Experimental-Super Anno 1987
von Michael Meyer




Beim Gruschdeln in der hintersten Ecke des Dachbodens fand sich noch ein Umzugskarton und heraus kam zu meiner Überraschung mein dazumal gebauter AM-Superhet nebst Unterlagen. Da kamen gleich die Erinnerungen hoch: Er sollte eigentlich ein Erprobungsmuster sein; aufbauend auf Erfahrungen mit dem Bau dieses Radios sollte später einmal ein Kurzwellen-Eigenbau-Gerät entstehen, hier der sogar noch vorhandene Schaltungsentwurf:
Schaltbild Vorentwurf
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Na ja, die Zeiten haben sich gewandelt, letztendlich ist dann daraus nichts geworden. Und am Selbstbau-Radio, dessen Geschichte jetzt folgt, hat über die Jahre an einigen Stellen sichtbar der Zahn der Zeit genagt...
Um es vorneweg zu sagen: Es handelt sich weder um ein High-Tech-Radio, welches mit feinsten Mitteln aufgebaut wurde noch um eine 1:1-Nachbauanleitung. Anno 1986/87 hatte ich noch keinen Einkreiser gebaut, geschweige denn gar einen Super! Die Mittel waren begrenzt; man suchte sich als "Amateur" ohne Anschluss in irgendwelchen Vereinen in der DDR an Einzelteilen zusammen, was man halt bekam.

Und hier fing die Geschichte dieses Radios an, die im Nachhinein eher mit einem schmunzelnden Augenzwinkern zu sehen ist. Aus Alt mach Neu hieß damals die Devise!

Eines schönen Sommertages entdeckte ich beim Spaziergang in neuer Umgebung halbverdeckt durch viel Gebüsch ein ziemlich verfallenes kleines Haus. Es neugierig betretend sah ich dort in einem vergammelten Raum nichts weiter als einen Tisch und auf dem stand - natürlich! - ein ziemlich ramponiertes Radio. Lautsprecher, Röhren und Rückwand fehlten, das Gehäuse war nur noch zum Wegwerfen, die Skala war zerdeppert; kurzum, lediglich nur noch das verrostete Chassis mit seinen Stahlröhrenfassungen war zu gebrauchen. Ohne Drehko versteht sich, denn der war verrostet und verbogen...

Was konnten man mit dem wenigen Verwertbaren anfangen? Vor allem - was war noch zu gebrauchen? Eigentlich nur noch die fertig beschaltete Pertinaxplatte u.a. mit den Vorkreis-, Oszillatorspulen und dem Wellenschalter, also das Wellenschalter - Aggregat, die beiden Bandfilter und der Netztrafo.
Siebdrossel bzw. Erregerspule und Ausgangsübertrager waren wohl mit dem Lautsprecher flöten gegangen...
Um einen Standard-Super musste es sich handeln, das war mir schon klar. Stahlröhren, also harmonische Serie: ECH, EBF, ECL. Um welches Gerät genau es sich handelte, wusste ich dazumal nicht. "Sachsenwerk" stand auf dem Netztrafo drauf...
Später erst kam mir in den Sinn, dass es sich um einen Sachsenwerk 532WU handelte.

Natürlich wird daraus ein neues Radio entstehen! Ein Eigenbau-Super! Habe zwar noch nie so etwas gebaut, aber egal, wenn schon denn schon. Schließlich habe ich das Herz, also die Spulen schon mal, und der Rest wird sich irgendwie finden.
Ein Chassisaufbau kam gar nicht erst in Frage. Ein Platinenaufbau, das wär doch was! Und vor allem, man konnte praktisch Module bauen und mit diesen nach Herzenslust experimentieren, gleichzeitig konnte man vielleicht die alten Originalbauteile in den Platinenaufbau integrieren! Diese Idee begeisterte mich. Ahnung? Hatte ich keine!

Also wurde zuerst einmal nach Sichtung der vorhandenen bescheidenen Bestände an Röhren und passiven Bauteilen eine Schaltung erstellt. Ähm, gekupfert und anhand des Materialbestandes modifiziert aus dem Pabst: "Anleitung zur Fehlersuche für Rundfunkmechaniker". Das Buch habe ich dazumal regelrecht verschlungen.

Schaltbild 1
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Bitte nicht nachbauen ;-))
Ich möchte ja nur aufzeigen was man mit so altem Kram u.U. alles machen kann.

