Eine andere Röhrenuhr
von Klaus Katzmann
Dieser Beitrag beschreibt den Bau einer elektronischen Uhr mit Röhren und einem analogen Uhrwerk.
Dabei stoßen wir auf zwei Problemkreise: Wie steuern wir erstens das analoge Uhrwerk an und woher nehmen wir zweitens
eine stabile Taktquelle, es soll ja schließlich eine Uhr werden.
Wenden wir uns zunächst dem ersten der beiden Problemkreise zu, der Ansteuerung.
Ansteuerung eines Analoguhrwerks
Elektronische Uhren mit analogen Uhrwerken als Anzeigeprinzip gibt es als Massenware seit den siebziger Jahren. Das Prinzip
ist bis heute das gleiche geblieben. Ein kleiner Schrittmotor bewegt mit einer halben Umdrehung des Rotors das
Räderwerk um einen Sekundenschritt weiter. Dieser Schrittmotor besitzt nur eine einzige Spule mit zwei Anschlüssen
zur Ansteuerung. Das folgende Bild zeigt das Impulsschema.
Impulsschema zur Schrittmotoransteuerung
Der Abstand der Impulse ist natürlich genau eine Sekunde. Bei Großuhren, also bei den Uhren, die wir nicht am Arm
tragen, liegt die Impulsdauer so zwischen 15 und 30 ms und die Spule hat einen Widerstand von 100 bis 200 Ohm, manchmal auch
etwas mehr. Schaltet man die Spule zwischen zwei CMOS-Ausgänge, gestaltet sich die Ansteuerung ganz einfach, wir
können nach Belieben die Spule stromlos machen (beide Ausgänge haben gleichen Pegel) oder einen Strom in der
gewünschten Richtung durchschicken (Pegel unterschiedlich). Die Impulslänge wird normalerweise durch den
integrierten Uhrenschaltkreis erzeugt. Die Drehrichtung des Motors ist durch eine leichte Schräglage der magnetischen
Raststellung des Rotors gegenüber den durch die Spule und das Eisenjoch erzeugten magnetischen Feldlinien konstruktiv
vorgegeben.
Zur Ansteuerung mit Röhren wäre folgende Schaltung denkbar.
Einfache Ansteuerschaltung
Wir steuern abwechselnd eines der beiden Röhrensysteme durch. Dabei erhalten wir an den Anoden zwei zueinander inverse
Rechteckspannungen. Diese werden durch den Kondensator differenziert und als Ergebnis fließen durch die Motorspule
Impulse in entgegengesetzten Richtungen. Allerdings liegt eine krasse Fehlanpassung vor: Die Anodenwiderstände sind
zwischen 10 kOhm und 100 kOhm, die Motorspule ist wesentlich niederohmiger. Als Folge dieser Fehlanpassung ist diese Art der
Ansteuerung nur für kleine Uhrwerke (beispielsweise aus einem kleinen Tischwecker) zu gebrauchen. Für
größere Uhrwerke benötigen wir etwas mehr Strom. Deshalb ist es besser, den Ausgangswiderstand der
Treiberstufe mit einem Transformator herabzutransformieren. Der Transformator übernimmt gleichzeitig auch die Aufgabe,
die Ströme zu differenzieren, wodurch wir auf der Sekundärseite wieder die nötigen kurzen Impulse erhalten.
Die Schaltung sieht folgendermaßen aus.
Ansteuerschaltung mit Übertrager
Beschalten wir nun die beiden Röhrensysteme als Frequenzteiler-Flipflop, haben wir schon eine Anordnung, mit der sich
der Schrittmotor bei einem kurzen negativen Impuls am Steuereingang des Flipflops um genau einen Schritt weiterbewegt. Die
negativen Impulse entnehmen wir einem astabilen Multivibrator, dessen Frequenz ungefähr auf 1 Hz eingestellt ist. Die
Gesamtschaltung dieser Anordnung sieht so aus:
(Mit der Maustaste das Bild anklicken, es wird dann in voller Auflösung
dargestellt.)
Der linke Schaltungsteil realisiert den astabilen Multivibrator als Taktgenerator. Die frequenzbestimmenden Bauteile sind
R4/C2 und R3/R7/C1. Mit R7 ist ein genauer Abgleich möglich.
Der rechte Schaltungsteil zeigt das Flipflop. Die beiden Zweige des Flipflops bekommen ihre Anodenspannung über den
mittelangezapften Übertrager. Als Übertrager ist ein kleiner Netztrafo mit 2 mal 115 Volt primär und 12 V
sekundär gut geeignet.
