Ein neues UKW Röhren-Radio
Ernst Schlemm

3-2013


Manchmal fehlt ein einfaches Radio für die Küche oder die Werkstatt. Und auch wenn man eigentlich schon viel zu viele Radios hat, gibt es ja bekanntermaßen nichts Schöneres, als noch eins selber zu bauen! Denn wie sagte schon der unvergessene Heinz Richter: Mit einem selbstgebauten Radio wird sogar das Abhören der Wasserstandsmeldungen zum Erlebnis!

Also, dieses hier sollte ein möglichst kompaktes UKW Radio werden, mit integriertem NF-Verstärker. Und natürlich wollte ich soweit wie möglich vorhandenen Kram aus der Bastelkiste verbauen, damit das Ding nicht allzu teuer wird.

Als Gehäuse kam für mich vor allem eines von Feltron-Zeissler (Bürklin 70H3904) in Frage. Diese Alugehäuse sind nicht nur formschön, sondern auch sehr praktisch, weil man die Chassisplatte auf verschiedenen Ebenen einschieben kann und sich das Gehäuse auch noch während des Aufbaus aus jeder Richtung demontieren lässt.

Die Frontplatte mit Bohrungen, Ausbrüchen und Beschriftung und die Platte hinter der Frontplatte habe ich wieder mit dem Schaeffer Programm gezeichnet und dann dort online bestellt. (www.schaeffer-ag.de)

Ein schöner Netztrafo von Grundig und ein Ausgangstrafo mit der richtigen Impedanz lagen noch herum, dazu ein Grundig Mischteil mit der ECC85 und Drehkoabstimmung.

      

Platz ist in dem kleinen Gehäuse wenig, deshalb mußten zwei ZF-Stufen ausreichen. Es wird also ein Radio, das nicht unbedingt für UKW Fernempfang taugt, aber die zwei Stufen sollten ohne weiteres guten Empfang aller Regionalsender ermöglichen.
Aus Platzgründen arbeiten im Ratiodetektor keine EAA91 oder EABC80, sondern zwei kleine Germaniumdioden AA113.
Natürlich muß auch ein Magisches Auge her und wenn schon, dann eine EM71, die sieht einfach am besten aus!

Beschreibung der Schaltung

Die Schaltung weist keine Besonderheiten auf und wird ähnlich auf vielen Seiten der Röhrenbude ausführlich beschrieben und erklärt. Deshalb nur kurz:
Die Betriebsspannung beträgt 250V. Es ist wahlweise der Anschluss einer UKW Stabantenne, oder die Einspeisung über ein 75 Ohm Koaxkabel möglich. Die Anpassung an den symmetrischen 300 Ohm Antenneneingang des Mischteils erfolgt über einen 4:1 Balun (Oppermann, www.oppermann-electronic.de). Der Empfangsbereich konnte ohne Probleme durch Abgleichmaßnahmen von 87,5- 102 auf 88- 108 MHz geändert werden.
Das Empfangssignal verlässt das Mischteil als 10,7 MHz Zwischenfrequenz über ein Koaxkabel, das die (im Schaltplan nicht gezeichnete) Parallelkapazität des ausgangsseitigen ZF-Filters bildet. Das Koaxkabel darf nicht allzu kurz sein, sonst lässt sich das Filter nicht auf 10,7 MHz abstimmen. Es folgt ein schirmgitterneutralisierter zweistufiger ZF- Verstärker (EF80, EF80) mit symmetrischem Ratiodetektor und der NF-Teil mit der ECL86. Ein Gegenkopplungszweig verbindet die beiden Anoden der ECL86.


