Betriebswert-Berechnungsbespiel für eine 6AS7G
von Kurt Schenk

Kurt Schenk schrieb im Forum (5.3.06) anlässlich einer Frage nach den optimalen Betriebswerten, hier einer 6AS7G: Hallo, Steve.
Es ist recht einfach, anhand eines Rechenbeispiels die optimalen Betriebswerte - hier für einen Gegentakt-A-Verstärker - zu ermitteln.


Deinen Wunsch bezüglich Ia=20mA sollte man vergessen, weil in diesem Bereich die Kennlinien derartig gekrümmt sind, daß die Verzerrungen unerträglich werden. Deshalb habe ich diesen Bereich im Diagramm ausgegrenzt.

Ausgehend von Deiner Ua_=250V und der max. Verlustleistung PAV=13W, gleichbedeutend mit der Nichtüberschreitung des Grenzbereichs der Lasthyperbel, setze ich den Arbeitspunkt bei Ua=250V und Ia_=50mA fest. Da es sich um einen Gegentakt-A-Verstärker handelt, verdopple ich den Ia_ und zeichne eine Gerade bei 2*Ia_ ein.

Da die Röhren nicht in den Gitterstrombereich gefahren werden sollen, begrenze ich nicht, wie üblich bei Ug=0V, sondern bei Ug=-2V, um auf der sicheren Seite zu agieren. Den Schnittpunkt der 2*Ia_-Geraden mit der von Hand eingezeichneten -2V-Gitterlinie verbinde ich mit dem Arbeitspunkt und erhalte die Lastgerade.
Die abzulesende Restspannung beträgt Ur=35V.
Der Rest ist schnell berechnet: RA = (Ua_ - Ur) : Ia
RA = (250V - 35V) : 50mA
RA = 4300 Ohm
(RA ist der Widerstand der Einzelröhre in der GA-Schaltung.)
Raa = 2 * RA
Raa = 2 * 4300 Ohm
Raa = 8600 Ohm
und
PA = (Ua_ - Ur) * Ia_
PA = (250V - 35V) * 50mA
PA = 10,75W

Für den Ruhestrom Ia_=50mA ist im unteren Diagramm für Ua_=250V eine Gittervorspannung von Ug=-135V abzulesen.

Dieses Beispiel ist auf maximale Leistungsausbeute ausgelegt. Unbeachtet bleiben dabei Verzerrungen bzw. Klirrfaktor, die in diesem Rechenbeispiel außergewöhnlich groß sind. Um den Klirrfaktor zu minimieren, ist ein günstigerer Arbeitspunkt zu wählen und mit niedrigerer Anodenspannung zu arbeiten.
Das Rechenexempel zeigt, daß es gar nicht so schwer ist, anhand von Diagrammen seinen Verstärker ohne fremde Hilfe zusammenzustellen.
MfG Kurt

Tom Schlangen schrieb im Forum zu Kurts Rechenbeispiel nun folgendes:

Hallo Kurt,
ich beziehe mich auf Dein Berechnungsbeispiel für eine Trioden-Gegentaktendstufe in Klasse A, wozu ich nach einigem Grübeln eine Frage habe.
Du liest in Deinem Beispiel im IaUg-Schaubild im Arbeitspunkt 250V @ 50mA eine einzustellende Gittervorspannung von ca. -135V ab, indem Du das Lot vom Arbeitspunkt (Ruhezustand) auf die Ug-Linie fällst. Nun nehmen wir mal an, wir steuern die beiden Systeme gegentaktmäßig um +/- 15V (bei Ua = const. 250V) aus, d.h., das eine System hat -150V am Steuergitter, das andere -120V. Ich lese dazu nun aus dem Schaubild ab, dass dann durch das mit -150V vorgespannte System ca. 20mA Anodenstrom fließen, und durch das mit -120V vorgespannte System ca. 100mA, siehe folgendes Bildchen:


