Restauration einer Philips Philetta B2D23A
von Karl Heinz Betz



Die Restauration einer Philips Philetta und, weil es sich so ergeben hat, der Bau eines Röhrenprüfgerätes.

Nachdem ich nach 45 Jahren beruflicher Tätigkeit aus dem täglichen Arbeitsprozess ausgestiegen bin, habe ich nun etwas mehr Zeit für mich. Da die Elektronik mein tägliches Brot war und auch eines meiner Hobby's ist, lag es nahe mir einen Jugendtraum zu erfüllen. "Eine eigene Philips Philetta" Sie hatte es mir schon 1960 als junger Bursche angetan, ich war damals begeistert von dem Design, der Beleuchtung und dem Klang des kleinen Radios und bin es auch heute noch. Ein Kauf in 1960 konnte ich mir damals allerdings nicht leisten, denn 200 DM waren sehr sehr viel Geld.
Um den Traum einer eigenen Philetta endlich Realität werden zu lassen stöberte ich im Internet und wurde auch fündig. Ich war mir im klaren, daß man mit dem ersteigerten Teil richtig Pech haben kann und es stellt sich heraus, daß das Gerät der Begierde nur noch als Ersatzteilträger verwendet werden kann. Jedoch, das war bei mir der Fall, wendet sich das Blatt manchmal zum Guten und man kann aus einem verschmutzten und defekten Gerät wieder ein Schmuckstück zaubern.

Soweit so gut, ich hatte leider keine Bilder von der günstig ersteigerten Philetta im Urzustand gemacht, aber Sie stand wohl in einer Küche und war entsprechend schmutzig und verschmiert von außen, von innen war Sie eine Katastrophe. Schmierig und total verdreckt. (Kann man nach 45 Jahren ja auch nicht anders erwarten.)
Es musste deshalb erstmal für Sauberkeit gesorgt werden.
Dazu wird die Rückwand gelöst (3 Schrauben hinten und 1 Schraube unten),


jetzt vorne die Einstell-Knöpfe entfernen, dazu mit einem passenden Schraubenzieher die Feststellschrauben lösen und zusammen mit den Filzscheiben abnehmen.




Jetzt die beiden Schrauben der Skalenscheibe abnehmen,

das Gerät herumdrehen und die beiden Befestigungsschrauben des Chassis abschrauben:


das Chassis dann etwas zurückziehen und die Skalenscheibe vorsichtig nach oben und vorne entfernen.


Die Skalenscheibe auf einem weichen Tuch ablegen, damit sie nicht noch mehr verkratzt wird. (Sieht warscheinlich eh schon schlimm aus) Jetzt das Chassis vorsichtig aus dem Gehäuse ziehen, dazu die beiden Lautsprecheranschlusskabel mit dem Seitenschneider direkt am Lautsprecher abschneiden. (Warum erkläre ich später)


Jetzt kann man den Lautsprecher aus dem Gehäuse entfernen ACHTUNG nicht die Membran beschädigen.
Das hoffentlich intakte Gehäuse kann jetzt in einer milden Seifenlauge von allem Schmutz befreit werden. Ist es ein eingefärbtes Gehäuse ist, dann kann man Kratzer oder festen Schmutz mit Poliermittel entfernen ansonsten hilft nur neu lackieren um wieder ein gutes äußeres Finish zu erhalten. Jetzt entfernt man vorsichtig die verbliebenen Kabelreste von den Lautsprecheranschlüssen (absaugen und ablöten, da die Litze in der Regel um den Lötanschluss gewickelt ist und man das schlecht beim Ausbau des Chassis hätte machen können).
Den Lautsprecher wieder in dem sauberen Gehäuse befestigen, etwas Stop-Lack auf die Schrauben geben, damit die sich nicht lösen im Betrieb.
Das aus Metall gefertigte Philetta Logo ist oft verloren, deshalb hier ein Bild des Logos in Originalgrösse. Man kann sich daraus wunderbar einen Ersatz auf Photopapier drucken und einkleben.

Schaltbild Philetta B2D23A
(Mit der Maustaste das Logo anklicken, es wird dann in voller Auflösung dargestellt.)

