DIE GERADEAUS-EMPFÄNGER
von Wolfgang Holtmann

Die in der Anfangszeit gebrauchten Detektor-Empfänger wurden sehrbald durch einfache Röhren-Radios abgelöst. Man selektiert die zu empfangende Frequenz, um nach Verstärkung und Gleichrichtung, das gewonnene NF-Signal im Kopfhörer oder Lautsprecher wiederzugeben. Da keine Frequenzumsetzung (wie beim Superhet) erfolgt, also kein Umweg über eine Zwischenfrequenz genommen wird, spricht man von "Geradeaus-Empfängern".
In der Vergangenheit wurden sehr viele Bauvorschläge publiziert die oft Namen trugen wie 0-V-1.
Die Erklärung hierzu: Der Buchstabe -V- bedeutet der eigentliche Empfangsgleichrichter (Demodulator). Das kann eine Audion- oder Anodengleichrichter-Schaltung sein. Die 0- vor dem V sagt, dass keine HF-Verstärkerstufe vor dem Demodulator angeordnet ist. Die -1 dahinter bedeutet, dass ein einstufiger NF-Verstärker folgt. Danach ist also ein 1-V-2 ein Demodulator mit einstufiger HF-(Vor-)Verstärkung und zweistufiger NF-(Nach-)Verstärkung.
Die Möglichkeit, um (bei schwingender Rückkopplung) auch Telegraphie- oder Einseitenband- (SSB) Sendungen zu empfangen, lasse ich hier bewusst ausser Betracht.

Inhaltsangabe
  1. Eingangsschaltungen
  2. Rückkopplung
  3. HF-Vorverstärkung
  4. Gittergleichrichter (=Audion)
  5. Anodengleichrichter (=Richtverstärker)
  6. Vergleich der beiden Systeme
  7. Zusammenfassung
Um mir unnötige Arbeit zu ersparen, habe ich die Eingangsschaltung und die Rückkopplung nur einmal beschrieben, weil diese sowohl für das Audion, als auch für den Anodengleichrichter im Grundsatz gleich ist. Da ich mir vorgenommen habe, ausser der trockenen Theorie auch noch eigene Messungen (mit Oszillogrammen) hinzuzufügen, habe ich für die Beschreibungen den Volksempfänger VE 301Wn (0-V-1) gewählt. Mit rel. wenig Aufwand lassen sich hier die erforderlichen Anpassungen vornehmen.
Da wir uns nur auf die Empfangseigenschaften konzentrieren wollen, lassen wir den NF-Verstärker mit der RES 164 ausser Betracht.


1. Eingangsschaltungen

Ganz wichtig bei diesen einfachen Geräten ist der sorgfältige Umgang mit der von der Antenne gelieferten HF-Spannung! Was vor dem Steuergitter-Eingang der 1. Röhre verloren geht, ist kaum mehr gut zu machen. Das bedeutet optimale Anpassung, sowie minimale Verluste im Eingangskreis.

