Der Achtundzwanzigröhrenreceiver mit UKW-Röhrenradio im Mahagonigehäuse
von Jörg Borchers



Angefangen hatte alles mit einer Wette. Es hieß, das man den Mischer und die Bandfilter aus einem serienmäßig produzierten Gerät nicht für ein Eigenbauradio verwenden könne. Zu dem Mischer, den beiden Bandfiltern kam noch ein Stereodecoder hinzu. Das wollte ich wiederlegen.

Im Originalschaltplan des Röhrenradios, wie es früher vom Händler kam, kreiste zuerst der Rotstift. Alles, was nicht gebrauchte wurde, flog heraus. LW, KW und MW entfiel komplett. Auch der Originalverstärker aus dem Gerät sollte nicht sein. - Übrig blieb eine geringe Menge an Bauteilen. Diese wurden gleich durch neue Bauteile ersetzt. Nach dem Ausschlachten - in der Theorie - wurde der Schaltplan des Radios zur besseren Übersicht neu gezeichnet. Und danach musste das Platinenlayout und der Bestückungsplan neu erstellt werden.

(Sämtliche Schaltbilder, Platinenlayouts, Bestückunspläne und Stücklisten kann man sich (der Einfachheit halber, es sind SEHR viele...!), in einem Zip-File zusammengefasst, am unteren Ende dieser Seite herunterladen !)






Und nach dem fertigen Bestücken kam der Probelauf. Nein - es spielt nicht. Falsch bestückt? - Aber das war nicht der Fehler. Nachdenken, war angesagt. Dann verstellte ich die Bandfilter sehr vorsichtig - und siehe da, das Radio spielte.
(Eine Stückliste zu dem Bestückungsplan vom UKW-Teil ist nicht vorhanden, die Werte der Bauteile ist im Bestückungsplan eingetragen.)

Die Skala ist aus der Originalskala ausgeschnitten worden.


Die Wette war zwar gewonnen, aber ein Stereoradio ohne Endstufe, ohne Gehäuse - das taugt nichts. Eine Endstufe, dann gleich eine mit Leistung. Die Wahl fiel auf eine Gegentaktendstufe mit 4 x EL34. Aber bei der Leistung musste eine Klangregelung her und der Plattenspieler braucht einen Entzerrvorverstärker. Und wenn man mit einem Kopfhörer Musik hören will? Einen Kopfhörer mit 4 x EL34 betreiben? Nein - also für Kopfhörerbetrieb muss eine eigene Verstärkerstufe her. Und eine Aussteuerungsanzeige soll auch her.
Nur, woher die passenden Schaltungen nehmen, wenn man vorher kaum mit Röhren zu tun hatte?

Also wurden Elektronik-Zeitschriften und Bücher über Röhren zur längeren Lektüre.
In dem Buch "Highend mit Röhren" von Gerhard Haas aus dem Elektor-Verlag fand ich fast alles.
Der Vorverstärker, die Klangregelung, der Kopfhörerverstärker, die Endstufen - alles stand in diesem einzigen Buch. Auch die Platinenlayouts und Bestückungspläne sind darin enthalten. Netzteilschaltungen sind auch mehrere vorhanden.

Doch woher die Aussteuerungsanzeige nehmen? Darüber fand ich nichts - also selbst entwerfen. Ein hässliches Zeigerinstrument wollte ich nicht haben - aber was soll man sonst nehmen. Ein altes Tonbandgerät mit Röhren brachte mich auf die Idee, ein magisches Auge zu nehmen. Nur wie wird es gemacht? Dann viel mir das Buch "Röhrentechnik ganz modern" von Winfried Knobloch in die Hände."
Darin war ein Schaltplan mit einer EMM801 abgedruckt - aber ein magisches Auge für zwei Kanäle - dass gefiel mir nicht. Für jeden Kanal ein eigenes magisches Auge - das war gefordert.

Also habe ich den Schaltplan, das Platinenlayout und den Bestückungsplan selbst entworfen.

Nun ging es an die Netzteilplanung. Wie viele verschiedene Betriebspannungen brauche ich?
Was für Ströme fließen? Das ganze sollte auch nicht ständig ausfallen, nur weil irgendeine Betriebsspannung zusammenbricht. Der Schaltplan wurde immer größer.
Dann folgte das erste Layout der Platine. Die Größe eines DIN A4 Blattes reichte bald dafür nicht mehr aus - drei verschiedene Platinen für das Netzteil entstanden.


Zum Gerät noch ein WICHTIGER Hinweis: Die Betriebsspannungen sind Lebensgefährlich!

Als Nächstes wurden die Endstufen aufgebaut. Doch dabei merkte ich, das die Röhren im Buch von Gerhard Haas auf der Bestückungsseite sitzen. Da bei meinem Gerät die Röhren komplett von außen auf dem Gehäuse sitzen sollen, ging es also so nicht. Deshalb wurden alle Bestückungspläne spiegelbildlich neu gezeichnet und auch die Platinen danach geätzt. Nun sind alle Röhrenfassungen auf der Lötseite angebracht. - Aus diesem Grund stimmen die Bestückungspläne aus dem Buch von Herrn Haas natürlich NICHT mit den von mir verwendeten überein! Auch die Stücklisten zu den Platinen sind zum Teil anders.