Über den Widerstand R17 koppeln wir das Flipflop an den Multivibrator. Dadurch erhalten wir am Steuereingang des
Flipflops im Halbsekundenabstand einen negativen und einen positiven Impuls. Weil nun das Flipflop nur durch die negativen
Impulse kippt, ändert es seinen Zustand nur einmal pro Sekunde und wir erhalten die gewünschten Sekundenschritte.
Zwischen die beiden Anoden des Multivibrators und des Flipflops wurde je eine Glimmlampe mit Vorwiderstand geschaltet. Damit
erkennt man sofort das korrekte Arbeiten dieser beiden Stufen. Je nach Schaltzustand leuchtet entweder die eine oder die
andere Glimmlampenelektrode. Es hat sich gezeigt, dass der Aufbau des Flipflops mit der ECC85 etwas diffizil ist, nur mit
den beiden Kondensatoren C7 und C8 schaltete das Flipflop richtig.
Der Multivibrator lässt sich am Sync-Eingang mit negativen Impulsen hervorragend synchronisieren, die Erzeugung dieser
Impulse mittels eines Zeitzeichenempfängers wird im zweiten Teil beschrieben.
Zum Abgleich des Multivibrators machen wir einen der beiden frequenzbestimmenden Widerstände veränderbar. Bei
Versuchen zeigte sich, dass der Multivibrator besonders gut auf die Synchronisationsimpulse reagiert, wenn er kurz vorm
Kippen ist. Die einzustellende Frequenz sollte deshalb knapp unter 1 Hz liegen, etwa so, dass die Uhr mit freischwingendem
Multivibrator pro Minute etwa 3 Sekunden verliert. Zu diesem Zweck ist Schalter S1 vorgesehen, der die Synchronisationsleitung
unterbricht.
Zum sekundengenauen Stellen des Uhrwerks müssen wir den Sekundenzeiger anhalten können. Das besorgt Schalter S3.
Wenn dieser geöffnet ist, behält das Flipflop seinen momentanen Zustand und die Zeiger stehen.
Zum groben Stellen des Uhrwerks gibt es zwei Möglichkeiten: Wir können entweder das Stellrad hinten am Uhrwerk
benutzen oder wir betätigen den Schalter S2, der die Taktfrequenz des Multivibrators auf etwa 20 Hz heraufsetzt, das
Uhrwerk ist dann im Schnelllauf. Die erste Methode ist schnell aber fummelig, die zweite ist elegant aber dauert länger.
Der Zeitzeichenempfänger
Da wir mit dem Zeitzeichenempfänger nur einen einzigen Sender empfangen wollen (z.B. DCF77 auf 77,5 kHz), müssen
wir uns über Abstimmmöglichkeiten keine Gedanken machen, wir realisieren den Empfänger als fest abgestimmten
Geradeausempfänger mit zweistufiger Verstärkung. Wir haben zur Selektion drei Schwingkreise: die abgestimmte
Ferritantenne und die beiden Anodenschwingkreise. Die Empfangsfrequenz wird ohne Mischung bis zum Demodulator verstärkt.
Das hat jedoch den Nachteil, dass ohne besondere Abschirmmaßnahmen die Gefahr der Rückkopplung auf die Antenne
besteht. Deshalb muss die Antenne möglichst weit weg von der Stufe mit dem höchsten HF-Pegel angeordnet werden.
Das folgende Bild zeigt die Gesamtschaltung des Empfängers.
(Mit der Maustaste das Bild anklicken, es wird dann in voller Auflösung
dargestellt.)
Die Antenne ist eine kurze Ferritantenne mit einem Ferritstab von 10 mm Durchmesser und 60 mm Länge.
Selbstverständlich sind auch alle anderen Ferritstäbe für den Lang- und Mittelwellenbereich geeignet. Zur
Antenne gehört auch das Verbindungskabel zum Empfanger. Die Antenne (mit Kabel) muss mit dem Zeitzeichensender (hier
77,5 kHz) in Resonanz sein. Die Schwingkreiskapazität kann zwischen 1 und 10 nF liegen. Zur Dimensionierung misst man
die Induktivität und rechnet sich dann die erforderliche Kapazität aus. Bei einer verschiebbaren Spule
(Ferritantenne aus Rundfunkempfänger) kann man durch Verschieben der Spule leicht abgleichen. Ist die Spule fest auf
dem Stab, muss man sich mit kleineren Kapazitäten an die Sollfrequenz "heranarbeiten". Die letzten 30 pF kann man dann
auch ganz gut mit einem Trimmer realisieren. Die Ferritantenne sollte drehbar sein. So kann man sie auf optimalen Empfang
ausrichten.
