Gegentakt-Endstufe frei nach Williamson mit der 1625
von Lars Meyer



Ja... eigentlich ist das ja alles nix neues. Aber...
Nachdem ich im Internet einige Artikel über Williamson-Verstärker gelesen habe, wollte ich auch einen solchen Verstärker bauen - mit ein paar kleinen Besonderheiten: - Einsatz von gasgefüllten Gleichrichtern
- Siebung mittels "swinging choke"
- Steuerung und Überwachung des Verstärkers mit einem Microcontroller
Ein wenig weitere Suche im Internet - bei einigen Röhrenläden und insbesondere auf Jogis Seite über "Quecksilberdampf- und Gas-Gleichrichterröhren" (http://www.jogis-roehrenbude.de/Roehren-Geschichtliches/GL-Roehren/HG-und-Gas-Gleichrichter/HG.htm) führte zur Wahl von folgenden Röhren: 866A - Quecksilberdampf Einweggleichrichterröhre
CK1006 - Argon-gefüllte Zweiweggleichrichterröhre (eine 80S von Jogis Gleichrichterspezialitätenseite konnte ich leider nicht ergattern - und eine 83 zwischen den 866ern... :-( )
5823 - Kaltkathodentriggerröhre zur Einschaltverzögerung
6N8S (6H8C) = 6SN7GT - Doppeltriode
1625 - Beampower-Tetrode
IN-13 - stromgesteuerte Glimmanzeige
Aber jetzt zu den Bestandteilen im Einzelnen:

Netzteil:
Für die Endstufen wird die Betriebsspannung über eine Graetzbrücke gleichgerichtet. Diese besteht aus zwei Gasgleichrichterröhren (+) und zwei Siliziumdioden (-). Die Glättung der Betriebsspannung erfolgt über eine LC-Kombination aus 10H/500µF - ohne den typischerweise üblichen Ladekondensator. LC-gesiebte Netzteile verfügen über einen geringeren Spannungsverlust bei steigender Stromentnahme und führen zu erheblich gleichmäßigerer Strombelastung der Gleichrichterdioden als das bei CLC-gesiebten Netzteilen der Fall ist, da die typischen Ladespitzenströme des ersten Cs entfallen. Ein Allheilmittel ist LC-Siebung natürlich nicht (man bekommt wirklich nix geschenkt), die Wechselstrombelastung der Drossel ist deutlich höher und die Ausgangsspannung beträgt nur ca. 65% dessen, was bei einem (wenig belasteten) CLC-Netzteil zu erwarten wäre. Die maximal zulässige Schirmgitterspannung wird per RC-Kombination aus der Betriebsspannung erzeugt - eventuell noch vorhandene Wechselspannungsanteile werden dadurch auch noch weiter unterdrückt.


Die Betriebsspannung der Vorstufe wird ähnlich erzeugt - aufgrund unsicherer Verfügbarkeit der CK1006 wurde auf dem Netztrafo zusätzlich eine 5V-Wicklung aufgebracht, die eine große Anzahl von anderen Gleichrichterröhren zulässt. Die Glättung erfolgt über 20H/220µF-LC-Kombination.
Um die Gleichrichterröhren ausreichend vorzuheizen, wird über die Ladekennlinie einer RC-Kombination und eine (natürlich ebenfalls gasgefüllte) Kaltkathodenschaltröhre vom Typ 5823 eine Einschaltverzögerung realisiert. Die langsam ansteigende Spannung am Ladekondeansator wird dabei über einen Entladeschutzwiderstand auf die Zündelektrode der Röhre gegeben, diese zündet bei ca. 70-80V eine Gasentladung. Ein im Lastkreis liegendes 48V-Relais mit recht hohem Innenwiderstand (die Röhrchen vertragen nicht so viel Strom) gibt dann die Spannung für die übrigen 12V-Relais frei. Der weiter unten beschriebene Microcontroller sorgt dafür, dass zuerst die Vorstufenspannung freigegeben wird und erst wenn diese stabil anliegt, folgt die Betriebsspannung für die Endstufe.

Verstärker:
Der Verstärker ist ein aufs absolut nötigste reduzierter Williamson-Verstärker - Vorstufe, Concertina-Phasensplitter (auch Kathodyn genannt), eine weitere Verstärkerstufe, die die sehr unterschiedlichen Ausgangsimpedanzen des Phasensplitters über recht große Gitterableitwiderstände "versteckt", gefolgt von einer PP-Endstufe mit Beampower-Tetroden in Tetrodenschaltung.
Trotz Verzicht auf eine "über-alles"-Gegenkopplung klingt der Verstärker überhaupt nicht "pentodig" - vielleicht liegt es am LC-Netzteil? Ich war jedenfalls angenehm überrascht und habe Spielereien mit einer Gegenkopplung bisher unterlassen...
Klang ist sowieso persönlicher Geschmack und abhängig von Lautsprechern und den Hörgewohnheiten.