Nun folgte der Aufbau vom Vorverstärker.

Darauf folgte die Klangregelung. Und wieder kam etwas zum Vorschein, was geändert musste.
Im Original sind die Potis der Klangregelung mit auf der Platine angebracht. Aber so waren diese für meine Zwecke zu dicht zusammen angebracht. Erneut wurden neue Platinenlayouts angefertigt - dieses Mal nur für die beiden Potis. Die Potiplatinen wurden mit der Hauptplatine vor dem Einbau in das Gehäuse mit abgeschirmter Leitung verbunden.


Jetzt war der Verstärker für den Kopfhörer an der Reihe. Hier brauchte ich außer dem spiegelbildlichen Aufbau nichts mehr dran zu ändern.

Zum Entzerrer. Im Original ist für jeden Kanal eine separate Platine. Damit aber die Röhren auch wie bei den anderen Vorverstärkern sitzen sollten, habe ich ein komplett anderes Layout und Bestückungsplan angefertigt. Beide Kanäle sind jetzt auf einer Leiterplatte untergebracht.


Die Platine der Eingänge wurde ebenfalls nach meinen Bedürfnissen angepasst. Die eigentliche Umschaltung der Audiosignale geschieht über Relais, die von einem Tastensatz geschaltet werden. Für das UKW-Teil ist zusätzlich ein weiteres Relais auf der großen Netzteilplatine untergebracht, dass die Anodenspannung ein- und ausschaltet. Die Cinchbuchsen für den Entzerrer sind nicht mit auf dieser Platine, diese sitzen extra auf einer eigenen Platte weil diese Buchsen zur Verstärkermasse KEINE Verbindung haben dürfen und gut abgeschirmt werden müssen. Sonst legt man sich eine Masseschleife. (War bereits passiert...)
Auch muss die Platine im Gehäuse komplett abgeschirmt werden, denn sonst handelt man sich ein unschönes Brummen ein.
Nachdem alle Platinen bestückt waren und alle Trafos sowie Übertrager da waren (Experience, Gerhard Haas), kam die Planung vom Gehäuse.
Da ich keine besonderen Möglichkeiten habe, ein Metallgehäuse aus Messing oder Aluminium anzufertigen, entschied ich mich für ein Holzgehäuse. Nur wie groß muss es sein. Wieder war Nachdenken angesagt...

Ich druckte alle Bestückungspläne maßstabsgerecht aus. Auf einem Bogen Karton der Größe A0 legte ich diese Ausdrucke so, das alle Vorstufenröhren in einer Flucht waren. Anschließend habe ich die Ausdrucke auf dem Karton angeklebt. Die VU-Anzeige wurde nach den Vorstufen ausgerichtet und auch befestigt. Die Abstände der einzelnen Stufen wurde so gewählt, das noch die Verdrahtung zwischen den Platinen verlegen kann. Auf die gleiche Art wurden die Endstufen ausgerichtet. Danach folgten die Platinen vom Netzteil und UKW-Teil. Auch der Mischer musste mit eingeplant werden. - Und nachdem ich alle Bestückungspläne aufgeklebt hatte, stellte ich die Trafos und Übertrager auf den Karton.
Nun stand Breite und Tiefe für das Gehäuse fest: 71 cm breit und 65cm tief.




Nun fehlte noch die Höhe. Deshalb wurde als nächstes die Frontplatte geplant. Die gedrehten Bedienelemente aus Messing der Potis waren schon fertig. Auf dem Reststück des Kartons legte ich alle Bedienelemente, wie es am besten passte. Auch die Skala, die Abstimmanzeigeröhre, die Kopfhörerbuchse und der Tastensatz mussten an ihren endgültigen Platz. Aber die Führung des Skalenseiles musste JETZT mit bedacht werden. Über der Skala musste noch etwas Platz für die Seilführung bleiben. Auch die Beschriftung der Frontplatte musste mit einkalkuliert werden.
Nun stand die Höhe für das Gehäuse fest: 13cm. Aber auch das Design der Vorderansicht war dadurch fest gelegt.


Dann plante ich die Rückseite vom Gehäuse. Lautsprecheranschlüsse, Eingänge, Antennenanschluss und Netzzuleitung. Auch das Design der Verstärkerrückseite lag nun fest.


Nun konnte das Gehäuse hergestellt werden. Als Material habe ich 4mm Sperrholz gewählt. Zur Stabilität wurden zusätzlich Leisten in den Ecken gesetzt. Da von Außen keine Befestigungsschrauben wurden wollte, wurde an jeder Stelle, wo später eine Befestigungsschraube sitzt, einen Holzstück eingeleimt. In diese Holzstücke wurde vorher ein 3mm Loch gebohrt, mit einer Schraube M3 versehen und diese mit Industriekleber gesichert. Die so entstandenen Platinenhalter wurden mit den Platine verschraubt und mit Industriekleber eingeklebt.






