PCL 805 - Röhren-Kopfhörerverstärker
- von Helmut Becker

Dieser Bericht, der in der Zeitschrift ELRAD 1984, Heft 6 veröffentlicht wurde, durfte ich mit ausdrücklicher freundlicher Genehmigung von Herrn Helmut Becker (www.audiovalve.de) in der Homepage Jogis-Röhrenbude veröffentlichen. Sämtliche Rechte des Authors, Herrn Becker, bleiben davon unberührt.

Sämtliche auf dieser und den hierzu gehörenden Unterseiten gezeigten Fotos und Texte (auch auszugsweise) bedürfen, sollten sie an dritte weitergegeben werden, meiner ausdrücklichen Zustimmung.
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Der Tatsache, daß Kopfhörer zu den besten Schallwandlern gehören, wird von den meisten Herstellern von Stereoanlagen kaum Beachtung geschenkt.
Zwar besitzen fast alle Verstärker einen Kopfhörerausgang, jedoch stellt dieser in seiner technischen Ausführung meist einen sehr schlechten Kompromiß dar.

Schlicht, schlecht und einfach
Üblicherweise wird der Kopfhörer einfach parallel zu den Lautsprecherklem-men angeschlossen, wobei der Lautsprecher wahlweise abgeschaltet werden kann. Da es Kopfhörersysteme von 8 bis 2000 Ohm Impedanz gibt, legt man einen Widerstand von etwa 300 Ohm in die Zuleitung des Kopfhörers, der bei 8-Ohm-Systemen eine Überlastung durch zu hohe Spannung der aber andererseits beim Anschluß von hochohmigen Systemen keinen nennenswerten Spannungsabfall verursacht.
Soweit funktioniert die Sache recht gut. Leider vergißt man zu oft, daß ein dynamischer Kopfhörer, ebenso wie ein Lautsprecher, eine Bedämpfung durch den niedrigen Innenwiderstand des Verstärkerausgangs benötigen. Der erwähnte Serienwiderstand verhindert das konsequent.
Ein weiterer Mangel dieser Lösung liegt in der meist zu niedrigen Versorgungsspannung von Lautsprecherverstärkern. Hifi-Kopfhörer sind fast ausschließlich hochohmig (600-2000 Ohm) und brauchen eine entsprechend hohe Spannung zur Aussteuerung. Die für niederohmige Lautsprecherlasten konzipierten Endstufen können hier nicht mithalten. Die Konsequenz ist also ein separater Kopfhörerverstärker.

Aufwand, der sich lohnt ...
Ein Lautsprecherverstärker soll mit sehr niedrigem Innenwiderstand eine sehr niederohmige Last mit relativ kleinen Spannungen und hohen Strömen versorgen, eine Aufgabe, die dem Transistor auf den Leib geschneidert ist.
Wir aber wollen, zwar auch mit niedrigem Innenwiderstand, eine relaliv hochohmige Last mit vergleichsweise hohen Spannungen bei geringen Strömen versorgen. Das geht natürlich auch mit Transistoren. Wir erinnerten uns aber an ein Bauelement, das die älteren unter uns noch in guter Erinnerung haben.

Die Röhre kommt ....
Für den oben geschilderten Aufgabenkatalog ist eine Röhrenbestückung geradezu ideal. Hohe Versorgungsspannung ist für Röhren eine Notwendigkeit, also können sie auch hohe Signalamplituden verarbeiten. Da die Last hochohmig ist, kommt man ohne den bei Lautsprecherbetrieb unvermeidlichen Ausgangstrafo aus. Das führt zu einer eisenlosen Röhrenendstufe allerhöchster Qualität, die den meisten Transistorverstärkern weit überlegen ist.

... der Transistor bleibt.
Nun haben wir die Halbleiter allerdings nicht ganz verbannt. Dort, wo Röhren ihre Schwachstellen haben - sie unterliegen gewissen Fertigungstoleranzen, und sie zeigen als stark thermisch belastete Bauelemente eine relativ starke Alterung -, übernehmen Halbleiterbauelemente die Aufga-be, die Arbeitspunktschwankungen zu kontrollieren und auszuregeln.
Häufig erfährt man beim Anschluß eines Kopfhörers an den Ausgang eines bislang für hervorragend eingestuften Lautsprecherverstärkers, was außer Musik noch so alles ankommt. Es rauscht, brummt, prasselt und zischt ... und der Lautsprecher merkt von alledem nichts.
Kopfhörer sind naturgemäß wesentlich empfindlichere Wandler als Lautsprecher. Selbst geringste Rausch- und Brummspannungen werden von ihm gnadenlos zu Ohr gebracht. Die Anforderungen an einen Kopfhörerverstärker sind entsprechend hoch.