Als kleines "Spektakel" wurde eine Pegelanzeige auf Basis einer (natürlich gasgefüllten!!) Glimmröhre eingebaut. Die Wahl fiel hier auf die russische Röhre IN-13 - oder wahlweise durch setzen einer Steckbrücke auf der Platine kann auch eine IN-9 eingesetzt werden, die mehr Strom fordert. Die Ausgangswechselspannung wird über eine Schottky-Diode gleichgerichtet und per RC-Glied integriert. Ein voll gegengekoppelter "Leistungs-Operationsverstärker", gebildet aus OP07 und MJE340, bildet das Stromregelglied für die Glimmröhre - aber auch jeder andere OP aus der Bastelkiste tut es für diesen Zweck, der OP07 ist sicherlich sehr unterfordert. Da die IN-13 eine lineare Glimmlängen-Strom-Kennlinie hat, folgt die Länge der Glimmentladung der Wurzel der Ausgabeleistung abzüglich eines Offsetzs durch die Gleichrichterdiode - eine logarithmische Aussteuerung wäre wünschenswert aber ungleich aufwändiger zu realisieren. Gute Ideen für einfache Schaltungen sind hier jederzeit sehr willkommen.


Microcontroller:
In diesem Verstärker sollen die Arbeitspunkte der Endröhren überwacht und automatisch eingestellt werden - ebenso wie die übrigen Betriebsparameter überwacht werden sollen. Der Ansatz liegt irgendwo zwischen der Gegentakt-AB-Schaltung, die an einem gemeinsamen Widerstand Leistung vernichtet, und einem Gegentakt-B-Verstärker, bei dem die Gittervorspannungen fest eingestellt sind. Hier sieht der Controller je nach abgeforderter Leistung eine Änderung im mittleren Strom und fährt den Arbeitspunkt der Röhre nach.
Einige Suche im Internt und auch ein Artikel in der c't haben mein Interesse diesbezüglich auf die ATMega-Controller von Atmel gelenkt. Hier eingesetzt ist ein ATMega 16, der insgesamt über 32 I/O-Pins verfügt, von denen 8 als analoge Eingänge genutzt werden können. Gemessen werden damit alle 4 Kathodenströme (respektive deren Spannungsabfall über 22 Ohm-Widerstände), die Betriebsspannungen der Vorstufe und der Endstufe (auch Schirmgitter) und über einen Multiplexer die negativen Versorgungsspannung und die Spannungen der vier Steuergitter der Endröhren.
Alle Spannungen mit Wechselspannungsanteil werden per RC-Glied integriert - dessen Grenzfrequenz ausserhalb der Übertragungsbandbreite des Verstärkers liegt.
Der Microcontroller verfügt über eine nominelle 10-Bit Auflösung bei der AD-Wandlung - zur Unterdrückung von Rauschen wird jeder Wert 64 mal gemessen und dann gemittelt. Dies führt dazu, dass jede Spannung ca. 9 mal pro Sekunde gemessen und gemittelt wird.

Leider verfügt der Controller über keine analogen Ausgänge. Die Einstellung der negativen Spannungen geschieht daher über das Tastverhältnis eines Rechtecksignals, das vom Controller erzeugt wird (Internetsuchstichwort: PWM bzw. Pulsweitenmodulierung). Gibt der Controller einen "High"-Pegel aus, so wird der erste Integrationskondensator über einen 47k-Widerstand entladen, fällt der Pegel auf "Low", so wird der entsprechende Kondensator über einen (anderen) 47k-Widerstand aus der negativen Versorgungsspannung geladen.
Diese Schaltung wird für alle 4 Kanäle separat aufgebaut, wobei die Grenzfrequenzen der RC-Siebglieder weit von der Zyklusfrequenz des PWM-Signals entfermt sind. Sollte der Microncontroller nicht funktionieren, sinken die Gittervorspannungen bis zur negativen Versorgungsspannung ab, d.h. die Schaltung ist "eigensicher".
Im Inneren des Controllers läuft ein kleines Programm, dass den Start des Verstärkers überwacht und dann die Arbeitspunkte der Endröhren gemäß der gemessenen Kathodenströme einstellt - auch die Betriebsspannungen (Vorstufe, Endstufe, Schirmgitter, negative Versorgungsspannung) werden regelmäßig kontrolliert - was aufgrund von viel zu knapp eingestellter Toleranzen und Spannungsschwankungen des deutschen Stromnetzes zu einer wenig eindrucksvollen abendlichen Vorführung beim Stammtisch im Oktober 2008 geführt hatte. (Wie ein Gast des Stammtisches es so schön sagte: Ohne den Controller würde "er" laufen... - und er hatte recht. Nach Überbrückung des Kontzrollers konnte ich zumindest den Amp vorführen).

