliche Windungszahl zu


Für von 20 Hz abweichenden Frequenzen ist der Faktor 115 entsprechend zu ändern, und zwar umgekehrt proportional zur Frequenz, also bei z. B. 40 Hz auf die Hälfte, bei 10 Hz auf das Doppelte.
Die so errechnete Windungszahl ist mit absoluter Sicherheit ausreichend, um die gewünschte untere Grenzfrequenz ohne Phasendrehung über den Übertrager zu bringen. Der vorgeschaltete Verstärker kann dann ohne Bedenken für diese untere Grenzfrequenz ausgelegt werden, vorausgesetzt, daß die Spannung im Verstärker bei der genannten Frequenz auf den Faktor 0,7 (gegenüber 1000 Hz) abgefallen ist, wenn für 1000 Hz der Faktor 1 zugrunde gelegt wurde.
Wenn der Übertrager nach dieser Anleitung angefertigt wird, liegt die obere Grenzfrequenz bei etwa 60 kHz. Legt man den Verstärker so aus, daß seine obere Grenzfrequenz bei 30 kHz liegt (Abfall auf 0,7), so treten mit Sicherheit keine Phasendrehungen im Gegenkopplungsweg auf.

Praktischer Aufbau

Um diese hohe obere Grenzfrequenz im Übertrager zu erreichen, muß man Primär- und Sekundärwicklung mehrmals verschachteln; bei AB-Betrieb müssen auch noch die beiden Primärwicklungshälften untereinander verschachtelt werden (B-Betrieb scheidet für Hi-Fi-Qualität aus). Außerdem ist bei den beiden Primärwicklungshälften auf peinlich genaue Symmetrie zu achten, also auf gleiche Drahtlänge, gleiche Kapazität gegen die Sekundärwicklung und auch gegen den Eisenkern. Deshalb ist der Spulenkörper mit einem Mittelflansch in zwei genau gleiche Kammern zu teilen. Wickelt man die eine Kammer im Uhrzeigersinn, die andere im Gegensinn, so lassen sich die Forderungen nach gleicher Drahtlänge und gleicher Kapazität erfüllen. Verschachtelt man außerdem die primären und sekundären Teilwicklungen so, daß zwischen je eine Primär-Teilwicklung für Röhre 1 und für Röhre 2 jeweils eine sekundäre Teilwicklung kommt, so ist auch die Forderung nach Verschachtelung der Primärwicklungen erfüllt.
Zweckmäßig unterteilt man die Primär-Wicklung in zehn Abschnitte und die sich aus dem Übersetzungsverhältnis ergebende sekundäre Windungszahl in acht Teilwicklungen. Aus der errechneten Windungszahl ergeben sich für z. B. 5 Ohm-Lautsprecher bei 8 kOhm Anpassungswiderstand


Zweckmäßig wählt man die Drahtstärken so, daß die errechneten Windungszahlen jeweils volle Lagen je Kammer ergeben und sowohl die Primär- als auch die Sekundärwicklung etwa insgesamt gleiche Wickelhöhe einnehmen. Wahrscheinlich lassen sich zwar die errechneten Windungszahlen nicht genau einhalten, aber das ist nicht bedenklich, wenn nur das Verhältnis der primären zur sekundären Windungszahl erhalten bleibt. Bei Pentoden führt eine Änderung des Übersetzungsverhältnisses zu erhöhtem Klirrfaktor, bei Trioden lediglich zu einer Änderung der Leistung.
Die Gesamtwicklung soll maximal 80% (einschließlich Papierzwischenlagen) der zur Verfügung stehenden Wickelhöhe einnehmen, eine Begrenzung nach unten bilden die Drahtdurchmesser, die den jeweils auftretenden Strömen entsprechen müssen. Zulässig ist bei dem vorgesehenen Eisenkern M102a eine Stromdichte von 3 A je mm2. Trotzdem ist es günstiger, stärkeren Draht zu verwenden, um die Verluste möglichst klein zu halten. Ein Drahtdurchmesser von 0,25 mm für die Primär- und 0,65 mm für die Sekundärwicklung kommt den gestellten Forderungen am nächsten, jede Primärteilwicklung nimmt dann gerade drei volle Lagen ein, jede Sekundärteilwicklung zwei volle Lagen.

Nachdem der Spulenkörper durch Einfügen eines Mittelflansches in zwei genau gleich breite Kammern aufgeteilt ist, wird zunächst eine Kammer mit zwei passenden Holzklötzen gefüllt, die ein Verrutschen des Zwischenflansches beim Wickeln verhindern. Den Körper spannt man auf einem Dorn fest und bewickelt ihn wie folgt:

Zunächst werden auf den Körper drei Lagen 0,06-mm-Lackpapier, beidseitig gefiedert, aufgebracht, dann folgt die erste Primärteilwicklung, und zwar beginnend am Mittelflansch (siehe Bild).

