DER "NEGADYN" EMPFÄNGER
von Wolfgang Holtmann
In den alten Büchern der 20er und 30er Jahre findet man hier und da Bastelvorschläge für eine
Empfangsschaltung mit einer Raumladegitter-Röhre die den Namen "NEGADYN" trägt. Man sagt ihr hervorragende
Leistungen nach, und das bei minimalem Aufwand!
Nach meinen Nachforschungen waren es die Herren NUMANS und ROOSENSTEIN, welche um 1923 in den Niederlanden erste
Schaltungsvorschläge veröffentlichten.
Wenn man sich die Schaltung in Abb.1 so anschaut, kommt direkt die Frage auf:
"Wie soll sowas überhaupt funktionieren und warum werden beide Gitter angesteuert?"
Eine Erklärung wird meistens nicht gegeben, oder in einer Weise, dass man als Anfänger nicht viel klüger
wird. Und manchmal sogar falsch, wie in der FUNK-TECHNIK Nr.13/1949. Dort hat C. Möller selbst die unbeteiligten
‚Sekundärelektronen’ für die Rückkopplung verantwortlich gemacht!
Es gab vor dem Krieg sicherlich einiges an Artikeln in den Fachblättern dazu, aber ‚wohin ist das alles, wohin?’ Ja,
und was aus dem ‚Barkhausen’ abzuschreiben ist nicht so mein Fall!
Ich will daher Schritt für Schritt versuchen, mit eigenen Worten und Experimenten, mehr Deutlichkeit in die doch etwas
komplizierte Funktion zu bringen.
Zum besseren Verständnis müssen wir uns die Besonderheiten der Raumladegitter-Röhren vor Augen halten. Mehr
über Raumladegitter-Röhre findet man unter
http://www.jogis-roehrenbude.de/Radiobasteln/Raumladegitter.htm
In Abb.2 sind die Kurven für den Anodenstrom (Ia) und den Raumladegitterstrom (Irg) in Abhängigkeit von der
Steuergitterspannung (Ug) für die RE 074d dargestellt. Von Wichtigkeit ist das ‚gegenläufige’ Verhalten der beiden
Stromkurven bei dieser Röhrensorte, d.h. steigt die Steuergitterspannung (in pos. Richtung), steigt zwar -wie
gewohnt- der Anodenstrom, aber der Raumladegitterstrom nimmt ab (fallende Kennlinie) !!
Das Steuergitter kontrolliert also die Stromverteilung zwischen Anode und Raumladegitter.
Manchmal wird auch der Ausdruck ‚Bremsfeldsteuerung’ verwendet, weil die anstürmenden Elektronen durch ein negatives
Steuergitter abgebremst, und u.U. zum Raumladegitter zurückgetrieben werden.
Schritt 1
Zunächst betrachten wir die Strom und Spannungsverhältnisse am Steuer- und Raumladegitter getrennt.
Abb.3 zeigt eine Raumladegitter-Schaltung, wobei das (heizfadennnahe) Raumladegitter über den Widerstand Rb mit der
Plusspannung verbunden ist. Jeder Spannungsanstieg an Punkt A wird über den Kondensator C (für die
Gleichspannungstrennung) auf das (anodennahe) Steuergitter übertragen, was aus oben genannten Gründen eine
Verringerung des Raumladegitterstromes zur Folge hat. Das bedeutet wiederum einen verstärkten und gleichphasigen
Anstieg der Spannung an Punkt B. Steuergitter und Raumladegitter sind daher in Phase, um es mal vereinfacht
auszudrücken!
Man erkennt, dass hier das Raumladegitter so zusagen die Rolle einer Anode übernommen hat, aber ohne die
sonst übliche 180Grad Phasendrehung! Die eigentliche Anode hat in diesem Falle nur eine Hilfsfunktion und liegt
fest an +Ub.
Anm.: Mit dem Poti P kann man die Gittervorspannung in gewissen Grenzen einstellen.
Das Ra auch an +Ub liegt, tut im Moment nichts zur Sache!
Schritt 2
Um eine Mitkoppelung (=Rückkopplung) zu erreichen, müssen wir für eine Rückführung der
verstärkten und gleichphasigen Spannung vom Raumladegitter zum Steuergitter sorgen. Dazu habe ich in Abb.4 das
Raumladegitter mit dem Steuergitter verbunden (verkoppelt), d.h. auch an Punkt A gelegt. (der Kondensator dient zur
Gleichspannungsabtrennung). Der Raumladegitterstrom fließt jetzt über den gemeinsamen Widerstand Ra nach +Ub.
Man kann die Elektronenstrecke: Heizfaden > Raumladegitter auch als ‚steuerbaren’ Widerstand Ri betrachten.
Wie schon gesagt: Jedesmal wenn am Punkt A (und damit auch am Steuergitter) die Spannung in pos. Richtung steigt, nimmt der
Raumladegitterstrom durch Ra ab, was diesen Spannungsanstieg an Punkt A somit weiter unterstützt!
