Festplattenverstärker mit EF95 in PP-Schaltung
von René

Die Anregung zu diesem Projekt kam durch den Bastelwettbewerb 2004, bei dem auch der "Hardamp" von Dieter Tepel vorgestellt wurde.



Zur Schaltung
Ich wollte die EF95 benutzen. Diese Röhre ist sicher nicht für Endverstärker vorgesehen, aber ein Stereo-Gegentaktverstärker mit diesen Röhren sollte ausreichend laut werden... - Außerdem gibt es sie in verschiedensten Ausführungen mit vielen Vergleichstypen. Mit dem Datenblatt wurde der Arbeitspunkt festgelegt: Ua=120 V, Ug2=120 V, Ug1=-2 V. Ungefähr...
Es wird ein Gegentakt-A Verstärker: Ra=8 kΩ, Raa=16 kΩ. So ein Zufall, daß Gerd Reinhöfer genau passende Ausgangsübertrager hat - mit der Bezeichnung 53.41 sind sie auf seiner Seite unter Bastel-Aü zu finden.
Da hab ich dann auch gleich den Netztrafo wickeln lassen... (1 x 120 V/40mA, 1 x 6,3 V/1,5 A, Kern M 55).

Da ich nicht gerne "ins Blaue" baue, ist die komplette Schaltung vorher in einer Schaltungssimulation getestet und solange virtuell modifiziert worden, bis alles zu meiner Zufriedenheit war. Dazu mußten unter anderem auch Modelle für die EF95 und die 6N18B erstellt werden. Ich benutze für die Simulation das Programm Switchercad von LTC, welches ursprünglich vorwiegend für die Simulation von Schaltnetzteilen vorgesehen war, letztendlich ist es aber ein Abkömmling von Pspice und ist kompatibel dazu. Dieses Programm ist Freeware und kann auf der Homepage von LTC heruntergeladen werden. Die Schaltpläne sind direkt aus dem Programm und nicht noch einmal umgezeichnet...

Hier die Schaltung für einen Kanal:


Der Widerstand R1 ist ein Stellwiderstand, über die die Stromgegenkopplung verändert werden kann. Damit wird die Verstärkung der Vorstufe an die Signalspannung angepaßt. In der Schaltung sind sie als 4,7 kΩ angegeben, in der Praxis sind es 10 kΩ Stellwiderstände mit Schleifer an Masse.

Die Netzteilschaltung:


Die Siebung erfolgt hier zum größten Teil mit dem verbauten Mosfet. An einer Widerstandslast ist die Restwelligkeit um die 2 mV, nach der zusätzlichen Siebung für die Vorstufe kann ich keine Welligkeit mehr erkennen. Leider hat sich dieses schöne Konzept nicht bewährt: bei nachgeschalteter Induktivität (die Ausgangsübertrager) ergibt sich ein völlig anderes Bild. Daher habe ich mich entschlossen, die konventionelle Siebkette zu benutzen, die dicken Elkos passen gerade so ins Gehäuse. Auf einigen Fotos wird jedoch die ursprünglich Netzteilschaltung zu sehen sein, da der Umbau erst ganz zum Schluß erfolgte.
Hier die Schaltung des "endgültigen" Netzteils, die sicher nicht erklärt werden muß.


Die Bauteile U5 und U6 sind Glimmlampen, die zwischen den AÜs eingebaut wurden.
Feinheiten wie Sicherungen und Schalter sind hier nicht gezeichnet, aber natürlich vorhanden.

Mechanischer Aufbau
Im Laufe der Zeit haben sich bei mir viele alte Festplatten angesammelt, und eine der defekten wollte ich einer neuen Verwendung zuführen. Zur Auswahl stand eine 100MB-Platte von Western Digital im 3,5" Format und eine 250MB-Platte von Seagate im 5,25" Format.
Prinzipiell hätte sicherlich alles auf und in die kleine Platte gepaßt, der Aufbau war mir dann aber doch zu gedrängt. Irgendwie sieht es auch besser aus, wenn man mehr Raum zur Platzierung der Bauelemente hat.

Hier ein Bild des "Opfers", der Seagate-Platte. Die alten Festplatten haben einen Vorteil, der sie für einen Röhrenverstärker interessant macht: das Gehäuse ist gummigelagert. Das sollte ursprünglich den Computer von den Vibrationen der Platte entkoppeln, nun entkoppelt es die Röhren von den Vibrationen der Umwelt...
Die Seagate ist hier auf dem Bild schon entkernt und zum Bohren angezeichnet. Ein Loch war schon vorhanden und mußte in die Planung einbezogen werden.