"Wozu hat man damals drei (!) Antennenbuchsen angebracht?"
Das hat mit der oben genannten Anpassung der Antenne auf den eigentlichen Schwingkreis zu tun. Man muss sich vorstellen, in der damaligen Zeit hatten die Leute alle möglichen Antennenformen installiert. Von einer 30m Langdraht-Antenne von Haus zu Haus gespannt, bis zum (metallischen) Bettgestell oder es wurden einfach ein paar Meter Draht auf die Fussbodenleiste genagelt.
Spule 5 ist schwenkbar angeordnet um das Antennensignal mehr oder weniger stark einzukoppeln. Damit ist zum Einen eine Lautstärkeregelung möglich, hat aber obendrein noch einen ganz wesentlichen Einfluss auf die Selektivität des Empfängers. Letztere ist zur Trennung von frequenzmässig dicht beieinander liegenden Stationen von Wichtigkeit. Dazu darf der Schwingkreis nicht zu stark durch die Antenne bedämpft werden. Eine 30m lange Antenne hat eine (hier ungewünscht) hohe 'Eigenkapazität'. Diese kann man 'elektrisch' verkürzen, indem man -via Buchse A2- einen Kondensator von 300cm mit ihr in Reihe schaltet.
Mit ‚cm’ wird nicht die Abmessung des Kondensators angegeben, sondern war früher die Einheit des Kapazitätswertes! Heute sagen wir pF, wobei 1cm = 1,1pF ist.
An Buchse A1 können Kurzdraht-Antennen angeschlossen werden. Buchse A3 liegt an einer Anzapfung der Antennenspule 5. In vielen Fällen sind die Empfangsergebnisse damit noch optimaler. Man sollte ruhig mal alles ausprobieren!
Ich will hier kurz andeuten, dass man den Aufwand in den Eingangsschaltungen bei hochwertigen Empfängern noch weiter getrieben hat. Nicht alle hatten eine Rückkopplung, so dass eine höhere Selektivität mit mehrkreisigen Bandfiltern erzielt wurde. Das bedeutet wiederum den Einsatz von 2- oder (bei HF-Vorverstärkung) 3fach Drehkondensatoren. Diese müssen natürlich im ‚Gleichlauf’ sein, d.h. die Abstimmung der einzelnen Kreise darf über den zu empfangenden Frequenzbereich nur wenig voneinander abweichen. Der mech. und elektr. Aufwand hierfür trieb die Herstellungskosten sehr in die Höhe!

"Wie funktioniert die Wellenbereich-Umschaltung bei unserem Volksempfänger?"
Die Spulen 6 & 7 und der Drehkondensator 9 bilden den eigentlichen Schwingkreis. In der gezeichneten Schalterstellung ist nur die LW-Spule 6 wirksam. Auf diese wird die Antennenenergie von der schwenkbaren Spule 5 eingekoppelt. Will man auf MW umschalten wird die Spule 7 parallel zur Spule 6 gelegt. Das ist zu vergleichen mit der Parallelschaltung von zwei Widerständen, d.h. die Gesamtinduktivität verringert sich auf den für den MW-Empfang gewünschten Wert. Da die LW-Spule 6 auch ein Teil des MW-Schwingkreises geworden ist, ist die Einkopplung von der Antennenspule 5 her beinahe gleich geblieben.

2. Die Rückkopplung (Regeneration)

"Welche Vorteile bringt uns die Rückkopplung?"
Besser müsste man sagen: welche Vorteile und Nachteile. Zunächst besprechen wir die Vorteile:
Obwohl man durch Verwendung von Litzendraht und keramischer Isolation des Drehkos auf geringstmögliche Verluste geachtet hat, ist eine weitere Steigerung (Aufschaukelung) der HF-Spannung am (Parallel-) Schwingkreis bei dieser einfachen Empfangsschaltung gewünscht. Man erreicht das, indem wir (jedesmal zur richtigen Zeit!) der ‚Schaukel’ einen wohl dosierten Stoß verpassen. Damit werden die noch vorhandenen Verluste (=Reibung in unserem Vergleich) mehr oder weniger kompensiert. Eine 10fache Steigerung der Empfindlichkeit ist durchaus erzielbar.
In Abb.1 ist zu sehen, dass die verstärkte Rest-HF an der Anode der Audion-Röhre abgegriffen und dem Schwingkreis wieder zugeführt wird. Dieser Rückweg, man sagt: diese Rückkopplung nimmt den Weg über den 180cm Drehko (für die Dosierung) zur Spule 6a. Bekanntlich ist aber das Signal an einer Anode gegenüber dem Signal am Steuergitter um 180 Grad gedreht, also ‚gegenphasig’. Da wir aber die ‚Schaukel’ jedesmal im richtigen Moment anstossen wollen, müssen wir die gegenphasige Spannung von der Anode nochmals (!) um 180 Grad drehen um wieder in gleicher Phase zu sein. In der gezeigten Schaltung wird die Teilwicklung 6a dafür entgegengesetzt angeschlossen.

