Monoblöcke mit der russischen Triode 6S19 (6C19P) in Gegentaktschaltung
- von Thomas Moppert
Nach den sehr guten Erfahrungen mit der ECC99 Doppeltrioden-Gegentaktendstufe, wollte ich einen Gegentakt-Triodenverstärker mit etwas mehr Leistung bauen.
Ich wählte dazu die russischen Stromregelröhren 6S19 (6C19P) aus.
Eine Idee zur Ansteuerung dieser Trioden fand ich im einem Buch von Menno van der Veen, in welchem ein Verstärker mit der Doppeltriode 6AS7 beschrieben ist: VDV-6AS7 „De Maurits“, siehe Literatur am Schluss.
Insbesondere die Phasenumkehr- und Treiberschaltung mit der E88CC machte mich neugierig:
Mit einer einzigen Doppeltriode gleichzeitig hohe Steuerspannungen für die Endröhren zu erreichen, die Phase zu drehen und erst noch bei beiden Phasen niedrige Ausgangsimpedanzen zu erreichen, fand ich schon bemerkenswert!
Die Eingangsempfindlichkeit für Vollaussteuerung der Endstufen sollte 1 Veff. betragen. Um zusätzlich noch Reserve für eine Gegenkopplung über alles zu erhalten, setzte ich vor die E88CC eine EF86 in Triodenschaltung.
Die 6S19 kann gut mit fester Gittervorspannung betrieben werden, der einmal eingestellte Arbeitspunkt bleibt stabil:
Nach einigen Stunden „Einlaufen“ ändert sich der Katodenstrom nicht mehr relevant und erreicht nach jedem neuen Einschalten des Verstärkers nach etwa 10 Minuten Aufwärmzeit den eingestellten Wert.
Schaltungsbeschreibung:
(Mit der Maustaste das Schaltbild des Netzteils anklicken, es wird dann in voller Auflösung dargestellt.)
Wie erwähnt, erscheint insbesondere die Beschaltung der E88CC interessant. Im Prinzip handelt es sich um eine Phasendreherschaltung vom Typ „Self-adjustung-Phaseshifter“:
Die „obere“ Triode der E88CC verstärkt das Signal von der EF86. Vom Ausgang gelangt das Signal einerseits zum Gitter der „oberen“ 6S19, andererseits über R18 und C5 zum Gitter der „unteren“ Triode. An deren Anode erscheint somit die Phase um 180 Grad gedreht. Dieses Signal gelangt zur „unteren“ 6S19.
Die untere Hälfte der E88CC wird über R19 und P1 praktisch zu 100 Prozent gegengekoppelt. Der Gegenkopplungsgrad wird mit dem Trimmer P1 so eingestellt, dass beide Phasensignale an den Gittern der 6S19 gleich hohe Amplituden erhalten. Infolge der starken Gegenkopplung wird ihre Ausgangsimpedanz sehr niedrig, in unserem Fall 2 Kiloohm.
Der Clou der Schaltung liegt jedoch bei der lokalen Gegenkopplung der oberen Hälfte der E88CC: über das Netzwerk R9 und R6, C4 und R11 gelangt ein Teil des Signals von der Anode auf das Gitter zurück. Diese Gegenkopplung bewirkt einerseits einen starken Rückgang des Klirrfaktors, was eine hohe verzerrungsarme Aussteuerung ermöglicht.
Dies ist auch nötig, denn für Vollaussteuerung sind an den Gittern der 6S19 fast 170 Vpp erforderlich!
Andererseits vermindert die Gegenkopplung die Ausgangsimpedanz dieser Stufe beträchtlich. In der angegebenen Dimensionierung liegt diese bei 4 Kiloohm.
Somit weisen beide Treiber ähnlich tiefe Ausgangsimpedanzen auf.
Das Ergebnis lässt sich sehen: Gemessen an den Gittern der oberen und unteren 6S19 liegen die Frequenzgrenzen (-3dB) bei 100 kHz und zwar ohne Gegenkopplung über alles.
Im Netzteil werden alle Gleichspannungen stabilisiert.
(Mit der Maustaste das Schaltbild des Netzteils anklicken, es wird dann in voller Auflösung
dargestellt.)
