c) Rauschmessungen an Röhren

 

Die Messungen beschränkten sich auf Röhrentypen, die in der Bastelkiste zu finden waren. Ausgeschieden wurden dabei zunächst alle Typen, die nicht für rauscharme Vorstufen vorgesehen sind (z.B. ECC81, ECC82, ECC90). Übrig blieben im wesentlichen die Trioden ECC83, ECC88 und ECC808, von denen jeweils mehrere Exemplare unterschiedlicher Fabrikate und z.T. in unterschiedlichen Ausführungen (Normal und Spezial/Langlebensdauer) untersucht werden konnten, sowie einige EF86/806S und EF804/804S. Alle Röhren, insgesamt ca. 70, stammten aus der Produktion der 60er und 70er Jahre, alle bis auf vier Exemplare waren gebraucht, die meisten allerdings nur einige hundert Stunden.

Für die Messungen wurde eine kleine Testschaltung aufgebaut (s. Bild 1.). Die Röhren werden mit gut stabilisierten Gleichspannungen aus externen Netzgeräten versorgt. Die Restwelligkeit der stabilisierten Anodenspannung betrug ca. 1 mVss. Sie mußte durch ein Siebglied mit Drossel weiter herabgesetzt werden, um die Messung der kleinen Rauschspannungen an der Anode, breitbandig ca. 100µV, nicht zu stören.

 

       

Bild 1.  Testschaltung für Rauschmessungen an Trioden

Die im Bild sichtbare zweite Röhrenfassung ist der ersten parallelgeschaltet und dient zur Erfassung des zweiten Systems der Doppeltrioden durch Umstecken der Röhre. Die Eingangsbuchse am Gitter dient dazu, die Verstärkung der Testschaltung in Verbindung mit der eingesetzten Röhre zu messen. Da alle Rauschspannungen auf das Gitter bezogen werden, müssen die an der Anode gemessenen Werte durch den vorher mit Sinusspannung bestimmten Verstärkungsfaktor geteilt werden. Für die Bestimmung der Rauschspannung an der Anode wird das Gitter gegen Masse kurzgeschlossen. Die Größe des Anodenwiderstandes wird so gewählt, daß sein Eigen-Rauschen noch vernachlässigbar gegen das verstärkte Eingangsrauschen bleibt. Zur Begrenzung des Arbeitsaufwandes wurden die Messungen nur bei einem festen Wert des Anodenstroms durchgeführt.
Für die Messungen an Pentoden wurde später noch eine Schirmgitterversorgung hinzugefügt. Um Einstreuung von Netzstörspannungen zu vermeiden, wird die gesamte Testschaltung bei den Messungen in einem allseits geschlossenen Metallkasten untergebracht.

Ein an den Ausgang angeschlossener FFT-Analysator (gute Exemplare sind für ca. 10 000 Euro erhältlich, FFT = Fast Fourier Transform) könnte jetzt die gesuchte Größe, die Rauschspannungsdichte, direkt anzeigen als Funktion der Frequenz. Wer weniger Geld ausgeben möchte, ist auf umständlichere Verfahren angewiesen. Eine gute Soundkarte mit einem FFT-Programm aus dem Internet oder aus einem Audiobearbeitungsprogramm (CoolEdit, 'Get it on CD', Audiolab) ist zwar normalerweise auf den Frequenzbereich von ca. 20 Hz...20 kHz beschränkt, wäre aber für viele Fälle ein guter Ersatz, auch wenn die Rauschspannungsdichte normalerweise nicht direkt angezeigt werden kann. Der unmittelbare Anschluß der Soundkarte an die Testschaltung, ohne ausreichende Spannungsbegrenzung, ist allerdings nicht empfehlenswert. Diese Lösung, obwohl relativ elegant, wurde nur unterstützenderweise, nicht routinemäßig für die Rauschmessungen eingesetzt. (Dafür waren logistische Gründe ausschlaggebend. Der einzige verfügbare Rechner mit Soundkarte wurde an anderer Stelle dringender benötigt als im Bastelkeller. Ständiger Hin- und Hertransport war zu mühsam.)