Herstellung der Bandfilter

Mit den Bandfiltern hatte ich etwas Besonderes vor: selberwickeln!
Bei Oppermann gibt es preisgünstige 10,7MHz Bandfilter aus dem Funkwerk Meuselwitz, die man leicht umwickeln kann. (Oppermann FI 10,7).
Peter Treytl hat vor einigen Jahren diese kleinen Bandfilter untersucht und für die Verwendung in Röhrengeräten optimiert.
Man entfernt zunächst die vorhandenen Wicklungen und Kondensatoren und danach sämtliche noch anhaftende Vergussmasse. Alle Wicklungen werden mit 0,15mm CuLS Draht ausgeführt. Der Wicklungssinn ist immer gleich, es wird stets dicht an dicht gewickelt und man beginnt unmittelbar an der Grundplatte. Die genaue Ausführung der Wicklungen ist den beigefügten Zeichnungen zu entnehmen.
Das ZF-Filter bekommt 38 +38 Windungen, von Pin 1 nach Pin 8 und von Pin 4 nach Pin 5. Die Schwingkreiskondensatoren (22pF/125V Styroflex) finden unten im Bandfilter Platz. Die Enden der Wicklungen habe ich mit Klebewachs gesichert.
Der Aufbau des Ratiofilters ist mit Primärwicklung, Koppelwicklung und Sekundärwicklung schon deutlich komplexer. Man muß hier sehr sorgfältig arbeiten und fein säuberlich Windung neben Windung legen. Man beachte die Wicklungsanfänge! Die Primärwicklung von Pin 8 nach Pin 1 bekommt genau wie beim ZF-Filter 38 Windungen und einen Styroflex-Kreiskondensator 22pF/125V. Die unteren 2/3 der Wicklung umwickelt man dann mit einer Schicht Tesafilm. über die Tesafilm-Distanzschicht kommt die Koppelwicklung mit 15 Windungen von Pin 2 nach Pin 7. Zur besseren Erkennbarkeit habe ich den Wickeldraht der Koppelwicklung vorher mit Folienschreiber schwarz eingefärbt. Die Wicklungsenden werden mit Klebewachs festgesetzt. Die Sekundärwicklung wird mit 15 plus 15 Windungen, so wie in der Zeichnung angegeben, bifilar ausgeführt. Vorher wird eine Hälfte des Drahtes geschwärzt. Dann werden die beiden Drähte Windung für Windung sorgfältig übereinandergelegt, die Wicklungsenden fixiert und die Wicklung mit der Lupe auf Fehler kontrolliert. Zwischen Pin 4 und 5 kommt ein Styroflexkondensator von 47pF, dieser sitzt, wie alle anderen Kondensatoren der Bandfilter, unten im Gehäuse. Dann wird noch Pin 2 mit Pin 3 verbunden.
Zum Schluß wird der 9mm breite Koppelspalt im Filterbecher des Ratiofilters, wie in der Zeichnung zu sehen, mit einem Seitenschneider nach unten hin geöffnet. Fertig!



      


Frontansicht

Ungemein wichtig scheint es mir, die Bedienelemente auf der Frontplatte weitestgehend nach ästhetischen Kriterien anzuordnen. Dieser Vorgabe sollten sich alle anderen Erfordernisse unterordnen. Es ist immer ein technischer Ausweg aus einer durch ästhetische Vorgaben entstandenen Zwangssituation möglich. Ergo: Alles läßt sich ausbügeln, nur keine versaute Optik!


Chassis und Positionierung des Mischteils

Mit Hilfe einer Papierschablone wurden die nötigen Ausbrüche und Bohrungen für das Mischteil auf das Chassisblech übertragen und dann ausgefräst.

      



Skala

Das Gehäuse und andere nötige Bauelemente wie z.B. Räder, Achsen, Poti usw. lassen eine bestimmte Gesamtbreite der Skalenrückwand zu. Im vorliegenden Fall waren das etwa 190mm. Zieht man davon rechts und links 20mm ab, denn der Zeiger soll ja nach den Seiten hin etwas Platz behalten, so bleiben 150mm Aktionsradius für den Zeiger. Der Drehko des Mischteils ist 1:3 untersetzt, d.h. die Achse dreht sich von Anschlag zu Anschlag ziemlich genau 1,5mal um sich selbst. Daraus errechnet sich ein Skalenrad-Durchmesser von 31,85 mm. Dieses Rad habe ich auf meiner Drehbank selbst hergestellt.