Jetzt noch die Skalenscheibe in einer leichten Seifenlauge mit einem feinen Pinsel reinigen. ACHTUNG: Die innen aufgebrachte goldene Skalenbeschriftung und Auflagen sind sehr empfindlich gegen mechanische Behandlung.
Die Kratzer auf der Aussenseite die immer durch die Bedienung speziell um die Knöpfe vorhanden sind können mit einem Poliermittel für Kunstoffscheiben (Handy) gut auspoliert werden.

Dann war das Chassis dran:


Hier war eine Reinigung mit einem für elektronische Bauteile zugelassenem Reinigungs Spray unumgänglich (gibt es z.B von Kontakt Chemie od. Cramolin) dazu alle Röhren entfernen und markieren wenn keine Beschriftung mehr vorhanden ist. Das Chassis habe ich nach der Reinigung mit dem Spray und einem Pinsel vorsichtig ausgeblasen und 24 Stunden trocknen lassen, dann alle beweglichen Teile des Skalenantriebs und der Potis leicht eingeölt (Achtung, auf keinen Fall darf Öl auf das Skalenseil oder auf die Reibachsen kommen!).
Alle Bauteile, speziell die hochohmigen 1MOhm Widerstände, welche meiner Erfahrung nach gealtert sein können, wurden gemessen und wenn nötig ausgetauscht, zusätzlich habe ich alle Elko's vorsichtshalber ausgetauscht.


Jetzt noch die beiden verbliebenen Elkos, an der ECL86 und an der EBF89 austauschen. Auch der Röhrenkondensator über der Primärwicklung des NF Trafos musste wegen Isolationsmängel (knistern im Lautsprecher) ausgetauscht werden. (Hat mich einige Zeit gekostet, den Fehler zu finden..)




Auch den Gleichrichter für die Versorgungsspannung überprüfen oder besser gleich durch 4 x 1N4007 (weil bei mir vorhanden) ersetzen.


Jetzt noch die Feinsicherung des Netztrafos überprüfen und dann kann man, nachdem die Röhren wieder eingesetzt wurden, mit einem vorsichtigem Einschaltversuch über einen Trenn-Regeltransformator das Gerät in Betrieb nehmen und die verschiedenen Spannungen überprüfen. (Die Spannungen werden etwas erhöht sein, wenn man den Gleichrichter mit den 1N4007 ersetzt hat).
Jetzt wird sich schnell zeigen ob die Restauration ein Erfolg war. Spielt das Radio dann hat man Glück gehabt.. (ich hatte das Glück leider nicht).

Schaltbild Philetta B2D23A
(Mit der Maustaste das Schaltbild anklicken, es wird dann in voller Auflösung dargestellt.)

Ich müsste irgenwie die Röhren prüfen können, aber es gab niemanden in meinem Bekanntenkreis, der ein Röhrenprüfgerät besessen hätte, auch ein Röhrenwechsel zum Versuch war nicht möglich da ich keine Röhren hatte, neue Röhren kaufen nur zum testen war nicht gerade meine 1 Wahl und kostengünstig, also was tun?

Ein Röhrenprüfgerät muss her, wieder im Internet gesucht, aber Schock, gute Prüfgeräte (Hickok) sind sauteuer und Emmisionsgeräte, also Röhrenprüfer die nur die Emmisionsfähigkeit der Kathode prüfen, doch wohl nur was für den Laien.
Die einzige Lösung ist: "Der Selbstbau".

Inzwischen hatte ich Jogis Webseite gefunden und durchgestöbert, Ideen gesammelt und ein Pflichtenheft geschrieben, dann das Schaltbild gezeichnet, immer unter der Vorgabe: "keine Spezialteile", die schwer oder nur teuer zu beschaffen wären.
Es sollte trotzdem das Pflichtenheft erfüllen z.B. alle internen Spannungen sollten stabilisiert sein (unabhängig von Netzschwankungen oder Last) Messungen der Steilheit sowie Aufnahme von Kennlinien, Vakuumprüfung und Kurzschlussprüfung ermöglichen.