Kann sich hören lassen
Die vorgestellte Schaltung, die von Helmut Becker entwickelt und zum Patent angemeldet wurde (P 3200 517,2), zeigt auch hier ein hervorragendes Verhalten. Beim Vergleich mit dem P 3090 von Onkyo stellte sich recht schnell heraus, daß es keine wesentlichen Unterschiede zu der weitaus kostspieligeren Referenz gab. Zusammen mit dem dynamischen Kopfhörer DT 880 Studio von Beyer reproduzierte der Verstärker alles, was in den Rillen steckte, sauber und natürlich. Untadelig brachte er dynamische Passagen und getragene Stellen. Solostimmen und Orchester kamen sehr verfärbungsarm.
In Kurzform noch einmal die Pluspunkte des Schaltungskonzepts:

Die Schaltung
Wie aus der Prinzip-Schaltung (Bild 1) hervorgeht, liegen die beiden Endröhren gleichspannungsmäßig in Serie, so daß sich die zur Verfügung stehende Versorgungsspannung auf beide Röhren verteilt.


Um eine unnötig hohe Betriebsspannung zu vermeiden, müßten Röhren zum Einsatz kommen, die noch bei einer Anodenspannung von etwa 150 V kräftige Ströme erlauben. Da die Palette der NF-Röhren durchweg auf hohe Anodenspannungen abgestimmt ist, fiel die Wahl auf einen Röhrentyp, der noch vor etwa zehn Jahren zur Standardbestückung von Fernsehgeräten gehörte.
Die Triode-Pentode PCL 805 erfüllt die obengenannten Anforderungen, hat aber in anderer Hinsicht gravierende Nachteile, die im übrigen Schaltungskonzept berücksichtigt und eliminiert werden müssen. So wird zum Beispiel das relativ starke Heizungsbrummen dieses Röhrentyps durch eine Regelschaltung wirkungsvoll unterdrückt und die stark gekrümmte Steuergitter-Kennlinie kompensiert.
Das oben gezeigte Prinzipschaltbild verdeutlicht das Schaltungsprinzip, das auf drei Funktionsgruppen beruht.
Die Röhrenendstufe

Die Röhren 2 und 3 liegen gleichspannungsmäßig in Serie und werden damit vom gleichen Strom durchflössen. Sorgt man dafür, daß an beiden Röhren ein gleich großer Spannungsabfall auftritt, so ergibt sich eine maximale Aussteuerungsmöglichkeit, Röhre 1b arbeitet in Anodenbasisschaltung, während Röhre 2b in Kathodenbasisschaltung eingesetzt wird. Die negative Gittervorspannung von Röhre 2b legt den Arbeitspunkt der Endstufe fest. Zweckmäßigerweise wählen wir den Arbeitspunkt für den AB-Betrieb.
Die Röhren 1a, 2a dienen als Treiberstufen und sorgen gleichzeitig für die gegenphasige Ansteuerung beider Endröhren. Steigt die Gitterspannung an Röhre 2b, so muß die Gitterspannung an Röhre 1b sinken - und umgekehrt. Dabei verschiebt sich das Spannungspotential am Verbindungspunkt A zwischen den Röhren 1b und 2b. Die gesamte Anordnung wirkt wie ein elektronisches Potentiometer, das zwischen Masse und Versorgungsspannung gelegt ist und dessen Abgriff auf den Ausgangselko C2 führt.

Der Operationsverstärker
Die Aufgaben des Operationsverstärkers sind:
Um die Arbeitspunkte aller Verstärkerstufen von einer Stelle aus zu überwachen, ist eine galvanische Kopplung notwendig. Wie aus Bild 1 hervorgeht, ist das für die Röhrensysteme Rö 1a, 2a, 1b der Fall. Der Arbeitspunkt von Rö 2b wird allein durch die negative Gittervorspannung festgelegt. Dabei stellt sich für Rö 2b ein bestimmter Innenwiderstand ein. Das Spannungspotential, das sich dabei am Punkt A ergibt, wird mit R1 und R2 herabgeteilt und vom OpAmp mit der Referenzspannung URef verglichen. Die Ausgangsspannung des OpAmps wird nun die Arbeitspunkte der Röhren Rö 1a und Rö 1b so lange verschieben, bis die Spannungen am invertierenden und am nichtinvertierenden Eingang des OpAmps übereinstimmen. Die Referenzspannung URef am invertierenden Eingang des OpAmps bestimmt also das Spannungspotential am Punkt A.
Wählt man URef gerade so, daß am Punkt A die halbe Versorgungsspannung Ua liegt, so haben die beiden Endröhren gleiche Innenwiderstände, in beiden wird die gleiche Verlustleistung umgesetzt, und die Aussteuerbarkeit erreicht ihr Maximum.
Aus Bild 1 geht weiterhin hervor, daß der Referenzspannung die NF-Eingangsspannung überlagert ist. Die Arbeitspunkte werden sich also bei Aussteuerung im Rhythmus der Eingangsspannung in dem Sinne verschieben, daß am Ausgang des Verstärkers ein getreues Abbild des Eingangssignals entsteht - allerdings um das Widerstandsverhältnis von R1 und R2 verstärkt.