In der ersten Stufe arbeitet eine gerade vorhandene russische Pentode vom Typ 6K4P. Hier sind auch andere HF-Pentoden mit
Regelcharakteristik verwendbar, z.B. die EF89. Im Anodenkreis befindet sich ein auf den Zeitzeichensender abgestimmter
Schwingkreis. Als Induktivität dient ein kleiner Schalenkern mit einem AL-Wert von 250. Die Induktivität von etwa
2 mH entstand mehr oder weniger zufällig, weil der Spulenkörker mit 0,22 CuL einfach vollgewickelt wurde. Der
Abgleichkern war nicht mehr vorhanden, also wurden Kapazitäten einschließlich eines Trimmers parallelgeschaltet
bis die Resonanzfrequenz stimmte. Die HF-Verstärkung dieser Stufe war auf Anhieb zufriedenstellend, deshalb wurden
keine weiteren Versuche im Hinblick auf Widerstandsanpassung (Anzapfung, andere L/C-Verhältnisse) unternommen. Die
negative Gittervorspannung erhält die 6K4P aus der gleichgerichteten und mit einer großen Zeitkonstante gesiebten
HF-Spannung aus der zweiten Stufe (Automatische Verstärkungsregelung, AGC).
In der zweiten Stufe arbeitet eine EBF89. Die Pentode dieser Röhre ist über einen kleinen Koppelkondensator mit
der ersten Stufe verbunden. Die negative Gittervorspannung ist, genau wie in der ersten Stufe, die AGC-Spannung. Der
Schwingkreis im Anodenkreis ist ähnlich zu dem in der ersten Stufe, nur dass hier die Induktivität etwas geringer
ist. Dadurch hat der Schwingkreis einen etwas kleineren Resonanzwiderstand und die Belastung durch die beiden Gleichrichter
hat weniger Einfluss auf die Schwingkreisgüte. Höchstwahrscheinlich lässt sich aber auch der gleiche
Schwingkreis wie in der ersten Stufe verwenden.
Die EBF89 besitzt zwei Dioden, die eine mit der Pentode gemeinsame Katode haben. Über zwei Koppelkondensatoren bekommen
beide Dioden die HF, die an der Anode anliegt, zugeführt. An der (im Schaltbild) linken Diode befindet sich ein
hochohmiges Siebglied mit einer Zeitkonstante von mehreren Sekunden. Dieses Siebglied liefert für die beiden Pentoden
die negative Gittervorspannung. Je größer die HF, umso größer die negative Gittervorspannung und umso
kleiner wird die Verstärkung der beiden Pentoden (Regelung der Verstärkung, AGC). So funktioniert die Schaltung in
einem weiten Eingangsspannungsbereich. Versuchsweise wurde die erste Stufe von einem 1-Hz-getakteten HF-Generator gespeist.
Dabei funktionierte die Synchronisation des Multivibrators in einem Eingangsspannungsbereich von 10 µV bis 1 Volt.
Der rechten Diode ist ebenfalls ein Siebglied nachgeschaltet. Dieses hat jedoch eine wesentlich kleinere Zeitkonstante unter
1 ms. Dadurch wirkt diese Anordnung als Demodulator und hinter diesem Siebglied kann man die Hüllkurve der Hochfrequenz
abnehmen. Im Idealfall ist diese Hüllkurve eine negative Rechteckspannung, die im Ruhepotential etwa der AGC-Spannung
entspricht. Während der Impulstastungen vom Zeitzeichensender entstehen 100 oder 200 ms lange positive Impulse.
Im Gegensatz zu der bei Rundfunkempfängern üblichen Ansteuerung des magischen Auges (EM84) mit der Regelspannung
wird hier die demodulierte Spannung zur Ansteuerung herangezogen. Das hat ganz wesentliche Vorteile: Erstens erkennen wir am
rhythmischen Zucken der Auslenkung im Leuchtfeld, ob tatsächlich der Zeitzeichensender empfangen wird und (nach etwas
Übung) auch, in welcher Stärke und wie gestört. Und zweitens können wir an der Verstärkertriode im
magischen Auge Impulse in umgekehrter Polarität als am Demodulator abnehmen. Das brauchen wir auch, denn der
Multivibrator spricht besonders gut auf negative Synchronimpulse an.
Die Spannungsversorgung
Um nicht Netzspannung in die ganze Anordnung hereinführen zu müssen, erfolgt die Speisung mit 6,3 Volt
Wechselspannung, die mit zwei 100-Ohm-Widerständen an Masse symmetriert ist und auch der Röhrenheizung dient. Ein
umgekehrt geschalteter Netztrafo transformiert die 6,3 Volt soweit hoch, dass sich etwa 180 V gleichgerichtete und gesiebte
Anodenspannung ergeben.