Alle Messwerte werden in einem kleinen LCD-Modul in der Frontplatte des Verstärkers angezeigt und per Drehencoder können in einem kleinen Menü einige Betriebswerte verändert werden, wie z.B. der Sollwert für den mittleren Kathodenruhestrom.
Diese veränderten Werte werden dann in einem EEPROM abgespeichert.


Aufbau:
Der Verstärker verteilt sich auf 4 Std.-Euro-Lochrasterplatinen (1 x Netzteil, 1 x Controller, 2 x Verstärker). Die einzelnen Module sind "von oben" an Aluplatten abgehängt an denen die AÜs, Drosseln und die Röhrensockel befestigt sind.
Der Netztrafo befinder sich unter Tage und ist über Gewindestangen auch an der Aluplatte des Netzteils befestigt. Die Ladekondensatoren liegen auf einer weiteren Platte zwischen Netzteil und Reglerplatine, der Zentrale Massepunkt befindet sich selbstredend auf der Netzteilplatine und wird von dort an die anderen Schaltungsteile weiterverteilt.
Alle Aluplatten sind per Blindmutter mit dem Holztragegestell verbunden.


Erster Probelauf des Verstärkers, definitiv noch nicht VDE-gerecht...




Besonderer Dank in diesem Projekt gilt meinem guten Freund Ralf, der bei allen Überlegungen mit Rat und Tat zur Seite stand - und insbesondere alle mechanischen Arbeiten beim Aufbau des Gehäuses komplett übernommen hat - oder eben anders ausgedrückt - mit 10 linken Daumen und der Erkenntnis, welche Seite des Lötkolbens böse ist, wäre nie ein so schönes Holzgehäuse entstanden.
Ein verlängertes Wochenende später sah es auf dem Basteltisch jedenfalls erheblich ordentlicher aus.




So, nun ist alles fertig - ein paar Impressionen des fertigen Verstärkers und der verwendeten Röhren:








Und da wir hier in Jogis Röhrenbude sind, gibt es noch ein paar Macro-Aufnahmen der einzelnen Beteiligten.








Schaltpläne: (anklicken zum Vergrössern)

Netzteil-Schaltbild - klicken zum Vergrößern!


Schaltbild der Regelung - klicken zum Vergrößern!


Verstärker-Schaltbild - klicken zum Vergrößern!


Das Hexfile zum Programmieren: V6_1625_m16.hex

Das Hex-File kann bei änhlicher Netzteildimensionierung direkt in einen ATMega 16 geflashed werden. Beim ersten Start stellt der Controller ungültige Werte im EEPROM fest (alle Byte $FF) und schreibt die Standartwerte hinein (konservative 25mA pro Röhre).
Wichtig ist, dass der Controller auf einen internen Takt von 8MHz eingestellt wird und die JTAGEN-Fuse gelöscht wird, weil sonst das Display nicht funktioniert... - für die ATmel-Spezis anbei meine Fuse-Settings:

( ) 7, ( ) 6, ( ) BootLock12, ( ) BootLock11, ( ) BootLock02, ( ) BootLock01, ( ) Lock2, ( ) Lock1, ( ) OCDEN, ( ) JTAGEN, (x) SPIEN, ( ) CKOPT, ( ) EESAVE, (x) BOOTSZ1, (x) BOOTSZ0, ( ) BOOTRST, ( ) BODLEVEL, ( ) BODEN, ( ) SUT1, (x) SUT0, (x) CKSEL3, ( ) CKSEL2, (x) CKSEL1, (x) CKSEL0

(x) Checked = programmed (bit = 0) ( ) UnChecked = unprogrammed (bit = 1)

Bei Fragen zum Verstärker, Anregungen, etc. am besten über das Forum eine eMail an "Lars aus Hannover" schicken.

Viele Grüße,
Lars (mittlerweile aus dem Hannoveraner Umland)

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