Wie man auf den Bildern erkennt, stammen der Netztrafo und der Ausgangstrafo von der Firma Reinhöfer (www.roehrentechnik.de). Der Netztrafo ist fest mit dem Chassis verschraubt, trotzdem hört man keinen mechanischen Brumm, wunderbar! Elektrischer Brumm ist sowieso kein Thema, zur Illustration habe ich ein Schema der Masseverdrahtung beigefügt:
Falls man, wie die unten gezeigte Simulation suggeriert, den Endröhren einen höheren Ruhestrom gönnen will, muss man den Netztrafo neu dimensionieren.
Man betreibt die 6S19 dann allerdings an der Grenze ihrer maximal erlaubten Anodenverlustleistung von 11 Watt, was ich bei meinem Entwurf vermeiden wollte.
Messresultate:
Die gemessenen Frequenzgänge, die Oszillogramme der Rechtecksignale und die Grafiken von Frank Kneifel zeigen anschaulich die Resultate und insbesondere auch die hervorragende
Qualität der Ausgangsübertrager.
Seit gut zehn Monaten sind die Verstärker bei mir praktisch täglich in Betrieb und ich bin nach wie vor begeistert. Die Präsenz und der Detailreichtum der Musikwiedergabe sind faszinierend.
Man wird gepackt und hört zu!
Messbedingungen:
Anodenspannung an den Endröhren: 215V
Katodenstrom jeder Endröhre: 40mAAusgangsleistung:
- bei Klirr gesamt 1 %: 6 Watt
- bei Klirr gesamt 0,5 %: 4,8 WattFrequenzgang:
- (-3dB) ohne Gegenkopplung über alles: 10 Hz - 62 kHz
- (-3dB) mit 6 dB Gegenkopplung über alles: 10 Hz - 160 kHz
Gemessene Spannungen bei 4,8 Watt Ausgangsleistung:
- Eingang: 1 Veff.
- Anode EF86: 26 Vpp
- Gitter der Endröhren: 130 VppClippinggrenzen gemessen an den Anoden der E88CC: 220 Vpp
Weitere Informationen geben folgende Oszillogramme:
Oszillogramm 100 Hz
Oszillogramm 1 kHz
Oszillogramm 5 kHz
Oszillogramm 10 kHz
Es folgen die Grafiken, welche Frank Kneifel während des letzten Röhrenbudenstammtisches in Mülheim erstellte.
Bei den Bildern zum Frequenz- und Phasengang ist jeweils die obere (blaue) Kurve der Frequenzgang, die untere (rote) Kurve der Phasengang.
Nochmals herzlichen Dank an Frank!
Frequenz- und Phasenverlauf an Widerstand
Frequenz und Phasenverlauf an Lautsprecher
Klirrspektrum an Widerstand
Klirrspektrum an Lautsprecher
Impedanzverlauf des Testlautsprechers
Interessant ist die von Gerd Reinhöfer durchgeführte Simulation der Schaltung der Endröhren.
Seinen Text zitiere ich unverändert:
„Die Simulation habe ich nur für die Endröhren allein gemacht. Ich habe dann mal mit dem Ruhestrom gespielt mit dem Ergebnis, dass es besser wäre, die Röhren mit 50mA laufen zu lassen, wenn es nicht um maximale Leistung geht.
Damit reduziert sich der Klirr noch einmal ein ganzes Stück und beträgt 0,92% bei gut 8,4 Watt (Ug = -79,5V, Ansteuerspannung 158Vss).
Mit 40mA (Ug = -82,4V) sind es 1,3% bei Aussteuerung mit 162Vss (dann ebenfalls 8,4 Watt).
Der Klirr besteht vorwiegend aus ungeradzahligen Anteilen, k2 ist mit 0,016% schon recht gering.
Bei 800mW gibt es noch 0,2% Klirr, fast nur k3, der Rest verschwindet unter -90dB, bezogen auf den 1KHz-Ton“.
(Mit der Maustaste das Bild anklicken, es wird dann in voller Auflösung
dargestellt.)
Literatur:
Menno van der Veen: Moderne High-End-Röhrenverstärker, Elektor-Verlag, Aachen 1999
Dank:
An dieser Stelle danke ich Jochen, den Betreiber dieser Röhrenseite, für die Mühe, die er sich mit der Veröffentlichung dieses Beitrages macht.