Um zu verstehen, was ich da als Wellenschalter-Aggregat eigentlich hatte und um die Anschlüsse der Bandfilter herauszubekommen, wurde alles mit Feuereifer zerlegt und analysiert, deren Schaltungen aufs Papier gebracht, das war doch nun schon etwas für den Anfang!

Schaltbild 2
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Die Wicklungen und Beschaltung des Netztrafos herauszubekommen, war kinderleicht. Die AZ1 oder AZ11 (Genauer wusste ich es damals noch nicht. Ebenso wie ich es auch nicht wusste, sondern nur ahnte, dass die zusätzliche Fassung auf dem Chassis einer Vorstufen-EF gehörte - eine Schaltung des Radios hatte ich nicht) war als Standard-Zweiweggleichrichter beschaltet; überflüssig zu erwähnen, dass die Original-Elkos abgefetzt waren, lediglich die Stummel der Anschlussgewinde nebst Lötfahnen waren noch zu sehen....
Dennoch leistete ich mir gerade hier einen Fauxpas, den ich erst Jahre später löste, wie ich hier schmunzelnderweise schon bemerken möchte. Aber dazu später mehr.

Kurzer Exkurs:
Der damalige VEB in dem ich beschäftigt war, hatte eine - wie viele andere Betriebe übrigens auch - staatlich verordnete - Konsumgüterfertigung, in denen neben dem eigentlichen Portofolio Artikel für den Heimgebrauch produziert werden mussten. Jeder gestandene Ossi von uns kannte dass, wenn z.B. eine "Spatenbude" mit entsprechend grobmotorischer Maschinerie von den Großkopfeten verordnet bekam, Teile für Schreibmaschinen oder anderer Feinmechanik herzustellen...

Mein Betrieb baute also die Equalizer, Verstärker und Tuner einer Hifi-Serie, so dass hier ab und zu sehr günstig fehllackierte Leergehäuse, ähm, sagen wir mal, abfielen...
Das Gehäuse war also da und die zugehörige Blechbude im Betrieb konnte mir die nötigen Kleinteile fertigen, so dass also nach vielen Überlegungen und zeichnerischen Entwürfen bald die nötigen Bauteile beisammen waren.

So wurde ein Träger für die papierne Skala gebaut, der gleichzeitig den konstruierten Seilzug trägt, ebenso der Träger für das Wellenschalter-Aggregat.




Die Frontplatte wurde mit einem Stück Kunstglas beklebt (war schwierig aufzutreiben!), die Betriebsanzeige erfolgte durch eine LKW-Kontrollampe. Die Lautsprecheröffnung zierte das angeklebte Abdeckgitter der im Betrieb dazumal hergestellten 6VA-Leistungs-Hifi-Böxchen...






Vorn wurde das grundierte Blech einfach mit Papier beklebt, die Beschriftung erfolgte mit Abreibebuchstaben und Tusche. Die zugeklebten Öffnungen wurden vorher mit einem scharfen Messer wieder freigeschnitten.

Die neue Schaltung selbst konnte nicht mit Stahlröhren arbeiten, da ich keine besaß. Also wurden kurzerhand Miniaturrören verwendet, die hatte ich. Anstelle der ECH11 sollte nun also einfach eine ECH81 im Eingangskreis werkeln; zusammen mit dem Wellenschalter-Aggregat wurde der besagte Träger praktisch um die ECH81 und ihre Fassung "herumkonstruiert".
Als Drehko wurde kurzerhand ein Dreifachdrehko verwendet, der bei mir herumlag; wird eben ein Paket nicht benutzt, basta.










Ungezwungener konnte man wohl kaum noch an so ein Projekt herangehen. Was die anderen konnten, konnte ich schließlich auch! In diesem Sinne wurde auch die Gesamtschaltung entworfen. Irgendwie musste es doch funktionieren!

Überlegungen hinsichtlich des auszunutzenden Platzes im Gehäuseinnern führten dann schließlich zur Größe und Anordnung der Platinen wie auf folgendem Bild zu sehen ist:


Zu sehen sind von rechts nach links besagtes Wellenschalter-Aggregat, (Bild folgt unten) verdeckt durch den Träger. Mittig angeordnet ist die ZF-Verstärker-Platine mit den beiden Bandfiltern. Die entsprechende Schaltung und Platine wurde dazu auf dem Papier entworfen, wie schon auf obigem Bild zu sehen war. Die Platine ist derart ausgesägt, dass die Pertinax-Träger der Bandfilter schön Platz haben.