Das hat nicht unbedingt Nachteile. Für Frequenzen oberhalb von einigen hundert Hertz ist die Frequenzabhängigkeit des Röhrenrauschens nur schwach, sodaß hier auch einfachere Meßverfahren möglich sind. Außerdem ist gerade bei Röhren auch der Rauschfrequenzbereich unterhalb von 20 Hz interessant.

Die anodenseitig anfallenden Rauschspannungen der Testschaltung sind im allgemeinen noch zu klein, um mit üblichen Meßmitteln (Oszillograf, Millivoltmeter) untersucht zu werden. Hier konnte ein Meßverstärker eingesetzt werden, der den zusätzlichen Vorteil hatte, daß sich die obere und untere Grenzfrequenz unabhängig voneinander einstellen ließen. Das ermöglichte besonders im Bereich unter 20 Hz relativ schmalbandige Messungen. Außerdem stand für Frequenzen >1 kHz ein abstimmbarer schmalbandiger Verstärker mit einer Bandbreite von ca. 160 Hz zur Verfügung. Zur Anzeige dienten ein Millivoltmeter, das echte Effektivwertmessungen erlaubte und ein Oszillograf mit Speichermöglichkeit für niedrige Frequenzen.

Mit diesen Mitteln konnte der in Bild 2. gezeigte Verlauf der Rauschspannungsdichte für zwei E83CC (Siemens) aufgenommen werden.

 

Bild 2. Spektrale Rausschspannungsdichte E83CC (Siemens)
         durchschnittliche Werte bei U
A = 120 Volt,  IA = 1 mA

Der Verlauf der Rausschspannungsdichte ist typisch für die untersuchten Röhrenexemplare. Oberhalb von ca. 1 kHz liegen alle untersuchten Röhren relativ eng zusammen bei Werten deutlich unterhalb von 10. Unterhalb von 1 kHz steigt die Rauschspannungsdichte kontinuierlich mehr oder weniger stark an, in etwa umgekehrt proportional zur Frequenz (sog. 1/f-Rauschen). Die Röhren in diesem Beispiel sind die für den Vorverstärker ausgesuchten Exemplare. Sie weisen durchschnittliche Eigenschaften auf.

 

Bild 3. zeigt die beiden Exemplare (zwei E83CC /Siemens) mit den schlechtesten Rauscheigenschaften unter den insgesamt 34 untersuchten ECC83. (Anderer Maßstab der vertikalen Achse!)

Bild 3. Zwei E83CC mit relativ starkem tieffrequentem Rauschen.
U
A = 120 Volt,  IA = 1 mA 

 

Bild 4. zeigt die beiden Röhren mit den besten Rauscheigenschaften.

 

Bild. 4 Spektrale Rauschspannungsdichte von zwei ECC83 (Telefunken)
selektiert bzgl. guter Rauscheigenschaften.
U
A = 120 Volt,  IA = 1 mA

 

Die beiden hier gezeigten Exemplare stammen, soweit feststellbar, aus der Fertigung der frühen 60er Jahre (Raute, glatte Anodenbleche) und wurden einem gleich alten Mikrovoltmeter amerikanischer Herkunft entnommen. Es handelt sich offenbar um selektierte Exemplare.
Alle weiteren untersuchten ECC83 lagen in ihren Daten annähernd gleichmäßig verteilt zwischen diesen Extremen (s. Bild 5.).

 

Bild 5. Zwölf ECC83/E83CC/12AX7, unterschiedliche Fabrikate.
 U
A = 120 Volt,  IA = 1 mA.

 

Bild 5. schließlich zeigt die Kurven aller ECC83-Exemplare einschließlich der aus Bild2/3/4, die im ganzen Audio-Bereich vermessen wurden. Man sieht, daß die Streuung der Eigenschaften bei Frequenzen oberhalb von ca. 1 kHz relativ gering ist, im tieffrequenten Bereich (Bereich des 1/f-Rauschens) aber stark zunimmt. s.a. Fußnote 8-3.

Da der generelle Verlauf der Rauschdichte bei allen Röhren gleich war, wurde beim Rest der untersuchten Röhrenexemplare nur noch je ein Meßwert bei ca. 6 kHz und einer bei 20 Hz ermittelt. Damit sind diese Röhren i.a. ausreichend charakterisiert. Die mittlere Rauschspannungsdichte aller untersuchten ECC83 bei 6 kHz ergab sich dabei zu 6.0, der Mittelwert bei 20 Hz lag bei 56. Wie man der letzten Abbildung entnehmen kann, ist die Streuung bei 20 Hz aber wesentlich größer.