"Ich habe ein altes Radio, da wird die Rückkopplung mit einer schwenkbaren Spule eingestellt"
Das ist ebenfalls möglich. Anstatt der beschriebenen ‚kapazitiven’ Regelung des zurückgekoppelten Stromes, kann man die Spule 6a (jetzt aber getrennt von Spule 6) mehr oder weniger der Spule 6 nähern. Man nennt das eine ‚induktiv veränderliche Rückkopplung’. Dann kann der Rückkopplungs-Drehko entfallen und durch eine Festkapazität (wegen der Gleichstromtrennung) ersetzt werden. Noch einfacher ist es, die Rückkopplungs-Spule in den Anodenstromkreis aufzunehmen. Natürlich muß auch hierbei auf die richtige Phasenlage geachtet werden, sonst wird aus der ‚Mitkopplung’ eine ‚Gegenkopplung’.
Die hier gezeigte Rückkopplungsschaltung ist ein vor (!) dem Schwingungseinsatz betriebener Oszillator nach Meißner. Aber auch Dreipunkt-Oszillatoren nach Hartley oder Collpits, sowie die ‚elektronengekoppelten’ (ECO) Varianten sind im Prinzip möglich.
Manchmal sieht man auch eine Rückkopplungsregelung durch Beeinflussung der Verstärker-Eigenschaften der Röhre selbst. Hierbei wird die Anoden- oder Schirmgitterspannung mit einem Poti geregelt.

"Wieso kann ich mit diesem Empfänger andere Rundfunkteilnehmer stören?"
Ich habe schon angedeutet, dass das Rückkopplungs-Prinzip (wie zu erwarten) auch Nachteile hat.
Wenn man es mit dem ‚Rückkoppeln’ übertreibt, also mehr Spannung zurückführt als für das Ausgleichen von Verlusten nötig wäre, dann überschlägt sich die Schaukel! Die Schaltung wird zum Oszillator (=Sender) auf der eingestellten Frequenz, die der Nachbar ebenfalls empfängt. Die Störwelle kann durch das Fehlen einer Vorverstärkerstufe nun ungehindert zur Antenne gelangen.
Ein weiterer Nachteil ist die durch übertriebene ‚Entdämpfung’ gewonnene Spannungsüberhöhung am Schwingkreis, die gleichzeitig mit einer Verschmälerung der Empfangs-Bandbreite einhergeht.
Abb.2 macht das deutlich. Weil sich die hohen Töne ja frequenzmäßig weiter von der Trägerwelle entfernt befinden, fallen diese dann zuerst unter den Tisch!
Gut, die Lautstärke und Selektivität nimmt zwar zu, aber für die Übertragung des sowieso schon senderseitig beschnittenen NF-Frequenzbandes, ist doch eine gewisse Bandbreite für den Empfang von Musikdarbietungen erforderlich!


3. Hochfrequenz-(Vor)verstärkung

"Warum schaltet man davon nicht einfach 3 oder 4 Stufen hintereinander?"
Gerade in der Anfangszeit des Rundfunkempfangs -ich spreche von den 20er Jahren- sah man sich dazu gezwungen. Die damals üblichen Trioden hatten zu wenig Verstärkung in den benutzten Wellenbereichen.
Obendrein waren die Sendeleistungen noch recht bescheiden.
Der Hauptnachteil bei einer übertriebenen Verstärkung auf ein und der selben Frequenz, sind die Schwingneigungen durch Rückwirkungen innerhalb eines Röhrensystems. Diese Qual ist durch die unvermeidbare kapazitive Kopplung zwischen Anode und dem Gitter einer Triode verursacht. Diese kann man (per Stufe) kompensieren -damals nannte man das ‚n e u t r a l i s i e r e n’ - indem ein wohldosierter Teil der verstärkten HF gegenphasig (!) auf den Eingang der Verstärkerstufe zurückgeführt wurde. Sehr betriebssicher war diese Notlösung nicht!
Mit Einführung der Schirmgitter-Röhre (etwa um 1930) war das oben erwähnte Problem gelöst. Die Anoden / Steuergitter Kapazität war minimal und die Steilheit wurde auch deutlich verbessert. Eine einstufige Vorverstärkung (teilweise von Hand regelbar) war meistens vollkommen ausreichend.
Ich will noch kurz weitere Arten von Geradeaus-Empfängern ansprechen, die -in den 30er Jahren- eine gewisse Daseinsberechtigung hatten.
Gemeint sind die mehrstufigen Empfänger, welche kein Audion oder Anodengleichrichter, sondern eine Diodenstrecke zur Demodulation benutzten. Es hatte sich langsam herumgesprochen, dass sich hiermit eine bessere Klangqualität erreichen läßt. Viele Hörer wollten gerne dafür auf den Fernempfang verzichten.

