Mikrocontrollerbasierte Steuerung von Röhrenverstärkern
von Lars Meyer

Die Digitaltechnik hat in den letzten Jahren im Bereich "System-on-a-Chip" große Fortschritte gemacht. Mikrocontroller sind preiswert geworden und sprichwörtlich an jeder Straßenecke erhältlich - und teilweise stellen die Hersteller sogar kostenfreie Entwicklungswerkzeuge für die Programmierung zur Verfügung.
Programmieradapter können mit wenigen Bauteilen selbst aufgebaut werden - oder natürlich auch käuflich erworben werden.

Meine Wahl des Mikrocontrollers ist auf die ATMega-Serie der Firma Atmel gefallen (http://www.atmel.com). Es gibt die eben erwähnte kostenfreie Programmierumgebung für Assembler. Ein Adapter für die Programmierung des Bausteins für Computer, die noch serielle (oder parallele) Schnittstellen enthalten, wird hier beschrieben (z.B. http://www.lancos.com/e2p/siprog_base.png) und die "Community" hat neben der Software für den Programmieradapter (http://www.lancos.com/prog.html) auch noch einen kompletten C-Compiler entwickelt, unter www.mikrocontroller.net/articles/WinAVR und unter winavr.sourceforge.net zu finden.
Kommerziell erhältlich ist auch noch eine Basic-Entwicklungsumgebung (incl. einer Testversion mit einigen Beschränkungen, http://www.mcselec.com/).

Ganz kurz einige Worte zu den Prozessoren:
Die ATMega-Serie gibt es noch in den für den Hobbybastler interessanten DIP-Gehäusen im 2,54mm Raster. Auch die Spannungsanforderung von 5V macht den Aufbau einfach. Allen ATMega-Controllern gemein ist - Es gibt einige analoge Eingänge, die per internem ADC mit 10 Bit Auflösung digitalisiert werden können.
- Eine Spannungsreferenz ist vorhanden (Vorsicht - diese unterliegt einer Temperaturdrift, insbesondere bei den höheren "röhrentypischen" Temperaturen).
- Es gibt 3 Speicherarten: Flash für das Programm, SRAM für Variablen und Stack und EERPOM zum Abspeichern von veränderlichen Betriebsparametern.
- Der Controller läuft mit minimaler externer Beschaltung, eigentlich braucht er nur Strom.
- Der Controller ist preiswert zu haben.
Im Internet gibt es eine Vielzahl von Webseiten, die sich mit diesen Controllern beschäftigen. Die "Community" hilft auch gerne in vielen Foren bei Fragen aller Art weiter - so wie die hier bei Röhrenthemen aller Art.

Nach diesen Vorbemerkungen soll im Folgenden die Arbeitspunktregelung von Röhrenverstärkern beschrieben werden:
Die Regelvorschrift ist sehr einfach - solange der Strom durch den Kathodenwiderstand der Röhre unter einem Sollwert ist, wird der Betrag der negativen Gittervorspannung verkleinert. Wenn der Strom mit dem Sollwert übereinstimmt, dann ist alles gut. Sollte der Strom größer als der Sollwert werden, muss der Betrag der negativen Gittervorspannung vergrößert werden.

Soweit, so gut. Für einen Stereo-Eintaktverstärker oder einen einkanaligen Gegentaktverstärker würde diese Regelvorschrift in einen ATTiny13 (DIP8) passen, da neben der Versorgungsspannung und Masse noch zwei analoge Signale gemessen und zwei digitale Signale ausgegeben werden können. Der Einsatz der ATMega-Serie ermöglicht den Einbau weiterer Funktionen, die im folgenden kurz skizziert werden sollen: - Einschaltverzögerung - warten, bis die Röhren warm sind
- Einschaltprozedur - erst negative Spannung an die Gitter bringen, dann Hochspannung per Relais einschalten und Regelschleife starten
- Prüfung der Betriebsparameter gegen obere und untere Schwellen (Versorgungsspannungen, Kathodenströme), ggf. Notabschaltung
- Ausgabe der Messwerte auf einem Display
- Anschluss eines Encoders zur Eingabe, Menüsteuerung
Wichtig ist, dass die zu messenden analogen Signale vor dem Mikrocontroller durch Tiefpassfilter von ihren audiophilen Wechselspannungen befreit werden. Aufgrund der Zeitkonstante des Tiefpasses ergibt sich eine Phasenverschiebung, da z.B. der Messwert des Kathodenstroms erst mit einiger Zeitverzögerung dem Stellwert (d.h. der negativen Gittervorspannung) folgt. Hier gilt es, maßvoll die Zeitkonstanten der Tiefpassfilter zu wählen - und auch die Zeitabstände zwischen zwei Regelvorgängen groß genug zu wählen, damit die Ruhestromregelung nicht soviel Phase aufsammelt, dass daraus ein Ruhestrom-Schwingkreis entsteht ;-).