Das Verhalten der Röhre hat daher die Eigenschaft eines ‚negativen Widerstandes’ bekommen, auch wenn erst der
Umweg über das Steuergitter genommen werden muß!
Ich will es noch auf eine andere Art erklären:
Da der Ri wechselspannungsmäßig(!) dem Ra parallel liegt, wird der Ra durch den ‚negativen Ri’ entdämpft.
Nachdem Ausdrücke wie‚ ‚neg. Widerstand’ und ‚Entdämpfung’ gefallen sind, müsste eigentlich die Frage
aufkommen:
"Kann man damit nicht auch Schwingungen erzeugen?"
Das ist sehrwohl möglich. Jeder kann mal mit einer EF 83 oder EF 86 die Anordnung nach Abb.5 aufbauen und Kippschwingungen
an der Anode, wie in Abb.6, feststellen.
(Mit der Maustaste das jeweilige Bild anklicken, es wird dann in voller
Auflösung dargestellt.)
"Warum muß die Heizspannung regelbar sein ?"
Es mag deutlich sein, dass der (röhreninterne) neg. Ri in einem bestimmten Verhältnis zum Widerstand Ra sein
muß! Der Ri läßt sich (praktisch nur) durch die Emissionsstärke der Kathode bzw. des Heizfadens
beeinflussen. Diese Notwendigkeit ist bei allen NEGADYN-Schaltungen anzutreffen, da der gewünschte Effekt
bei der EF 83/86 (z.B.) zwischen 5...6 Volt auftritt. Bei den alten, direkt geheizten 4 Volt Batterie-Röhren nur bei
einer Unterspannung von ca. 2...3 Volt!
Das schadet (im Gegensatz zu den indirekt geheizten Barium-Kathoden) den letztgenannten Röhren aber nicht, wirkt selbst
Lebensdauer verlängernd.
"Warum ist das Steuergitter mit der Kathode verbunden?"
Wie schon im obengenannten Link erklärt: die Pentoden sind von der Konstruktion her keine Raumladegitter-Röhren.
Da diese schwer zu beschaffen sind, hat man nach Auswegen gesucht, um mit herkömmlichen Typen das Verhalten einer
Raumladegitter-Röhre nachzubilden. Aber nur wenige sind dazu geeignet. Ich komme zum Schluß nochmals darauf
zurück.
Würde man in Abb.5 das 1.Gitter als Raumladegitter benutzen, fliessen die Elektronen größtenteils nach +Ub
ab. Es ist oftmals zu dicht an der Kathode und/oder zu engmaschig gewickelt. Das Schirmgitter der Pentode dient daher als
Raumladegitter und das Bremsgitter hat jetzt die Funktion des Steuergitters übernommen.
Schritt 3
Ersetzen wir nun den Ra durch einen L-C Schwingkreis, siehe Abb.1, findet aus den bereits genannten Gründen ebenfalls
eine ‚Entdämpfung’ desselben statt.
Durch die kontinuierlichen Umladungen im Schwingkreis entstehen jetzt Sinusschwingungen! Diese Oszillator-Schaltung
trägt den Namen "Numans-Roosenstein", nach ihren Erfindern.
In den USA wurde diese Anordnung unter dem Namen TRANSITRON bekannt.
Vorteile dieses Oszillators:
- Nur eine Spule ist erforderlich.
- Mit einem zweiten (Parallel-)Schwingkreis in Reihe mit dem ersten, ist ein Doppelfrequenz- Oszillator leicht zu verwirklichen.
- An der Anode läßt sich die erzeugte Frequenz durch die ‚Elektronenkopplung’ (ECO) mit wenig Rückwirkungen
auskoppeln.
Nachteile:
- Die Schwingungen sind stark von der Heizspannung abhängig!
- Diese sollte möglichst fein von Hand einstellbar sein.
Schritt 4
Nun ist es noch ein kleiner Schritt zum NEGADYN-Empfänger. Siehe Abb.1.
Wir wissen, dass sich in jedem rückgekoppelten Empfänger eine Oszillatorschaltung verbirgt. Somit ist der oben
beschriebene Oszillator auch die Basis für die NEGADYN- Empfangsschaltung. Natürlich ist darauf zu achten, das die
ganze Angelegenheit nicht ins Schwingen gerät, was mit der Heizspannungsregelung in den Griff zu bekommen
ist.
Weiterhin erkennt man auch die Audion-Funktion, d.h. die (Steuer-) Gittergleichrichtung mit dem Widerstand
R und Kondensator C.
Die Antennenspannung kann kapazitiv oder induktiv an den (auf die Empfangsfrequenz) abgestimmten Schwingkreis eingekoppelt
werden. Da dieser direkt mit dem Raumladegitter verbunden ist, also die volle +Ub führt, sollte man die Erde über
einen Trennkondensator (ca.0,1 µF) anschließen. Wer diesen (im Zuge der Sparmaßnahmen) noch wegfallen lassen
möchte, kann einfach die +Ub auf Masse legen und dafür die -Ub ‚hochlegen’.