Die großen Bohrungen wurden mit einem Stufenbohrer freihand gebohrt. Als gelernter Werkzeugmacher darf ich das.. ;-)
Sicherer und empfehlenswert wäre jedoch die Benutzung einer Ständerbohrmaschine.
Die Durchbrüche entstanden mit einem kleinen Trennschleifer und einer Feile. So durchlöchert sah das Gehäuse dann so aus:


Die Verdrahtung.
Begonnen habe ich mit dem Netzteil, dann die Heizung, die Endstufe und zum Schluß die Vorstufe.
Hier ein Bild nach Verdrahtung Endstufe - noch mit dem alten Netzteil:


Die kleine Platine in der Mitte dient als Träger für die Glimmlampen und als zentrale Masse. Hier stellen zwei Schrauben die Verbindung von Masse und Gehäuse her.

Bild nach Verdrahtung Vorstufe, hier schon mit dem neuen Netzteil:


Die Vorröhren wurden auf eine kleine Leiterplatte gelötet, die mit einigen Millimetern Distanz ans Gehäuse geschraubt wurde. Diese kleinen Röhren können ein wenig Luftzirkulation gut brauchen, deshalb sind die Bohrungen im Deckel etwas größer als unbedingt notwendig. Die Heizung zieht 400mA, das ist für so eine kleine Röhre verflixt viel, dementsprechend heiß wird sie...
Die kleine Netzteilplatine wurde von mir schweren Herzens (da doch ein wenig Aufwand dahinter steckte) wieder ausgebaut und für Ursachenforschung beiseite gelegt. Nun hat eine klassische Siebkette ihre Aufgabe übernommen. Die Restwelligkeit hier ist 40 mV für die Endstufe und ca. 5 mV für die Vorstufe. - Um ein wenig vorzugreifen: auch damit ist absolut kein Brumm hörbar.

Das Endergebnis:
Der Verstärker lief auf Anhieb! Einzig die Verstärkung der Vorstufe mußte mit den dafür vorgesehenen Stellwiderständen an den Linepegel meines CD-Players angepaßt werden. Danach waren 2 x 0,75 W (RMS) an den Lautsprechern, mehr schaffen die kleinen Röhren nicht ohne Verzerrung. Das reicht aber für laute Zimmerlautstärke an meinen Boxen. Ohne Brumm (trotz relativ chaotischer Verkabelung), kein Rauschen.

Noch ein paar Worte zum "Finish" des Verstärkers. Der grobe Alu-Druckguss der Seagate-Platte erlaubt nur ein eher rustikales Aussehen. Aber es muß sich nicht immer alles spiegeln. Ein in jeder Hinsicht perfektes Aussehen ist bei diesem Projekt nicht das Ziel gewesen. Der Verstärker sollte grundsolide werden und auch so wirken. Fast alle Teile haben ein Vorleben, das sollte erkennbar bleiben. Neu sind nur die Trafos (von Gerd Reinhöfer), die Vorröhren und die verbauten Widerstände. Die Stahlbügel und die Röhrenfassungen stammen von einem Counter aus den 60igern, die EF95 stammen aus ausgemusterten Baugruppen der Armee, deren Zweck mir leider nicht bekannt ist, die Siebkondensatoren und der Gleichrichter kommen aus einem alten Schaltnetzteil. Die Folienkondensatoren sind alte DDR-Ware, der Lautstärkeknopf stammt von einem Sandverstärker, der schon lange in den ewigen Jagdgründen weilt...

Bilder vom kompletten Verstärker:




Falls jemand Fragen oder Anregungen hat, ich freue mich über Mails unter nazdaq@gmx.de

Jetzt habe ich Zeit für mein nächstes Projekt..

Grüße, René (oder kahlo, im Forum)
Das folgende Bild zeigt die Schaltungssimulation für den EF95-Verstärker, welche ich mit dem Programm Switcher Cad III erstellet hatte:


Die Simulationsdatei: regelbare_Eingangsstufe_SE_to_PP_mit_6N16B.asc

Das Röhrenmodell: 6N16B.inc

Die Software kann gegen eine kostenlose Registrierung bei LTC heruntergeladen werden:
www.linear.com/company/software.jsp

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