Zusammen sind das nun 120mA, und nicht mehr 2 * 50mA = 100mA; erklärlich und bedingt durch die starke Krümmung der Kennlinie unterhalb des Arbeitspunktes bei dem nun negativer vorgespannten System.
Ich interpretiere das nun so, dass es mit der wie in Deinem Beispiel graphisch per Lotfällung bestimmten Gittervorspannung Verzerrungen um den Übernahmepunkt herum gibt. Ist diese Interpretation richtig?
Falls ja, dann könnte man vielleicht - um im Beispiel einer graphischen Arbeitspunktermittlung zu bleiben - etwas interpolieren: Wenn man ab Arbeitspunkt etwas "höher" geht, wo die Kennlinie etwas schwächer gekrümmt ist, und dort eine Tangente ansetzt (als Annäherung an den Mittelwert der Summe der gegenläufigen Kurven (eine davon ja um 180% gedreht, da Gegentakt)) und bis zur Ug-Linie fortsetzt, dann erhält man einen etwas negativeren Gittervorspannungswert von etwa -145V für beide System, siehe folgendes Bildchen:


Das bedeutet einen etwas geringeren Gesamtruhestrom im Ruhearbeitspunkt (statisch), aber auch eine höhere Stetigkeit der Summe_ beider Einzelanodenströme bei Aussteuerung (dynamisch), was ich als geringere Verzerrungen interpretieren würde. Ist diese Interpretation richtig?
Ich möchte vorsichts- und sicherheitshalber anmerken, dass es mir nicht darum geht, Deine Vorgehensweise im Beispiel zu kritisieren; mir geht es lediglich um das (eigene) bessere Verständnis der Thematik. Auch ist mir klar, dass das von Dir gemachte Beispiel halt nur ein Beispiel ist, und dass die anhand meiner Überlegungen zu wählende Gittervorspannung weniger als 10% von Deinem Ergebnis abweicht, und dass diese geringe Differenz wahrscheinlich in der Toleranz der real existierenden Röhren (gerade 6AS7G...) untergehen dürfte.
Falls meine Überlegungen richtig sind, so kann mir vorstellen, dass eine zusätzliche Interpolation (statt Lotfällung) unter bestimmten Bedingungen signifikant werden könnte, zum Beispiel wenn man den Arbeitspunkt noch weiter "herunter" in den stärker gekrümmten Bereich der Kennlinie verlegt, zum Beispiel wenn man aus Effizienzüberlegungen mehr auf Betriebsart Klasse A/B oder gar B abzielt. Was meinst Du?
Grüße,
Tom Schlangen

Kurt Schenk antwortete darauf:

Hallo Tom,
deine Überlegungen sind richtig und sollten als Verfeinerung in Jogis Röhrenbude aufgenommen werden. Denn ein routinierter Entwickler legt den Arbeitspunkt sowieso höher an als ich ihn in meinem Beispiel mit der Pi-mal-Daumen-Regel festlegte.
MfG Kurt

- Toms Antwort daraufhin:

Hallo Kurt,
danke Dir für die Überprüfung.
Interessant scheint mir noch sozusagen als Nebenprodukt dieser Überlegungen zu sein, dass der Ruhearbeitspunkt bei einem Gegentaktverstärker - anders als bei einem Eintaktverstärker - offensichtlich nicht zwangsweise auf der Lastgeraden liegen muss. Im ersten Moment erscheint das zwar seltsam, aber dieses Beispiel scheint das ja zu bestätigen.
Zu dem konkret zu wählenden Punkt, an dem man die Tangente ansetzt, fällt mir leider nicht viel ein. Den im Beispiel verwendeten Punkt mit 2 * Ia(Ruhe Einzelsystem) habe ich eher nach Augenmaß gewählt; mir ist nicht ganz klar, ob der Zusammenhang zu 2 * Ia wirklich so simpel ist. Zumindest scheint es wenigstens im vorliegenden Beispiel eine gute Übereinstimmung damit zu geben.
Grüße,
Tom

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