"Was ist ein REFLEX-EMPFÄNGER?"
Eine andere Lösung war die einstufige HF-Verstärkung mit anschliessender Diodengleichrichtung. Die gewonnene NF wurde dann auf das Gitter zurückgeführt (Reflex-Prinzip) und die gleiche (!) Stufe wird nun zur NF-Verstärkung (also doppelt) genutzt!
Unter der Rubrik: SONDER- (KUNST-) SCHALTUNGEN will das noch näher erläutern.

4. Die Funktion des Audions

Die Audion-Empfangsschaltung -oft einfach nur 'Audion’ genannt- war bis in die 30er Jahre ein guter Kompromis zwischen Aufwand, Empfindlichkeit und Wiedergabequalität.
Mit einer einzigen (!) Röhre gelingt mit einer Langdrahtantenne in den Abendstunden selbst Europa-Empfang. Fügt man noch eine zweite Röhre hinzu, ist sogar Lautsprecher-Empfang möglich.
Es ist leicht einzusehen, dass die höhere Verstärkung der Pentode beim VE 301Wn gegenüber einer Triode im VE 301W deutlich bessere Empfangsergebnisse liefert. Weiterhin kann bei einer Pentode (hoher Ri) der Anpassungstrafo entfallen. Der niedrigere Innenwiderstand einer Triode erfordert jedoch eine Aufwärtstransformation (1:4) für eine optimale Anpassung an den hohen Eingangswiderstand der Endpentode. Das kommt leider der Klangqualität nicht zu Gute!
Das Audion wird auch oft als "Gittergleichrichter" bezeichnet, weil man das Steuergitter als eine Gleichrichter-Anode betrachten kann. Die dort gewonnene NF wird direkt zur eigentlichen Steuerung des Anodenstromes genutzt. Einfacher geht’s nicht!
Bei der Audion-Schaltung liegt die Kathode an Masse, das bedeutet bei fehlendem Antennensignal, dass ausser einer kleinen neg. Spannung (ca. -0,7...-0,8V hervorgerufen durch den Anlaufstrom), weiterhin keine neg. Vorspannung vorhanden ist. Damit hat man bei der Dimensionierung des Anoden- und Schimgitterwiderstandes Rechnung getragen, um eine Überlastung der Röhre zu vermeiden.
Der Gitter-Kathoden Strecke wird über die Parallelschaltung von einem Kondensator (100 cm) und einem Widerstand (2 M Ohm) die hochfrequente Wechselspannung angeboten. Oft sieht man den Entladewiderstand auch als Gitterableitwiderstand geschaltet. Für die pos. Halbwelle stellt die g1-k Strecke einen niedrigen, und für die neg. Halbwelle einen hohen Widerstand dar. Betrachtet man die Gitterstrom/Gitterspannungs-Kennlinie in Abb.3 (nicht verhältnisgleich mit dem Anodenstrom gezeichnet!), liegen Spannungen bis ca. Minus 1,2 V noch im Gitterstrombereich! Daher wird bei den kleinen HF-Pegeln die neg. Halbwelle nicht vollkommen gesperrt. Diese Belastung des Eingangskreises ist dem Audion eigen.