Die recht aufwendige Regelschaltung verleiht der Schaltung einige bemerkenswerte Eigenschaften. Ein Problem bei Röhrenschaltungen ist das Heizungsbrummen. Der Wechselstrom, der durch den Heizfaden der Röhre fließt, hat ein magnetisches Feld zur Folge, das natürlich auch die Kathode durchdringt und zu einer 50-Hz-Modulation des Anodenstroms führen kann.
Da bei dem beschriebenen Schaltungskonzept eine solche Brummstörung innerhalb des Regelkreises auftritt, wird sie weitgehend ausgeregelt, wenn nur die Referenzspannung sauber und brummfrei ist. Diese Voraussetzung läßt sich jedoch sehr leicht durch gute Siebung und Glättung mit einem Festspannungsregler erfüllen.
Geräuschspannungsabstände von 130 dB (A) sind auf diese Weise realisierbar.
Ein weiterer Vorteil des Schaltungskonzeptes ist die vollständige Kompensation der Kennlinienkrümmung der eingesetzten Röhren. Fertigungsbedingte Toleranzen und alterungsbedingte Verschiebungen werden selbsttätig ausgeglichen. Außerdem sorgt die Regelung, die wechselspannungsmäßig einer starken Gegenkopplung entspricht, für einen äußerst geringen Innenwiderstand des Ausgangs.

Netzteil
Obwohl der Verstärker mit seiner gemischten Bestückung eine Vielzahl verschiedener Versorgungsspannungen benötigt, kommt der Netztrafo mit zwei Sekundärspannungswicklungen aus. Zur Erzeugung der Anodenspannung reicht eine Wicklung mit 250 V und 100 mA Belastbarkeit zur Versorgung einer Stereo-Endstufe.
Die zweite Wicklung erzeugt die Heizspannung für die Röhren: Die PCL 805 benötigt 18 V bei 300 mA Heizstrom. Da je zwei Röhren in Serie geschaltet sind, ist eine Trafospannung von 36 V mit 0,7 A Belastbarkeit zu wählen.
Aus dieser Wicklung werden ebenfalls die positive und negative Versorgungsspannung des OpAmps sowie die negative Gittervorspannung für Rö 2b und die positive Referenzspannung URef abgeleitet.

Schaltbild
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Aufbau
Leider ließ sich bei der Entwicklung der Schaltung eine doppelseitige Platine nicht umgehen. Aus diesem Grunde bleibt eine Selbstherstellung dem erfahrenen Ätzer vorbehalten.

Bei der Bestückung beginnt man zweckmäßigerweise mit dem Netzteil. Alle Bauelemente, die der Spannungsversorgung dienen, sind einzulöten. Dazu gehören der Gleichrichter Gl1, die Dioden und Z-Dioden D1 - 4 und D11, die Kondensatoren C1 - 14, die Widerstände R1 - 5, das Trimmpoti P1, der Festspannungsregler IC1 sowie die beiden Sicherungen Si 1, 2.

Bevor Sie nun den Trafo anschließen und die Spannungen überprüfen, ein Wort zum Umgang mit hohen Spannungen: Die Anodenspannung des Gerätes beträgt über 300 V! Das ist ein Wert, der unter Umständen ausreicht, Sie in die ewigen Jagdgründe zu schicken.


Arbeiten Sie am eingeschalteten Gerät nur, wenn es sich gar nicht vermeiden läßt und dann mit äußerster Vorsicht. Bedenken Sie vor allem, daß nach dem Ausschalten des Gerätes die Spannungen an den Hochvolt-Elkos C14, 24, 24', 25, 25', 26, 26' noch lange Zeit erhalten bleiben.
Bevor Sie also, auch beim ausgeschalteten Gerät, mit beiden Händen herzhaft zufassen, sollten Sie die genannten Kondensatoren entladen. Das geschieht über einen Widerstand 1 k, 4 W, keinesfalls durch Kurzschluß, denn ein Elko mag es nicht gerne, wenn er kurzzeitig Ströme von über 10 A liefern muß.