Nach dem Abbinden des Leimes, wurden alle Platinen entfernt. Nun waren alle Befestigungspunkte vorhanden. Als nächstes folgte ein kompletter Aufbau, mit allen Platinen. Auch alle Bedienelemente mussten eingebaut werden. Elektrisch verbunden wurde nichts. Jetzt ging es darum, die Führung des Skalenseiles funktionssicher zu erstellen. Verschiedene Seilrollen und der Antrieb mussten her. Die Reste des Originalradios dienten als Spender. Lagerböcke mussten aus Holz hergestellt werden. Als Achsen sind Schrauben M3 verwendet. An den passenden Stellen, wurden die Lagerböcke eingeleimt. Nach dem sicheren Abbinden des Leimes, kam die Funktionsprobe des Skalenseiles. Dazu wurde der Mischer fest eingebaut und das Skalenseil gespannt. Nachdem die einwandfreie Funktion überprüft war, ist alles erneut ausgebaut worden.




Die Abstimm- und Stereoanzeige musste auch noch angebracht werden. Erneut dienten die Überreste des Originalradios als Spender.


War nun alles eingeplant und nichts vergessen worden? Wieder wurde alles eingebaut und anhand des Signalweges die Funktion theoretisch überprüft. Nirgends ein Fehler? Dann wurde erneut alles ausgebaut.

Der Signalweg
(Mit der Maustaste das Schaltbild anklicken, es wird dann in voller Auflösung dargestellt.)

Jetzt war es so weit, die äußere Optik konnte gemacht werden. Jede Menge schleifen, war angesagt. Der letzte Schliff vor dem beizen wurde mit 240er Körnung ausgeführt.
Mahagoni sollte es sein. Gebeizt wurde mit einem Schwamm. Nach dem Beizen wurde erneut geschliffen - dieses Mal mit 600er Körnung.

Das gebeizte Gehäuse ist noch zu beschriften. Frei Hand - dass sieht nicht aus. Siebdruck auf Holz geht nicht, es bildet sich keine saubere Kante bei der Schrift. Eine Alternative fand ich beim blauen C.






Nun war staubfreie Arbeit angesagt. Die Lackierung mit Klarlack. Gewählt wurde Klarlack aus der Kfz-Branche, weil dieser Lack innerhalb weniger Minuten staubtrocken ist. Die Vorder- und Rückseite wurden zuerst gespritzt, damit sich die Beschriftung nicht löst. Nach Durchhärtung des gespritzten Lackes, wurde das Gehäuse komplett mit einer Lammfellrolle lackiert.

Und zum Abschluss noch ein paar (restliche) Fotos.




Es folgen, als ZIP-File, die Schaltbilder, Layouts, Bestückungspläne und Bestückungslisten (ca. 5,5 MByte). Einfach den Link anklicken, dann erfolgt die Abfrage ob und wohin es abgespeichert werden soll. Es wird dann, in Direktorys die automatisch erzeugt werden sortiert, sämtliches Material abgespeichert.

Gruss, Jörg.

Technische Daten: Ausgangsleistung :      2 x 115W Sinusleistung bei 1 kHz
Ausgangsimpedanz     : 4 Ω, 8 Ω oder 16 Ω
Klirrfaktor:
Endstufe    : 2% bei 115W;    1% bei 50W;    0,11% bei 1W
Lineausgang  :      0,02% bei 1 kΩ Last
Aufnahmeausgang :      0,013%
Kopfhörerausgang :      <0,04%
Klangregelung     : <0,04%
Entzerrer  :      <0,06%
Frequenzgang Endstufe     : 19 Hz ... 30 kHz / -1 dB
Frequenzgang Linevorverstärker   : 20 Hz ... 20 kHz / 0 dB
Frequenzgang Klangregelung   : 20 Hz ... 20 kHz / �10 dB
Frequenzgang Entzerrer    : 50 Hz ... 20 kHz / �0,5 dB
Verstärkung Entzerrer    : 35 dB
Empfindlichkeit für Vollaussteuerung   : 1,1 V
Eingangswiderstand     : 100 kΩ
Ruhestrom je Endröhre    : 25 mA
Übersprechdämpfung Rechts/Links   : 80 dB �4 dB bei 1 kHz - alle Eingänge geprüft
Ausgangsspannung der Aufnahmebuchse  : 10 Veff an 560 Ω - >20 Veff an 2,2 kΩ
Ausgangsspannung für Kopfhörer   : >10 V bei 560 Ω Last
Umschaltung der Eingänge   : Relais
Anoden � und Heizspannungen der Vorstufen mit FET � Transistor gesiebt
Es folgen noch einige nachgereichte Fotos:

























Die Entzerrerstufe und Klangregelung:



UKW-Mischteil, links der Dekoder:



ohne Dekoder



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