Die untersuchten Röhren, insgesamt 34, stammten von verschiedenen Hersteller-/Vertreiber-Firmen (Siemens, Valvo, Telefunken, General Electric, Toshiba, Mullard, Brimar, Ultron).  Herstellerabhängige Unterschiede konnten nicht festgestellt werden. Dazu reichte die Zahl der untersuchten Exemplare nicht aus. Es war aber auffällig, daß die rauschärmsten Exemplare alle vom Typ der 'normalen' ECC83/12AX7 waren. Röhren mit Langlebensdauerkathode (E83CC) hatten im Mittel schlechtere Rauscheigenschaften.

Die ECC808 ist eine Variante der ECC83 mit geringerer Mikrofonie- und Brummempfindlichkeit. Von dieser Röhre standen nur zwei Exemplare zur Verfügung. Ihre Rauscheigenschaften sind denen der ECC83 vergleichbar.

Bild 6. Zwei ECC808. UA = 120 Volt,  IA = 1 mA.

 

Auch die ECC88 wurde in einigen Fällen (z.B. Vorverstärker Counterpoint SA 5.1) in Phono-Vorstufen eingesetzt. Die Rauscheigenschaften von 12 willkürlich ausgewählten Exemplaren (aus insgesamt mehr als 20) zeigt Bild 7. Entsprechend ihren anderen Kenndaten wurden diese Röhren bei einem Anodenstrom von ca. 3 mA untersucht. Der Verlauf der Rauschdichte ist ähnlich wie bei der ECC83. Der Einsatz des 1/f-Rauschens erfolgt jedoch früher. Die Rauschdichten erreichen noch höhere Werte. Die dargestellten Kurven geben einen Eindruck von den auftretenden Streuungen. Nach den gemessenen Eigenschaften ist der Einsatz dieser Röhre in rauscharmen Vorstufen nur zu empfehlen, wenn rauscharme Exemplare aus einer größeren Anzahl von Röhren selektiert werden können.

Die 20 untersuchten Exemplare stammten wieder von verschiedenen Herstellern/Vertreibern (Siemens, Valvo, Hewlett-Packard, Amperex, Mullard, Ultron). Auch hier waren wegen zu geringer Zahl der untersuchten Exemplare keine Unterschiede zwischen den Herstellern zu erkennen.

Bild 7.  Zwölf ECC88/E88CC/6DJ8, unterschiedliche Fabrikate
U
A = 120 Volt,  IA = 3 mA. 

 

Bild 8. zeigt die beiden Exemplare mit dem geringsten Rauschen. Die Röhre von Mullard (Rö2 in Bild 8.) allerdings war für den Einsatz in Audioverstärkern wegen ihrer extremen Mikrofonieempfindlichkeit ungeeignet. Die E88CC von Siemens wurde im Vorverstärker eingesetzt.

 

Bild 8. Zwei ECC88/E88CC mit guten Rauscheigenschaften
U
A = 120 Volt,  IA = 3 mA. 

 

In der (mir zugänglichen) Literatur fand sich nur für einen einzigen Röhrentyp (EF86) eine Darstellung der Rauschdichte [11].
(Die Daten werden hier (Bild 9.) mit gewissem Vorbehalt wiedergegeben, da die Dimension der y-Achse in der in
[11] eingefügten Grafik anscheinend irrtümlich mit angegeben wurde. Dem Text ist allerdings zu entnehmen, daß gemeint war.)

 Bild 9. Spektrale Rauschspannungsdichten der EF86 für verschiedene Anodenströme nach [11],
80V < Ua < 130V,  88V < Ug2 < 145V

 

Wie aus Bild 9. zu sehen, ist die EF86 weniger gut für sehr rauscharme Verstärkung geeignet als etwa eine ECC83. Das ist auch theoretisch zu erwarten, da die Aufteilung des Kathodenstroms auf Anode und Schirmgitter ein zusätzliches Rauschen verursacht (Stromverteilungsrauschen), das bei Trioden entfällt. Zusätzlich läßt sich aus dieser Darstellung ablesen, wie sich das Rauschen in Abhängigkeit vom eingestellten Anodenstrom ändert. Weder ein relativ hoher, noch ein sehr niedriger Anodenstrom sind in Bezug auf geringes Rauschen optimal. In diesem Fall (EF86) liegt das Optimum bei ca. 1 mA. Das dürfte auch für die meisten anderen Vorverstärkerröhren gelten.