Schalten Sie nun das Gerät ein und überprüfen Sie die Spannungen gegen Masse: an C14 etwa +315 V
an C4 etwa -18 V
an C8 etwa +22 V
an C10 etwa +12 V
an C12 etwa + 6V
Die Spannung an C13 wird zunächst mit dem Spindeltrimmpoti P1 auf etwa 3,5 V eingestellt.
Stimmen die Spannungswerte, so können Sie nach dem Abschalten des Gerätes und nach Entladung des Elkos als nächstes die Röhrensockel einlöten und die Röhren einsetzen, um sich anschließend von der Funktion der Heizfäden zu überzeugen. Nach dem Einschalten des Gerätes sollte nach wenigen Sekunden der glühende Heizdraht am oberen Ende des Röhreninnenlebens sichtbar werden.
Nach erneutem Abschalten und Entladen beginnt nun die weitere Bestückung.

Sind alle Bauelemente eingelötet, kann der Verstärker in Betrieb genommen und abgeglichen werden. Dazu wird die Spannung an C26 oder C26' gemessen. Sie sollte zunächst zwischen 100 und 250 Volt liegen und kann nun mit P1 auf etwa 160 Volt eingestellt werden.
Schließt man jetzt den NF-Eingang kurz und überprüft das Ausgangssignal mit einem Oszilloskop, so sollte außer einem sehr kleinen Rauschsignal nichts zu sehen sein. Die gleiche Prüfung wird beim zweiten Kanal durchgeführt.
Zur Einstellung der Symmetrie legt man ein 1-kHz-Sinussignal an den Verstärkereingang. Der Ausgang wird dabei mit einem Widerstand 390 Ohm, 4 W belastet und das Ausgangssignal mit dem Oszilloskop überwacht. Nun erhöht man die Eingangsspannung so lange, bis auf dem Bildschirm die Begrenzung der Ausgangsspannung sichtbar wird. Durch geringes Nachstellen von P1 wird der Arbeitspunkt soweit verschoben, bis die Begrenzung bei positiver und negativer Halbwelle gleich wird. Bis kurz vor Einsatz der Begrenzung darf keine Verzerrung der Sinusform sichtbar sein.
Sollten Sie kein Oszilloskop zur Verfügung haben, so können Sie sich damit begnügen, die Spannung an C26, C26' auf die halbe Anodenspannung zu bringen.

Technische Daten (gemessen am Fertiggerät) : Ausgangsleitung : 3,4 W an 100 Ohm
RMS an 1 kHz 1% Kges. : 6,6 W an 600 Ohm

Klirrfaktor : 0,007% an 100 Ohm
1 kHz/100 mW : 0,004% an 600 Ohm

Intermodulation : 0,008 an 100 Ohm
600/6000 Hz, 4:1 : 0,005 an 600 Ohm

Leistungsbandbreite : 2 Hz - 120 kHz an 100 Ohm
-3 dB : 1 Hz - 140 kHz an 600 Ohm

Dämpfungsfaktor : > 104

Eingangsempfindlichkeit :
0,2 V für 1 Watt an 100 Ohm
0,5 V für 1 Watt an 600 Ohm

Eingangsimpedanz : 100 kOhm (ohne Lautstärkepoti)

Geräuschspannungsabstand :
113 dB (A), 50 mW an 600 Ohm
138 dB (A), 2 W an 600 Ohm

Ausgangsspannung : 80 V (RMS)
Anstiegszeit (40 V an 600 Ohm) : 80 V / uS

Leistungsausgang : 2 - 3 dyn. Hörer (Imp. ca. 400 Ohm)

Netzanschlußwert : 220 V / 50 Hz, 40 VA

Die Platine - Layouts und Bestückung

Layout Verdrahtungsseite
(Layout der Verdrahtungsseite)

(Mit der Maustaste das jeweilige Layout anklicken, es wird dann in voller Auflösung dargestellt.)

Layout Bestueckungsseite
(Layout der Bestueckungsseite)



Die Stückliste zu diesem Kopfhörer-Verstärker:

   

Dieser Amp wird auch heute noch (natürlich inzwischen mit einigen Verbesserungen ausgestattet) bei Audiovalve unter der Bezeichnung RKV Mark II angeboten:



Hinweis: Man kann die PCL805 äusserlich sehr leicht mit der PCL86 verwechseln - vor allem wenn die Beschriftung unlesbar geworden ist. - Also aufpassen!
Die folgenden Fotos zeigen eine PCL805 (links, Philips-Fertigung) und eine PCL86 (rechts), jeweils nebeneinander stehend. - Da beide Valvo-gelabelt wurden, könnten die erkennbaren leichten Unterschiede (Anodenblech etc) Firmenintern bedingt sein.
Es kann also durchaus möglich sein, dass eine ECL805 und eine ECL86 jeweils eines anderen Herstellers wiederum leichte andere Unterschiede haben, oder sich sogar völlig ähnlich sein könnten!









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