Die Digitalisierung des Messwertes übernimmt der Mikrocontroller direkt - dies geht sehr einfach, da der Spannungsabfall am Kathodenwiderstand positiv ist. Wird hier die interne Referenz des Mikrocontrollers benutzt, so muss die Spannung am Eingang im Bereich von 0 bis 2,56V liegen (diese Referenzspannung ist CPU-abhängig, es gibt bei den neueren Atmels auch welche mit 1,1V Referenzspannung).

Problematisch wird es bei der Ausgabe des negativen Signals auf das Steuergitter der Röhre, denn der Mikrocontroller arbeitet nur im Bereich von 0 bis +5V und hat weder einen analogen Ausgang noch kann er negative Spannungen im Bereich bis z.B. -100V erzeugen. Zur Lösung dieses Problems werden im Folgenden zwei Schaltungen beschrieben:

Ausgabe per DAC:

DAC-Ausgabe
(Mit der Maustaste das Schaltbild anklicken, es wird dann in voller Auflösung dargestellt.)

Hier übernimmt ein weiterer Baustein die Wandlung von digitalen zu analogen Signalen. Zwei dafür geeignete und im Jahre 2008 (noch?) lieferbare Bausteine sind entweder der TLC7524 (einkanaliger DAC mit 8bit Auflösung) oder der TLC7528 (zweikanaliger DAC mit 8bit Auflösung). Diese Chips wandeln digitale Signale in Ströme um (R-2R-DAC-Wandler) und können mit minimaler externer Beschaltung z.B. Spannungen von 0...4V erzeugen. Diese Spannung wird nun per Operationsverstärker invertiert und über zwei Transistoren verstärkt. Zum Einsatz für die Hochspannung kommt eine Transistor-Klasse-A-Endstufe. Die Schaltung ist in der dargestellten Dimensionierung in einem SE-6c33c-Verstärker im Einsatz.

Ausgabe per PWM:

PWM-Ausgabe
(Mit der Maustaste das Schaltbild anklicken, es wird dann in voller Auflösung dargestellt.)

Die moderne Version der digital-analog-Wandlung ist die Pulsweitenmodulierung (1 Bit DA-Wandler ;-)). Der Mikrocontroller erzeugt ein Rechtecksignal, dessen Tastverhältnis dem (analogen) Ausgabewert entspricht. Einfaches Mitteln per Tiefpass (auch hier auf die Phase achten) erzeugt eine Spannung im Bereich zwischen Masse und der Versorgungsspannung. Auch in diesem Fall kommt wieder die Endstufe mit dem BF421 zum Einsatz, diesmal als "Digitalverstärker". Bei der Mittelung ist zu beachten, dass die Impedanzen der beiden Signalteile gleich groß sein müssen, da aber die Quellimpedanz für "Masse" nahe bei 0 liegt, muss hier mit einer Diode im ersten Tiefpass nachgeholfen werden.
Die Filterung ist als zweistufiger RC-Tiefpass aufgebaut, die Filterwirkung reicht für einen SE-Verstärker mit kleiner Ausgangsleistung aus (eine halbe 6AS7G) - ob bei einer größeren Röhre wie einer 845 noch ein Restbrummen zu hören wäre, kann ich nicht sagen, im Zweifelsfall noch ein wenig Platz lassen, um einen weiteren Filter einzubauen oder alternativ die PWM-Frequenz erhöhen. (Ich betreibe die PWM mit ca. 120Hz).
Vorteil dieser Art der Wandlung ist, dass der gesamte zur Verfügung stehende Spannungsbereich der negativen Versorgungsspannung ausgenutzt werden kann, und falls der Mikrocontrollerausgang "hochohmig" ist oder auf "low" liegt, dann sinkt die Gitterspannung auf die Versorgungsspannung. Die Schaltung ist also vor einer Fehlfunktion/Nichtfunktion des Mikrocontrollers weitestgehend gefeit und zerstört nicht gleich die Endröhren.

Viel Spass beim Basteln und Bauen aus dem Hannoveraner Umland,
Lars
P.S.: Bei Fragen am besten eine email über das Forum an "Lars aus Hannover" schicken - oder bei allgemeinem Interesse für dieses OT-Thema und Jogis Toleranz auch gerne im Forum.

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