Die folgende Abbildung zeigt die Ergebnisse von eigenen Messungen an zwei Exemplaren einer EF86 und einigen EF806S/EF804/EF804S. Von diesen Röhrentypen standen nur die wenigen gezeigten Exemplare zur Verfügung. Hersteller war in allen Fällen Telefunken.

 

 

Bild 10a/b/c. EF86 und ähnliche rauscharme Pentoden.
U
A = ca. 150 V, UG = 160 Volt, IA = 1 mA.
    
(Vergrößerte Darstellung durch Anklicken der Abb.) 

Die beiden einzigen verfügbaren EF86 (Bild 10a) wiesen ein erheblich höheres tieffrequentes Rauschen auf als nach den Daten aus Abb. 9 zu erwarten wäre. Möglicherweise handelt es sich hier schon um Alterungseffekte. Vorgeschichte und Betriebsstundenzahl waren nicht mehr zu ermitteln. Die Spezialröhren (Bild 10b/c) dagegen entsprechen in ihren Rauscheigenschaften bis auf geringe Abweichungen den Werten aus Bild 9.

Zum Vergleich: Das Telefunken-Datenbuch gibt für die EF804S eine auf das Gitter bezogene bewertete Rauschspannung an von "ca. 2µV für den Frequenzbereich von 25...10 000 Hz gemessen mit einem Geräuschspitzenspannungsmesser mit Ohrfilter nach CCIF-Norm 1949". Dieser Wert ist eher schlechter als eine nicht bewertete Rauschspannung, die sich aus den obigen Kurven (Bild9 und Bild 10b/c) ergibt.
(
s.a. Fußnote 8-4)

Alle hier angeführten Rauschdaten machen natürlich keine Aussage über andere Eigenschaften einer Röhre, die auch noch wichtig sind für die Verstärkung kleiner Signale wie Mikrofonieempfindlichkeit, Brummempfindlichkeit, etc. Zu berücksichtigen ist auch, daß alle hier untersuchten Röhren 20...40 Jahre alt sind und unterschiedlich lange in Gebrauch waren.

 

Ein kleiner Vergleich mit der Halbleiterwelt zeigt, warum auch passionierte Röhrenfans bei speziellen Problemen (z.B. MC-Vorverstärker) auf Feldeffekttransistoren zurückgreifen (müssen).

 Bild 11. Rauschspannungsdichten für verschiedene Fet-Typen, ID = 1 mA, nach Herstellerangaben.

 

Bei den etwas willkürlich als Beispiel herausgegriffenen Typen BF244 und 2N4416 handelt es sich um ältere universell einsetzbare Sperrschichttypen (JFET) mit durchschnittlichen Rauscheigenschaften. Der 2SK170 ist ein neuerer, speziell rauscharmer Typ.

Die Unterschiede in den Rauscheigenschaften zwischen Röhren und Feldeffekttransistoren legen es nahe, sich vor dem Aufbau eines Entzerrer-Verstärkers mit Röhren (rechnerische) Gedanken darüber zu machen, ob man mit ihnen die geforderten Eigenschaften erreicht. Im folgenden Abschnitt 8.d werden gemessene Rauschdaten eingesetzt, um das zu erwartende Signal/Rausch-Verhältnis eines RIAA-Entzerrer-Verstärkers zu berechnen.
Diese Beispielrechnung zeigt auch, daß die deutlich besseren Rauscheigenschaften von Feldeffekttransistoren gegenüber einer ECC83 im vorliegenden Fall (Entzerrer-Verstärker für MM-Tonabnehmer) keinen wesentlichen Vorteil bringen.
(Beim Einsatz von MC-Tonabnehmern ohne Übertrager liegen die Dinge wesentlich anders. Dieser Fall wird hier aber nicht untersucht.)

 

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