EL 34: NF- Leistungverstärker - made in GDR
von Peter Salomon

Auch in der DDR wurden nicht nur die Röhren EL34, sondern auch damit NF-Leistungsverstärker gebaut.
Da spätestens seit Anfang der 60er Jahre die Beatmusik trotz ideologischer Bevormundung
auch vor DDR-Tanzschuppen nicht halt machte, wurden wegen der geforderten Lautstärke
entsprechend leistungsfähige NF-Verstärker gebraucht.

Kaufen ging nicht - gab´s nicht, also selber bauen war angesagt.
Viele der angehenden jungen Amateurmusiker hatten irgendwie eine elektrotechnische
Ausbildung, oder waren sonst technisch interessiert bzw. vorgebildet.
Anfangs begnügte man sich mit "Klein"-Verstärkern in Röhrentechnik von 10 bis 25W,
ausgestattet mit 2x EL84 im Gegentakt.
NF-Leistungsverstärker mit Transistoren waren damals noch ganz undenkbar.
Aber eine NF-Leistung von nur 10-25W auf der Bühne oder gar im Freien war bald viel zu
wenig.

Größere Leistungen können nur mit leistungsfähigeren Röhren erreicht werden.
(Die auch noch anstehenden Lautsprecher-Probleme sollen hier mal nicht betrachtet werden.)
Als nahe liegend kam dann die EL34 in Betracht - beschaffungsmäßig aber schon ein
schwieriger zu lösendes Problem, als mit der EL84, die in fast jedem Radio zu finden war.
Und wesentlich teuerer war sie auch, wenn mal der immer leere Geldbeutel junger Musiker
ins Kalkül zu ziehen ist.
Manchmal gab´s allerdings auch "überplanbestände" billig abzustauben und die
Organisationstalente waren republikweit tätig.

Mit 2x EL34 im Gegentakt bei 800V Anodenspannung sind immerhin nach Literaturangaben
100W NF-Leistung zu erreichen.
üblichen Anodenspannungen um die 250V recht gefährlich sind, ist mit 800V wirklich nicht
zu spaßen!
Hier sind die einschlägigen Vorschriften zum Umgang mit Hochspannung dringend zu
beachten. Da die Schirmgitterspannung mit 400V nur die Hälfte der Anodenspannung beträgt,
wurde ein handelsüblicher kräftiger Netztrafo (M102A von Fa. Neumann) mit 2x200V mit
Mittelanzapfung verwendet, der eigentlich für die Anwendung in einer Zweiweggleichrichterschaltung gedacht war.
Die Gleichrichtung wurde mittels Si-Halbleitergleichrichterdioden (die gab´s damals auch schon in der DDR für den Einsatz in Röhrenfernsehern als
Netzgleichrichter in Ablösung der dort vorher eingesetzten Selengleichrichter) in
Graetzschaltung vorgenommen. Elkos bis 500V Betriebspannung waren handelsüblich und
somit weniger das Problem. Die 800V Anodenspannung wurde deshalb aus einer
Spannungsverdopplerschaltung gewonnen, somit 2 Stück 500V-Elkos in Reihe zu schalten
waren. Damit war allerdings wiederum ein weiteres Problem geschaffen. üblicherweise
haben Elkos im Alu-Becher den Minus-Pol am Gehäuse und damit liegt das Gehäuse auf
Masse, also ungefährlich. Anders bei der Spannungsverdopplerschaltung, hier liegt
mindestens ein Gehäuse-Becher nicht auf Masse-Potential und muß deshalb isoliert montiert
und auch berührungssicher sein. Die Mittelanzapfung wurde für die Betriebspannung der
Vorstufen verwendet.
Reichlich Elkos waren also die Regel in solchen Verstärkerkonzepten.

Ein wesentliches Problem ist hier aber noch nicht angesprochen worden:
Der Ausgangstrafo.
Mit diesem Bauelement steht oder fällt die Qualität des ganzen Verstärkers. Nach
einschlägigen Wickelvorschriften soll zwar mit einem M102B-Kern ein 100W-Ausgangstrafo
realisierbar sein, aber mit dem verfügbaren Kernmaterial Dynamoblech III, vorzugsweise
geeignet für 50Hz-Anwendungen, sind die Verluste so hoch, dass die Leistung über das ganze
NF-Band auch nicht nur annähernd erreicht wurde.

Glücklicherweise fanden findige Bastler eine gangbare Lösung:
Die Vorschaltdrosseln der leistungsstarken Gasentladungslampen für die Straßenbeleuchtung
waren mit EI130B-Kernen ausgerüstet. Nun wurden die nicht einfach aus den Straßenlaternen
ausgebaut - soweit ging die Klauerei im Sozialismus nun auch wieder nicht, aber nicht wenige
der Drosseln landeten auf dem Schrottplatz, weil sie durchgeschmort waren. Es erforderte
dann halt nur der Kunst der Demontage und der Neuwickelei.
Günstig wirkte sich hier der viel größere Wickelraum aus, so dass die umfangreichen
Isoliermaßnahmen wegen der hohen Betriebspannung günstig eingebracht werden konnten.
Professionelle Tränkverfahren blieben den meisten Eigenbauern jedoch verwehrt, so dass es
immer dann mit besonderen Gefahren verbunden war, wenn der Verstärker mal im Leerlauf,
d.h. ohne Last betrieben wurde. Und das kam leider nicht selten vor, dass bei der
"Bühnenshow" schon mal das Lautsprecherkabel aus der Buchse gerissen wurde.
Die Induktivität des Ausgangstrafos bildet dann nämlich mit der Wicklungs-, Schalt- und
sonstigen parasitären Kapazitäten einen Schwingkreis, der bei ungünstiger Resonanzfrequenz
im NF-Bereich sehr hohe, bis in den mehrfachen kV-Bereich gehende Schwingamplituden
erreichen kann - mit durchschlagendem Erfolg im wahrsten Sinne des Wortes!
Dämpfungsschaltungen in Form eines so genannten Boucherot-Gliedes bringen zwar etwas
Abhilfe, sind aber immer ein Kompromiss hinsichtlich des Frequenzganges bei hohen
übertragungsfrequenzen.