Die räumliche Anordnung der anderen Bestandteile des Skalenantriebs ist aus den Bildern ersichtlich, die Umlenkrollen stammen aus alten Radios. Die Skalen-Rückwand ist aus 0,5mm Aluminium gebogen. Man erkennt die 10 Bohrungen für die LEDs zur Skalenbeleuchtung.





Zur Beschriftung der Skala wurde nach Fertigstellung des Radios zunächst Millimeterpapier an der Skalenrückwand befestigt. Dann wurde der gesamte Empfangsbereich in 0,5 MHz Schritten von 88-108 MHz mit Hilfe des Meßsenders durchlaufen und die jeweiligen Positionen des Zeigers auf das Millimeterpapier übertragen. Mit dem Programm "Sprint-Layout" habe ich dann die definitive Skalenbeschriftung gezeichnet und ausgedruckt. Das Programm überträgt die ermittelten Werte maßstabsgetreu.




Die Antriebsachse ist in Kugellagern (6/10mm Conrad) gelagert. Die Kugellager sind mit Zweikomponentenkleber eingeklebt.







Konstruktive Maßnahmen gegen wildes Schwingen

ZF-Verstärker neigen grundsätzlich dazu, zu schwingen, weil hier ein Signal von gleicher Frequenz über meist mehrere Stufen hochgradig verstärkt wird. Um diesem Problem zu begegnen, habe ich an die Fassungen beider EF80 mit Abschirmblechen versehen. Steuergitter und Anode sind so gegeneinander abgeschirmt. Verkopplungen der Stufen untereinander über Betriebsspannungs- und Heizleitungen wurden durch LC-Glieder unterbunden.
Zusätzlich erhielten die ohnehin schon sehr kurzen Zuleitungen zu Gitter und Anode je eine Ferritperle und das erste ZF-Filter ein Abschirmblech zwischen Primär- und Sekundärseite. Die Schirmgitter der EF80 wurden sorgfältig neutralisiert. Wie man das macht, steht hier:

www.jogis-roehrenbude.de/UKW-Projekt/G2-Neutralisation_im_FM-Zf_%20final.pdf

Als weitere Maßnahme wäre ein Einfügen von Dämpfungswiderständen parallel zu den Bandfilterkreisen möglich gewesen, was aber nicht nötig wurde, weil kein Schwingen auftrat und die Durchlaßkurve ohnehin schon breit genug war.




Abgleich

Der Abgleich eines FM-ZF Verstärkers ist hier in allen nötigen Details beschrieben:

www.jogis-roehrenbude.de/UKW-Projekt/FM-ZF-Abgleich_%20final.pdf

Ich habe den ZF-Verstärker zunächst statisch abgeglichen und danach gewobbelt. Die Oszillogramme zeigen die 10,7 MHz Durchlaßkurve und die Ratiokurve.





Die ZF im Grundig-Mischteil wird, wie unten angegeben, zunächst mit den Kernen e und f statisch abgeglichen. Man kann die Mischteil- ZF auch mitwobbeln, dann wird die Gesamt- Durchlaßkurve durch geringes Verstellen der Kerne e und f noch weiter optimiert. Oszillator, Zwischenkreis und Vorkreis werden wie unten angegeben abgeglichen. Wer ein anderes Mischteil verwendet, sollte sich natürlich die dazugehörige Abgleichanleitung mitbesorgen.
Nach ausgiebigem Probelauf stellte sich heraus, dass die Wärmeentwicklung innerhalb des Gehäuses vor allem bedingt durch die ECL86 zu groß wurde. Deshalb habe ich an der Gehäuseunterseite einen 6 x 6 cm kleinen 12V-Lüfter angebracht, der läuft jetzt recht ruhig ungefähr mit halber Drehzahl und reicht zur Kühlung völlig aus.


Fazit: Wie erwartet wurde das Radio kein UKW Fernempfänger, dazu ist die erzielte ZF-Verstärkung zu gering. Rauschfreier Empfang von 15 Sendern ist aber bereits mit aufgesteckter Stabantenne möglich. Mit einer richtigen UKW- Antenne werden es noch einige mehr.










Ernst Schlemm,
März 2013

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