Anfang und Ende der Wicklung werden mit passendem Isolierschlauch überzogen und durch die Löcher im Außenflansch herausgeführt. Zweckmäßig numeriert man Anfänge und Enden jeder Wicklung fortlaufend, also 1 für den Anfang, 2 für das Ende.
Zwischen jede Lage jeder Wicklung kommt einmal Lackpapier 0,06 mm, gefiedert. Die Anfänge und Enden einer jeden Wicklung heftet man noch mit Klebefolie an. Nach der ersten Primärteilwicklung ist mit drei Lagen Lackpapier zu isolieren, dann folgt die erste Sekundärteilwicklung. Ihr Anfang wird mit 3, das Ende mit 4 bezeichnet. So kennzeichnet man sinngemäß auch die folgenden Wicklungen fortlaufend.
Da die errechneten 81 Windungen bei 0,65-mm-Draht gerade zwei Lagen einnehmen, beginnt man jetzt beim Außenflansch (Isolation zwischen den Lagen nicht vergessen!). Auf die Sekundärteilwicklung folgen wieder drei Lagen Lackpapier und darauf die zweite Primärteilwicklung.
So bringt man fortlaufend insgesamt fünf Primär- und vier Sekundärwicklungen auf, zum Schluß wird mit zweimal 0,1-mm-Isolierfolie isoliert.
Jetzt zieht man den Körper vom Wickeldorn, entfernt die Hölzchen aus der nicht bewickelten Kammer und spannt alles so wieder ein, daß die leere Kammer auf die gleiche Seite zu liegen kommt, wo vorher die bewickelte war. Dadurch erreicht man den notwendigen gegenläufigen Wickelsinn.
Die Wickelvorrichtung wird nun im gleichen Sinn gedreht wie zuvor, und man beginnt mit Anschluß 19 für den Anfang und hört mit 20 für das Ende auf.
Sind auch hier alle Teilwicklungen hergestellt und die Schutzisolation aufgebracht, wird der Wickel vom Dorn abgenommen und die Primärwicklung nach der Tabelle verdrahtet.
Nun folgt eine Kontrolle:
Nach dem wechselseitigen Stopfen des Wickels mit den Kernblechen legt man die Enden 18 und 36 über ein mA-Meter an das 220 V-Wechselstromnetz. Die Stromaufnahme muß weniger als 10 mA betragen, und die Spannung zwischen 1 und 18 muß genau den gleichen Wert haben wie die zwischen 1 und 36.

Wickeltabelle

Verbindet man jetzt sämtliche sekundären Anfänge (also 3, 7, 11, 15) miteinander und darauf sämtliche Enden (4, 8, 12, 16), so darf sich an der Stromaufnahme nichts ändern. Sollte dies doch der Fall sein, so stimmen die sekundären Windungszahlen nicht überein, und der Fehler muß beseitigt werden. Mit den Sekundärteilwicklungen der zweiten Kammer verfährt man ebenso, zum Schluß werden beide Sekundär-Pakete parallelgeschaltet, (15 mit 34 und 16 mit 33), auch jetzt darf die Stromaufnahme keine Änderung erfahren.

Der fertige Übertrager entspricht auch extremen Anforderungen :


Falls gewünscht, können die Anschlüsse 2 und 35 zur Schirmgitter-Gegenkopplung dienen. An den Punkten 18 und 36 liegen die Anoden, an 1 bzw. 19 die Anodenspannung. Anschluß 2 gehört dann zum Schirmgitter der Röhre, deren Anode an 18 angeschlossen ist.
Beim endgültigen Zusammenbau sollen weder Eisenschrauben noch Eisenwinkel verwendet werden, sondern unmagnetisches Material, da magnetisches bei hohen Frequenzen die Qualität des Übertragers mindern kann. Mit diesem Übertrager lassen sich sehr hohe frequenzunabhängige Gegenkopplungsgrade erzielen und bei Gegenkopplung über mehrere Stufen Klirrfaktor und Innenwiderstand des Verstärkers einschließlich des Übertragers auf Bruchteile von Prozenten herabdrücken. Jetzt bestimmt nur noch die Güte der angeschlossenen Lautsprecher, ob die wiedergegebene Musik naturecht oder nach Technik klingt.


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Es hatte sich herausgestellt daß der Buchauthor einige Fehler aus seinem Vorlagenbuch mit übernommen hatte..
Kurt Schenk stellte dankenswerterweise die richtigen Formeln und Werte zur Verfügung:

Bei der ersten Formel fehlt die Wurzel, die hier nach der Korrektur dargestellt wird.


Mit der folgenden Gleichung erhält man das rechnerisch richtige Ergebnis:


Um leichter rechnen zu können, wird der "krumme" Wert von 282,84 V auf 280 V abgerundet.
Die Windungszahl der Sekundärwicklung wird folgendermaßen ermittelt:


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