Die thermischen Belastungen aller Bauelemente in einem solchen Verstärker, noch dazu,
wenn er sehr kompakt aufgebaut ist, sind enorm groß. Insbesondere bei den Koppelkondensatoren, die außerdem spannungsmäßig noch hoch belastet sind, können mit der Zeit
ernste Probleme durch Leckströme entstehen, die wiederum den Arbeitspunkt der EL34
soweit verschieben, dass diese "rote Backen" bekommt, d.h. das Anodenblech beginnt zu
glühen. Im Extremfall beginnt der Glaskolben weich zu werden und durch das Vakuum zieht
sich dieser dann in Beulen nach innen.
Als Koppelkondensatoren wurden deshalb nur hochwertige Typen mit zulässiger Betriebsspannung von 500V und erhöhter thermischer Festigkeit verwendet. Geeignet waren
insbesondere die so genannten "Sikatrop"-Kondensatoren ? Bauelemente hermetisch in einem
Keramikröhrchen beidseitig verlötet, allerdings ein wenig klobig.

Da die EL34 stets an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit und ein wenig darüber betrieben
wurde, war deren Lebensdauer sehr begrenzt, d.h. es musste dauernd für Ersatz gesorgt
werden - abgesehen mal von den "Unfällen", bei denen auch schon mal ein Bier in den
Verstärker geschüttet wurde.
Wegen den Beschaffungsschwierigkeiten bei der EL34 wurde auch über Alternativen
nachgedacht und auch solche erprobt.
Auf den ersten Blick sollte man annehmen, dass die EL36 bzw. die weit verbreitete PL36
(Zeilenendstufenröhre in allen Fernsehgeräten damals) eine solche Alternative sein könnte.
Dabei liegt jedoch nach Datenblatt die zulässige Betriebsspannung nur bei 250V, obwohl im
Betrieb impulsmäßig eine weit höhere anliegt. Das Problem ist aber die zulässige Anodenverlustleistung von nur 14W, anstelle der 25W der EL34.
Im praktischen Versuch zeigte sich, dass offensichtlich infolge der geringeren Kathodenergiebigkeit faktisch nur NF-Leistungen wenig über 60W möglich waren - bei sonst mit der
EL34 vergleichbaren Bedingungen. Hinzu kommt noch die durch die hohe Steilheit bedingt
wesentlich größere Schwingneigung, welche wegen der notwendigen Gegenkopplung nicht zu
beherrschen gewesen ist. Die PL36-Variante wurde verworfen

Folgende Aussage in ?www.roehrenbude.de/EL-34-Story? kann deshalb nicht bestätigt
werden:
"Bei einem Raa von 3,5 kOhm und einer Leistung dabei von über 44 Watt, einer Steilheit von
14 mA/Volt (EL 34 = 11 mA/Volt) ist sie eine wundervolle Leistungs-Endstufe, sie bietet der
EL 34 locker Paroli."

Später wurden noch mal überlegungen zum Einsatz der wesentlich leistungsstärkeren, aber
auch teureren PL500 gemacht. Zwischenzeitlich haben sich aber Konzeptionen mit
Parallelschaltungen von EL34 durchgesetzt, die dann auch mit einer Anodenspannung von
500-600V noch NF-Leistungen von weit über 100W ermöglichten.
Der Gipfel der Entwicklung war ein 400W-Verstärker mit 10x (!) EL34, natürlich dann
entsprechend groß und schwer.

Interessant ist vielleicht noch folgender Hinweis:
Einige Leute machten mit recht professionellen Eigenentwicklungen und KleinserienProduktion auf Anfrage auch mächtig viel "Kohle". Schließlich orientierte man sich bei der
Preisgestaltung an dem umgerechneten, d.h. 1:4- bis 1:6-fachen DM-Preis eines
vergleichbaren Verstärkers von z.B. Marschall oder Dynacord.
Andererseits waren natürlich auch die materiellen Aufwendungen bei der Produktion sehr
hoch. Schließlich mussten alle Teile, insbesondere die mechanischen, unter abenteuerlichen
Bedingungen beschafft werden. So hatte man z.B. Galvanik und Siebdruck sicherlich nicht in
der heimischen Werkstatt. Also wurden die "volkseigenen" Kapazitäten benutzt, d.h. die dort
tätigen Werker wurden mittels entsprechender "Kohle" solange überzeugt, bis sie statt den
volkseigenen Plan zu erfüllen, die Privatproduktion durchzuführen.
Das hat immer wunderbar funktioniert.

Vielleicht gibt es irgendwo noch ein Exemplar des 400W-Verstärkers "Made by dlawnurg",
Hersteller: P.Grunwald?



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