Der Pseudo-Gegentakt-Nachbrenner mit der PL 505
von Burkhard Kainka



Der Versuchsaufbau

Mein Stereo-Verstärker mit vier EL504 aus meiner Bastelecke lief bis jetzt im Eintakt-Parallelbetrieb mit 60 V als Nachsetzer für meine Mini-Kompaktanlage. Der originale Klang war zumindest mit den mitgelieferten Lautsprechern nicht akzeptabel. Mit zwei Röhrenradios als Lautsprecherboxen war es schon besser, aber immer noch etwas sandig. Mit einer Eintakt-Röhrenendstufe und großen Boxen war der Sound richtig schön rund. Nur wenn ich mal voll aufdrehen wollte, kam ich an die Grenze der Aussteuerung mit deutlichen Verzerrungen.
Als mir dann Johannes seinen Verstärker mit zwei 811-Senderöhren an 300 V vorgeführt hatte, war die Sache klar: Ich brauche auch mehr Spannung! Jetzt laufen meine vier EL504 mit 120 V Anodenspannung und sind damit nach Paragraph 1 der Bastelecke nicht mehr jugendfrei. Deshalb möchte ich die Schaltung hier in Jogis Röhrenbude vorstellen. Wer sich hierhin verirrt, schreckt sowieso schon vor nichts mehr zurück. ;-)

Was ich hier vorstelle, ist kein üblicher Röhrenverstärker, sondern nur ein Nachsetzer für eine vorhandene Anlage mit genügend Ausgangsleistung, die aber eben nicht den "richtigen Klang" besitzt.
Der Nachbrenner braucht also keine große Verstärkung. Deshalb werden die Endröhren direkt vom Lautsprecherausgang der Anlage angesteuert.
Die Prämissen für meinen Verstärker waren:
Erstens soll er nichts kosten, sondern mit dem vorhandenen Material auskommen.
Zweitens soll er mit der EL504 arbeiten, weil ich eine Tüte davon billig gekauft habe.
Und drittens will ich 30-W-Netztrafos 115 + 115 V : 12 + 12 V als Ausgangsübertrager verwenden, weil mir davon mal einige zugelaufen sind.
Die Trafos habe ich übrigens schon in Eintakt-Endstufen bis 100 mA Ruhestrom gestestet und konnte keine Anzeichen von magnetischer Sättigung erkennen. Allerdings ist die Induktivität zu gering um bis herab auf 20 Hz zu kommen. Die untere Grenzfrequenz sinkt aber, wenn man den Übertrager sehr niederohmig einsetzt, also bei relativ kleiner Anodenspannung und großem Anodenstrom. Und genau da kommen Zeilenendröhren wie die PL504 ganz groß raus, siehe Kennlinienfeld bis über 700 mA! In Gedanken kann man sich die Kurvenschar zu kleineren Spannungen hin erweitern, entscheidend ist immer die Spannung an G2. Auch bei nur 60 V bleibt da noch reichlich Strom.


Bisher war die Eintaktschaltung mit einem kleinen Kathodenwiderstand von 39 W ausgerüstet, am Steuergitter lag nur ca. -1 V. Die Schirmgitterspannung wurde klein gehalten, um Verzerrungen durch Tetrodeneffekte zu vermeiden. An der Schaltung habe ich immer mal wieder was geändert. Hier der letzte Stand der Eintakt-Version:


Die bisher verwendete Eintaktschaltung
Die Eintakt-Endstufe hat schon einige Eigenschaften, die für einen guten Klang sorgen. Vor allem wird der Lautsprecher nicht bedämpft, weil die Pentodenschaltung einen hohen Innenwiderstand hat. Mit den verwendeten Lautsprechern konnte eine Resonanzüberhöhung bei 80 Hz gemessen werden, was die Tiefen gut betont. Außerdem bringt die leicht gekrümmte Röhrenkennlinie den typischen Röhrenklang. Weil der Eingang sehr niederohmig ist und keinen Koppelkondensator braucht, bleibt der Arbeitspunkt konstant, auch wenn Gitterstrom einsetzt.

Gegengewicht
Bei eisenlosen Endstufen kennt man die Variante, dass eine Röhre nur als Stromquelle mit möglichst hohem Innenwiderstand arbeitet. Das geht auch mit Eisen.
Die rechte Röhre hat nur die Aufgabe, ein Gegengewicht zur linken zu bilden. Das bringt zwei Vorteile: Erstens hebt sich die Magnetisierung im Kern auf, und zweitens wird ein mögliches Brummen der schlecht gesiebten Anodenspannung kompensiert. Ansonsten ist es aber immer noch eine Eintakt-Endstufe.


Eine Röhre als Gegengewicht
Mit dieser Schaltung wurde auch die höhere Anodenspannung von 120 V gestestet. Nun sind größere Kathodenwiderstände möglich. Die Röhren arbeiten mit einer Gittervorspannung von -6 V und einem Anodenstrom von ca. 30 mA pro Röhre. Die Schaltung verhält sich immer noch wie eine Eintakt-Endstufe, ist aber besonders brummfrei.