Praktischer Aufbau
Der Aufbau entstand eher zufällig und planlos aus den Versuchschaltungen, die auf 50 mm breite Alu-Blechstreifen
aufgebaut wurden. Die Übereinander-Anordnung hat durch die geringe Bautiefe den Vorteil, dass das Gerät gut vor
einer Wand anzuordnen ist, dabei wenig Platz braucht und alles Wesentliche gut zu sehen ist. Das Uhrwerk stammt aus einem
Möbelmarkt, wo Quarzuhren für knapp 4 Euro das Stück auf einem Stapel herumlagen. Man muss das kleine Werk
hinten an der Uhr vorsichtig öffnen und die Einbauten soweit entfernen, bis man an die kleine Platine mit dem Quarz
und dem Uhren-IC herankommt. Dort sind dann die zwei Verbindungen zum Schrittmotor zu identifizieren und eine der beiden
ist aufzutrennen. Dann werden an die beiden Anschlüsse des Schrittmotors zwei dünne Drähte angelötet.
Diese kann man dann bei der abschließenden Montage des Uhrwerks irgendwie herausführen. Eine 1,5-Volt-Zelle -
an die beiden Drähte geschaltet - muss den Sekundenzeiger zum Zucken bringen.
Das Foto am Anfang des Beitrages zeigt den Gesamtaufbau. Das folgende Bild zeigt den Empfängerteil auf der oberen
Platte. Rechts sieht man die russische 6K4P mit einem Stempel von 1963, in der Mitte die EBF89 und links die EM84. Die
beiden Anodenschwingkreise sind auf kleinen Stücken Universalleiterplatte aufgebaut.
Empfänger mit Abstimmanzeigeröhre
Das Impulsteil zeigt das folgende Bild im Detail. Links ist der 1-Hz-Multivibrator, in der Mitte das Flipflop. Der
"Ausgangsübertrager" ist rechts auf einem Stück Universalleiterplatte gemeinsam mit den Dioden des
Anodenspannungsgleichrichters und der Siebschaltung (2 mal 47 µF und 100 Ohm) angeordnet. Die Drähte nach unten
gehen zu den Schaltern. Den Anodenspannungstrafo sieht man teilweise links unten. Die beiden Glimmlampen zeigen jeweils die
Schaltzustände des Flipflops und des Multivibrators an. Sie leuchten abwechselnd mal mit der linken und mal mit der
rechten Elektrode.
Impulsteil mit Ausgangsübertrager
Erfahrungen
Solange der Leuchtbalken rhythmisch im Sekundentakt zuckt und die Begrenzungen des Leuchtbalkens scharf zu sehen sind, ist
alles in Ordnung, die Uhr läuft ohne merkliche Abweichung. Die Empfängerschaltung ist ausreichend empfindlich, in
200 km Entfernung zu DCF77 ist die Antennenspannung bei der hier verwendeten Antenne etwa 300 µV. Zum Stellen brauchen
wir allerdings eine echte Funkuhr als Referenz. Empfangsstörungen, wie sie durch verschiedene Geräte im Haushalt
erzeugt werden, sind mit dem magischen Auge leicht zu identifizieren. Der Leuchtbalken ist dann unruhig oder unscharf. Da
hilft nur die Abschaltung des Störers oder eine Drehung der Ferritantenne oder die Suche nach einem besseren Ort
für die Uhr. In größerer Entfernung zum Sender (ab 400 bis 600 km) kann es in den Nachtstunden zu
Empfangsausfällen durch die gegenseitige Auslöschung von Raum- und Bodenwelle kommen.
In den Sommermonaten sind auch Ausfälle und Störungen durch Gewitter möglich. Schließlich kann der
Sender auch aus technischen Gründen, z. B. zur Wartung, kurzzeitig ausfallen.
Wir sollten uns also auf diese Uhr nicht verlassen.
Übrigens funktioniert das Prinzip auch mit anderen Zeitzeichensendern, da wir ja nichts dekodieren müssen.
Beispielsweise könnte man auch die Stationen MSF (England) auf 60 kHz oder HBG (Schweiz) auf 75 kHz empfangen. Die bei
diesen beiden Stationen zuweilen gesendeten Doppelimpulse stören uns kaum, da sich der Multivibrator nur von den
Impulsen triggern lässt, die am Sekundenanfang liegen. In den USA ist der Empfang der Station WWVB auf 60 kHz
möglich, allerdings wegen des Boden- und Raumwellenproblems nur in im Verhältnis zur Landesgröße
geringer Entfernung zum Sender.