Bei den in den 20er Jahren benutzten d i r e k t geheizten Batterie-Röhren war der Gitterstromeinsatz recht unterschiedlich. TELEFUNKEN gibt an, dass dieser bei gewissen Typen (hauptsächlich bei Wolfram- und Thoriumfäden) bereits bei -2 bis -1 V, bei anderen (hauptsächlich Oxydfäden) oftmals erst bei +1, +2 und sogar +3 Volt (auf das neg. Heizfadenende bezogen) liegt.
Daher sieht man oft den Rg (Gitterableitwiderstand) bei der RE 084 mit dem pos. Heizfadenende verbunden. Noch genauer kann man mit einem Poti parallel zum Heizfaden (Rg am Schleifer) den Arbeitspunkt bestimmen.

Der Kondensator wird durch die HF-Spannung in kurzer Zeit aufgeladen und durch den Widerstand nur wenig entladen. Es stellt sich am Gitter gegenüber der Kathode (zusätzlich zur den oben genannten -0,7...-0,8V) eine negative Richtspannung ein. Das bewirkt gleichzeitig eine Verlagerung des Arbeitspunktes der Röhre nach links.
Wird nun die HF-Spannung in ihre Höhe verändert, d.h. in ihrer Amplitude moduliert, schwankt auch der Wert dieser neg. Spannung am Steuergitter im Takte der NF, was eine dementsprechende Änderung des Anodenstromes zur Folge hat. Man kann nun die verstärkte NF-Spannung dort abgreifen.


5. Die Funktion des Anodengleichrichters

Hierbei findet die ‚Gleichrichtung’ nicht an der Ig1 / Ug1 Kennlinie statt, sondern die NF ensteht sozusagen an der Anode. Da man auch von einer Verstärkung sprechen kann, nennt man diese Schaltung auch "Richtverstärker".
Die Kennlinie in Abb.3 macht deutlich, dass der Arbeitspunkt (im Gegensatz zum Audion) auf den unteren Knick der Ia / Ug1 Kennlinie gelegt ist. Diese feste neg. Vorspannung kann man durch einen entsprechend hohen Kathodenwiderstand (mit Elko überbrückt) automatisch erzeugen, oder zusätzlich -wie bei Jogis SABA 520WL auf die Kathode eine kleine pos. Spannung geben. Weil ja keine Gittergleichrichtung erfolgt (daher fehlt die R-C Kombination), also auch kein Gitterstrom fließt, wird der Schwingkreis viel weniger belastet. Da nun im weniger steilen Gebiet gearbeitet wird, ist die Demodulations-Empfindlichkeit gegenüber der Audion-Schaltung etwas geringer. Aus dem selben Grund muss auch stärker zurückgekoppelt werden.
Grob betrachtet kann man sagen, nur die pos. Halbwellen der HF steuern die Röhre aus, während die negativen (weil im Sperrgebiet) wirkungslos bleiben.
Ich habe kurzerhand die Verdrahtung um die AF 7 geändert, so dass sie praktisch dem NORA W 28 entspricht. Auf eine weitere Siebung der +Ub konnte ich verzichten, weil die 260 V= aus einem seperaten Netzteil gewonnen wurde. Abb.4 zeigt die Unterschiede.


6. Vergleich der beiden Systeme

Grundsätzlich ist bei beiden Systemen mit Unlinearitäten bei sehr kleinen, sowie bei sehr großen Eingangssignalen zu rechnen. Letztere kann man durch geeignete Maßnamen verhindern, z.B lose Einkopplung, Reduzierung durch Verstärkungsregelung oder bei Ortssendern, mit einem Eingangs-Spannungsteiler.
Um die wirklichen Empfangsverhältnisse mit einem modulierbaren Prüfsender nachbilden zu können, müssen wir von einer normalen Zimmerlautstärke ausgehen. Laut den Messvorschriften ist diese bei 50 mW erreicht. Bei unserem VE 301Wn bedeutet das etwa 1,5 Volt NF-Spannung am g1 der Endröhre (= Anode der AF 7).
Da die Impedanz (der Wechselstromwiderstand) des direkt im Anodenstromkreis geschalteten Lautsprechers vom Typ ‚Freischwinger’ sehr (!) stark von der angelegten Frequenz abhängig ist (200 Hz ~5k, 400 Hz ~10k, 800 Hz ~>20 kOhm), habe ich für die Untersuchungen einen (korrekt abgeschlossenen) AÜ mit Z = 10k Ohm gebraucht.
Der Klirrgrad wurde mit einem ‚hp 331A Distortion-Analyzer’ gemessen.
Hinweis: Wegen der Reproduzierbarkeit der Ergebnisse, habe ich verständlicherweise die Rückkopplung n i c h t aktiviert.