Die Pseudo-Gegentaktschaltung
Und hier kommt die Schaltung, wie ich sie jetzt betreibe. Verbindet man nun beide Kathoden, steuert die linke Röhre die rechte gegenphasig an. Wenn links der Anodenstrom steigt, gibt es mehr Spannungsabfall an den Kathodenwiderständen und damit mehr Gittervorspannung für die rechte Röhre, deren Anodenstrom damit sinkt.
Die Schaltung kennt man von Phasenumkehrstufen in Gegentaktverstärkern. Hier wird sie jedoch in der Endstufe verwendet.
Mit einem gemeinsamen Kathodenwiderstand von 100 W ergibt sich ein Ruhestrom von 60 mA.


Die Pseudo-Gegentaktstufe
Warum eigentlich nur Pseudo? Weil die rechte Röhre tatsächlich geringer ausgesteuert wird als die linke. Für den gewählten Arbeitspunkt schätze ich eine Steilheit von 10 mA/V für jede Röhre. Damit ist der Eingangswiderstand der rechten Röhre als Gitterbasisverstärker 1/S = 100 W. Der Kathodenwiderstand hat auch 100 W und klaut damit den halben Signalstrom. Die rechte Röhre ist also weiterhin ein Gegengewicht zur linken, hilft aber bei der Aussteuerung etwas mit.
Das Ergebnis kann sich sehen und hören lassen. Bei fast Vollaussteuerung mit einem Sinus sieht man mit dem Oszilloskop an den Kathoden schon die typischen unsymmetrischen Röhrenverzerrungen. Am Lautsprecher ist aber alles wieder sauber, d.h. die rechte Röhre bügelt mit ihrer gegenläufigen Krümmung das meiste wieder aus. Bis nahe an die Vollaussteuerung bleiben die Verzerrungen sehr gering.
Die Schaltung bringt jetzt genau die Power, die ich brauchte. Mit dem Eingangsteiler kann ich meine Kompaktanlage voll aufdrehen, ohne die Endstufe zu übersteuern.
Für das Netzteil verwendet ich einen Trafo mit 2 * 24 V. Alle vier Röhren werden in Reihe an 24 V geheizt. 48 V wird zweimal Einweg-Gleichgerichtet und bringt etwa 2 mal 60 V.

Vorschläge für weitere Experimente und Verbesserungen
Also ich bin jetzt eigentlich schon zufrieden, aber man könnte die Sache noch etwas verbessern. Allerdings habe ich das nicht ausprobiert, sondern stelle es hier nur zur Diskussion.
Wenn man statt des Kathodenwiderstands eine Konstantromquelle einsetzt, arbeitet die rechte Röhre mit der gleichen Aussteuerung wie die linke. Dann ist es eine echte Gegentakt-Endstufe.


Verwendung einer Transistor-Konstantstromquelle
Man könnte vielleicht noch mit anderen Emitterwiderständen experimentieren. Der Transistor ändert übrigens nichts am Klang, weil er selbst nicht aktiv verstärkt, sondern nur den Gesamtstrom beider Röhren stabilisiert. Der Emitterwiderstand bestimmt den Ruhestrom.
Die vorgestellten Pseudo-Gegentaktendstufen haben gegenüber üblichen AB-Gegentaktendstufen noch einen Nachteil: Wenn die linke Röhre schon sperrt, spielt auch die rechte nicht mehr mit. Die ganze Sache funktioniert also nur, solange alles noch im A-Betrieb bleibt.
Aber auch da gibt es eine Möglichkeit. Wenn wie im vorgesehen Anwendungsfall genug Steuerleistung vorhanden ist, kann man eine der Röhren über die Kathode ansteuern. Sie arbeitet dann das Gitterbasisstufe mit umgekehrter Phase und geringem Eingangswiderstand. Nun wird jede Röhre für sich angesteuert, auch wenn die andere Seite schon lange gesperrt ist. Die Schaltung powert also auch im B-Betrieb noch weiter.
Ob das wirklich schön klingt, weiß ich nicht genau, aber jedenfalls sehr laut. Und man hat bei mittlerer Aussteuerung im A-Betrieb mehr Reserven für hohe Peaks.


Gegentakt mit Kathodenstufe und Gitterbasisstufe
Kann sein, dass man noch etwas daran herumfeilen muss. Die richtige Wahl der Widerstände hängt von der tatsächlichen Steilheit der Röhre im Arbeitspunkt ab. Solange man noch im A-Betrieb bleibt, müssen die beiden Hälften ja nicht sehr symmetrisch sein. Aber für Vollaussteuerung ist vielleicht ein Abgleich besser, vielleicht mit einem Trimmer am Gitter der linken Röhre.

Es würde mich freuen, wenn jemand die Schaltung auch mal mit anderen Röhren oder mit noch mehr Spannung ausprobiert. Ich selbst bin mit der einfachen Pseudo-Gegentaktversion im A-Betrieb so zufrieden, dass ich sie gar nicht mehr ändern will.

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