Zur Schaltung und deren Herkunft schrieb ich ja schon. Anstelle der EBF11, die ja meistens in so alten Supern arbeitete, kam nun einfach die EBF80 als ZF-Verstärker und Demodulator zur Geltung (ohne groß darüber nachzudenken...).
Der NF-Verstärker ist links zu sehen. Auf der Platine schaffen eine EF80 (wie gesagt - dem "Pabst" entnommen und außerdem hatte ich keine EC-Röhre zur Hand) und eine EL84; der Übertrager fand sich ebenso wie der Lautsprecher bei einem befreundeten Bastler bzw. aus einem ausgedienten PIKOTRON-Baukasten.
Das folgende Bild zeigt den NF-Verstärker noch einmal, links ist die EF80 zu sehen, rechts die EL84. Die Röhrenfassungen stammen übrigens alle aus ausgeschlachteten Fernsehempfänger-Platinen, damals warfen die Leute ihre Glotzen halt noch auf die Müllkippen - wir waren dort oft "Kunden"...


In der Gesamtansicht ist weiterhin der große Netztrafo zu sehen, rechts daneben die EZ80 mit ihren beiden Elkos. Der Siebwiderstand liegt unterseitig (!), heiß wurde er aber nicht.

Alles in allem wurde dann das Bodenblech des Gehäuses dergestalt ausgearbeitet, dass man über eine abnehmbare Pertinaxplatte als Abdeckung an die wichtigsten Messpunkte herankam.


Nimmt man die Platte ab, so liegt praktisch oben der ZF-Verstärker, darunter das Wellenschalter-Aggregat:




Wie schon geschrieben, ich ging recht naiv und ungezwungen an dieses Projekt. Allein die Lage des Netztrafos an den beiden Bandfiltern schreit schon nach einer ungünstigen Lösung; aber die Ungeduld und der fehlende Platz im Gehäuse ließen nichts anderes zu ;-))

Nach Zusammenbau und Überprüfung der Schaltung erfolgte dann die Inbetriebnahme. Nun ja, das Ergebnis war natürlich recht mäßig. Der ZF-Verstärker war am Schwingen und mangels Abgleich im Gleichlauf usw. war auch der empfangbare Frequenzbereich relativ eigenartig, wie auf der Skala zu sehen ist. Auf der NF-Platine mussten Vor- und Endrohr durch eine Abschirmung getrennt werden, dann pfiff auch der Verstärker nicht gleich so brachial los...

Geeignete Messtechnik war für den Privatbastelnden zu gut wie nicht aufzutreiben, vielleicht half der Betrieb aus, sofern Zeit und Geräte vorhanden waren. Die Hobbywerkstatt sah im Vergleich zu heute noch sehr spartanisch aus. Ein Vielfachmesser war meisten alles, was man besaß...

Aber zurück zum Radio. Ich ließ mich nicht entmutigen, durch diverse eher empirische Tests und Abgleichversuche konnte ich den Empfänger so hinbekommen, dass er relativ ausgeglichen spielte.
Man konnte mit angeschlossenen 3m Draht als Antenne auf Langwelle und Mittelwelle diverse Sender empfangen, und auf Kurzwelle ging das Radio so richtig ab! Klasse!
Na ja, die Trennschärfe... Egal, das Radio spielte und die Begeisterung kannte keine (Ost-) Grenzen.

Eines wiederum machte mir Gedanken. Die Betriebsspannung war einfach nicht hoch genug, ich konnte mir keinen Reim darauf machen, warum. Ob der Netztrafo doch irgendwie einen Defekt hatte? Nein, die Spannungen der Sekundärwicklungen stimmten. Die EZ80 brachte trotzdem einfach nicht genügend Spannung; na gut, das Radio spielte ja auch so. Das war mein Eingangs erwähnter Fauxpas! - Die Gleichspannung wurde von einer AZ11 besorgt, ich hingegen verwendete eine EZ80!
Die Empfängerröhren wurden ordnungsgemäß aus der 6,3Volt-Wicklung gespeist; die (ehemals direkt geheizte) Gleichrichterröhre jedoch aus der extra 4-Volt-Wicklung! Ich habe wirklich lange gebraucht, bis ich diesen Fehler bemerkte... ;-))

Aber dennoch: Es hat einfach einen Riesenspaß gemacht. Es wird sicherlich nicht in einer Vitrine landen, das Radio.
Für angenehme Erinnerungen an meine Anfänge der Radiobastelei aber...

Gruß, Michael

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