"Welches System ist empfindlicher?"
Trotz der stärkeren Belastung des Eingangskreises hat das Audion hier leichte Vorteile, weil im oberen (=steileren) Teil der Kennlinie gearbeitet wird.

Hier die Meßergebnisse (mit AF 7) in Tabellenform:

  AUDION ANODENGLEICHRICHTER
Empfindlichkeit: 5,3 mV 8,0 mV
Klirrgrad m= 30 % ca. 2,8 % ca. 3,5 %
Klirrgrad m= 85 % ca. 11,0 % ca. 7,5 %

Anmerkung:
Der 11 %ige Klirrgrad (bei 85 %iger Modulation) des Audions erscheint nicht allzu hoch. Man muß jedoch bedenken, dass die NF-Endstufe (RES 164) mit AÜ und Parallel-Kondensator eine deutliche Einengung des Frequenzbereiches ergibt. Somit fällt das Ergebnis günstiger aus als man aus den Oszillogrammen (Abb.6 und 9) an der Anode der AF 7 erwarten kann.
Der Klirrgrad (ca. 1 %) der Sendermodulation ist nicht mit einbezogen.

"Einige Sender klingen verzerrt, andere wiederum nicht. Wie kommt das?"
Eigentlich muß man auch noch die Modulationstiefe der angebotenen Signale mit einbeziehen.
Das ist mehr und mehr ein Stein des Anstosses beim Betrieb der Nostalgie-Radios geworden. Mit Hilfe von Oszillogrammen der beiden Schaltung will ich probieren, die Ursachen der Störungen beim Empfang von stark modulierten Sendern (heutzutage mehr die Regel als die Ausnahme!) zu finden.

DAS AUDION
Die folgenden Bilder zeigen die Reaktion unseres Audion-Empfängers auf ein s t a r k moduliertes Signal!
Ich habe dem Audion jedesmal genau soviel HF-Spannung angeboten, dass die erwähnten 1,5 V ~ (= 4,2V Spitze-Spitze) für die Endstufe zur Verfügung stehen. Das entspricht weitgehend den Hörgewohnheiten.
Abb.6 zeigt unten die mit 85 % modulierte Trägerwelle und oben das v e r z e r r t e Ausgangssignal!
In Abb.5 sind die Spannungsverhältnisse am Steuergitter oszillographiert. Die in den Lehrbüchern oftmals ideal dargestellte Abtrennung der pos. HF-Halbwelle ist in Wirklichkeit nicht gegeben, weil die g1-k Strecke dafür eben nicht auf 0 Ohm zurück geht! Dadurch ist die Gleichrichtung an der Gitterstrom / Gitterspannungs-Kennlinie nicht linear, sondern durch die Art der Krümmung mehr oder weniger quadratisch.

Abbild 5 Abbild 6
(Mit der Maustaste das jeweilige Bild anklicken, es wird dann in voller Auflösung dargestellt.)

In Abb.8 sehen wir unten das mit 25 % modulierte Sender-Signal, welches am Antenneneingang eingespeist wird. Darüber ist das Ausgangssignal an der Anode der AF 7 dargestellt. Man erkennt, dass der NF-Schwingung auch noch HF-Reste überlagert sind. Diese werden -wie schon besprochen- für die Rückkopplung gebraucht, aber dann in der Endstufe mit einem Kondensator unterdrückt.
Mit dem Auge sind bei 25 % iger Modulation so gut wie keine Abweichungen von der Sinusschwingung zu erkennen, was einem nahezu unverzerrten Empfang gleich kommt.
Die NF, welche (auch) der neg. Seite der Hüllkurve aufgeprägt ist, bleibt weitgehend ausserhalb des Gitterstrombereiches. Siehe Abb.7

Abbild 7 Abbild 8
(Mit der Maustaste das jeweilige Bild anklicken, es wird dann in voller Auflösung dargestellt.)