Plötzlich fällt es uns wie Schuppen aus den Haaren: Die eingangs gemachte Vermutung einer vermeintlichen
Ansteuerung auf ‚beide’ Gitter, hat das Verständnis der Funktionsweise doch schwer behindert! Aus diesem Grunde zeichne
ich immer noch den Anschluß des Raumladegitters in der NEGADYN-Schaltung, mit einer ‚krummen’ Linie. Als ob diese
Verbindung für den Empfang zweitrangig ist! Sieht zwar nicht so schön aus, aber mir hat’s auf jeden Fall sehr
geholfen.
Vergleichende Messungen
Zum Schluß wollen wir noch gerne wissen:
"Ist der NEGADYN-Empfänger nun besser oder schlechter als ein normaler Rückkopplungs-Empfänger?"
Hierfür habe ich zum Vergleichstest meinen RADIOMANN aus den 50er Jahren hergenommen und damit drei Empfangsschaltungen
aufgebaut.
Gemessen wurde die modulierte HF-Spannung am ‚Eingang’ welche am Kopfhörer-‚Ausgang’ (nachgebildet durch einen 2,2 k
Widerstand) eine NF-Spannung von 10 mV erzielte. Es wurde jedesmal mit angezogener Rückkopplung gemessen!
Anm.:Bei allen drei Schaltungen ist eine Regelung der Heizspannung und der Gittervorspannung für optimale
Ergebnisse notwendig!
Endergebnisse:
Die in der Literatur oft gelobte NEGADYN-Schaltung nach Abb.1, schneidet -wider Erwarten- mit 8 mV HF
schlecht ab! Eine zusätzliche Feinregelung der Heizspannung kann ich nur wärmstens empfehlen!
Ein brauchbarer Tipp hierzu:
Anstatt einer zusätzlichen Feinregelung der Heizspannung, habe ich per Zufall eine viel praktischere Lösung
gefunden: Mit einem kleinen, schwachen Magnetstück in der Nähe der Röhre, lassen sich ebenfalls die
Elektronenbahnen in der gewünschten Weise beeinflussen. Auf eine Achse (mit Drehknopf) montiert, kann man viel genauer
die optimale Einstellung der Rückkopplung finden. Auch fällt die lästige Zeitverzögerung, gegeben durch
die Wärmeträgheit des Heizfadens bzw. Kathode, weg! Einen Patentschutz habe ich dafür schon eingereicht ...
Anm.: Die DM 300(N) aus den 50er Jahren (die mit dem runden Stempel) zeigt in dieser Anordnung ein wesentlich
günstigeres Verhalten, und dass bei nur 1,7 Volt Heizspannung! Weiterhin ist mir aufgefallen, dass sich eine Art
automatische Lautstärkeregelung bemerkbar macht. Eine Erhöhung der HF-Eingangsspannung ließ die NF am
Ausgang rel. gering ansteigen. Schon aussergewöhnlich: Schwundregelung mit einem 0-V-0 !!
Dabei ist diese Röhre normalerweise nicht für Raumladegitterschaltungen geeignet. Diese Erscheinung wird sicherlich
mit der frühzeitigen ‚Sättigung’ bei der extremen Unterheizung zusammenhängen.
(Mit der Maustaste das jeweilige Bild anklicken, es wird dann in voller
Auflösung dargestellt.)
Mit der Schaltung nach Abb.7 wurde eine deutliche Verbesserung erzielt. Nicht nur die Empfindlichkeit (2 mV
HF) konnte verbessert werden (durch eine geringere Belastung des Schwingkreises), auch die Bedienung der Rückkopplung
mit der Schwenkspule ergibt weitaus stabilere Betriebsbedingungen.
Abschließend zeigt Abb.8 das Rückkopplungs-Audion des RADIOMANNES (mit kleinen Abweichungen von
der Orginalschaltung).
Mit 0,9 mV HF, bringt er den besten Empfang !
"Mit welchen gängigen Röhrentypen kann ich mir einen NEGADYN-Empfänger bauen?"
Ich habe selber ein bisschen experimentiert und komme zu diesem vorläufigen Ergebnis:
Die bereits erwähnten EF 83/86 und auch die PF 86 eignen sich nicht für Empfangsversuche.
Die EF 80, EF 89 zeigen schlechte, während die EF 85 (Uf ca. 5 V) gute Ergebnisse zeigt. Noch besser geht’s mit der
EF 98 und EF 183 (Uf ca. 4 V). Siehe Abbildung 9.
Wer keine bessere Spule zur Hand hat, kann’s mal mit einer abgebrochenen Ferritantenne nach Abb.10 probieren.