Um oben beschriebene Erkenntnisse zu untermauern, habe ich versuchsweise die HF-Gleichrichtung (bei den angegeben Pegeln) von der eigentlichen NF-Verstärkung getrennt.
Als Diode diente eine EABC 80 und die AF 7 bekam einen Kathodenwiderstand für die richtige Arbeitspunkteinstellung. Weiterhin habe ich noch eine Gleichspannungstrennung mit einem Koppelkondensator hinzugefügt. Diese Empfangsanordnung wurde "Nestel-Audion" genannt, obwohl der Name ‚Audion’ unglücklich gewählt ist. Es ist in Wirklichkeit eine Diodengleichrichtung mit nachgeschalteter NF-Verstärkung.
Da nun die NF (!) - Verstärkung im geradlinigen Bereich der Kennlinie verschoben ist, sind die Verzerrungen etwas (!) weniger geworden. Die Abkappung bei der Demodulation bleibt aber bestehen, weil diese in der Diodenschaltung bzw. Gittergleichrichtung selbst verursacht wird!
Wegen der fehlenden Vorverstärkung ist die angebotene HF-Amplitude für eine verzerrungsarme Gitter-Demodulation oftmals zu gering.

"Warum schaltet man nicht einfach eine Verstärkerstufe davor?"
Leichter gesagt wie getan! Das Audion hat leider nur einen sehr schmalen verzerrungsarmen Arbeitsbereich. Daher sieht man eine HF-Vorstufe meistens bei der ‚Anodengleichrichter-Schaltung’ angewendet. Bei Übersteuerung der Audion-Schaltung ergeben sich nämlich neue, negative Effekte, die in der Literatur mit ‚ungewollte Anodengleichrichtung’ und ‚Rückmodelung’ umschrieben werden. Im Band 4 von Barkhausen steht genaueres darüber.

DER ANODENGLEICHRICHTER
Da hauptsächlich die pos. Halbwellen der modulierten HF eine Anodenstromänderung bewirken, ergibt sich eine um 180 Grad phasenverschobene Anodenwechselspannung.
Abb.9 zeigt unten die mit 85 % modulierte Prüfsenderfrequenz und oben das verzerrte Ausgangssignal an der Anode. Die Ursache hierfür muss diesesmal in der immer vorhandenen Krümmung im unteren Teil der Kennlinie gesucht werden. Die neg. Modulationsspitzen bewirken kaum noch eine Anodenstromänderung, was an der Abkappung der pos. Halbwelle der Ausgangsspannung sichtbar ist.
Bei 25%iger Modulation (siehe Abb.10) bleiben die erwähnten Modulationsspitzen im mehr linearen Teil der Kennlinie, daher sind kaum Verzerrungen sichtbar bzw. hörbar.

Abbild 9 Abbild 10
(Mit der Maustaste das jeweilige Bild anklicken, es wird dann in voller Auflösung dargestellt.)

7. Zusammenfassung

Ein Großteil der heutigen AM-Sender produziert Spitzenmodulationen von nahezu 100 %!! Jeder kann sich davon überzeugen, indem man einen Oszillographen an die letzte ZF-Stufe eines Superhets anschließt. In der Vergangenheit war das sicherlich nicht der Fall. So hat der techn. Fortschritt die alten Empfänger mit Gitter- oder Anodengleichrichtung ins Abseits gedrängt.
Doch sollte man nicht verzagen, auch im Vorausblick auf die Digitalisierung des LW / MW Rundfunks:
Man baue sich einen schwachen (!) AM-Sender und verbindet diesen direkt mit den Antennenbuchsen eines Nostalgie-Radios. Sauber, und nicht zu tief moduliert, bringt er dann u n s e r Wunschkonzert wie Anno-dazumal!

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