Schaltbild des Röhren-Prüfgerätes
(Mit der Maustaste das Schaltbild anklicken, es wird dann in voller Auflösung dargestellt.)

Das Schaltbild zig mal umgezeichnet, neu gerechnet und in der Bastelkiste die dazu benötigten Bauteile zusammengesucht. Die Platine gezeichnet, belichtet, geätzt, gebohrt und bestückt, ein Hochspannungs FET Transistor den ich geplant hatte gab es nicht mehr, also Ersatztyp gesucht und gekauft.


Das Prüfgerät sollte ja eigendlich nur Mittel zum Zweck sein, aber es artete zu einem eigenständigen Projekt aus, zusätzlich motiviert und angetrieben von meinem Junior der plötzlich Interesse an einem High End Röhren Vollverstärker bekundete und die darin verwendeten Röhren matchen wollte.
Da ich fast alle Teile für den Bau hatte, mussten noch ein paar Kleinigkeiten, wie die Miniatur Bananen-Buchsen und -Stecker und Keramiksockel besorgt werden, ein Holzgehäuse wurde von einem Freund gebaut, das Aluchassis gebogen und entsprechend den Vorgaben gebohrt und bearbeitet.
Dann alle Bauteile in das Chassis eingebaut und alles verdrahtet.


Das Instrument für den Anodenstrom geöffnet und die Skala ausgebaut, mit dem Computer neu gezeichnet und wieder eingebaut, mit den Schutzdioden versehen und auf 0,5 Volt geschuntet. Auf Linearität überprüft und im Chassis montiert und angeschlossen.


Dann folgte nach der abschließenden Überprüfung aller Spannungen und Anzeigen ein Funktionstest, dazu wurde eine alte 6L6 benutzt (man weiss ja nie !!).




Die Daten der 6L6 wurden wie auch später die Röhren der Philetta aus einem vorhandenem Röhrenbuch entnommen und am Röhrenprüfgerät eingestellt. Ein Datenblatt mit einer Farbcodierung der Röhrenelektroden der meistbenutzten Röhren wurde erstellt und im Deckel eingeklebt.


Die Röhren des Vollverstärkers meines Jüngsten wurden auf Ihre Eigenschaften überprüft, dabei wurde festgestellt, das die Röhren nicht gematcht waren. Es wurden gematchte Röhren bestellt und nach der Lieferung auf die angegebenen Werte hin überprüft. Hier stellte sich zu unserer Freude heraus, daß die mit unserem Röhrenmessgerät festgestellten Daten fast zu 100 % mit den angegebenen Werten des Lieferanten übereinstimmten.
Abschliessend kann ich sagen: Es war ein voller Erfolg, der Röhrenprüfer entsprach den theoretischen Überlegungen und der Planung.
Kleine Änderungen und Verbesserungen die notwendig wurden, konnten nachträglich ohne Aufwand eingebaut werden.

Spezifikation:
Ua = 100 bis 250 V max 100 mA, Ug1 = 0 bis -30 V, Ug2 = Anodenspannung entkoppelt.
Heizspannung = 5-6,3-10-12,6 V max 1,5 A, alle Spannungen sind stabilisiert.
Kurzschlussprüfung und Anzeige durch LED: Heizung/Kathode, Kathode/Gitter1, Kathode/Gitter2, Kathode/Anode.
Vakuum Prüfung durch 500 k Ohm Widerstand in Reihe zum Gitter1.
Zusätzliche Spannung von ca. 400 Volt zur ev. Regeneration von Röhren auf Miniaturbuchse gelegt.
Spannungen überprüfbar durch eingebautes 3 1/2 stell. Digitalvoltmeter, Anodenstrommessung durch eingebautes Analog-Instrument mit Schutzdioden und den Messbereichen 5/25/100/250 mA, die Gitterspannung wird durch ein 10-turn-Poti zur Aufnahme von Kennlinien eingestellt.

Alles in allem läßt sich sagen: "der Eigenbau lohnt sich immer noch", es ist ein schöner Zeitvertreib und man wird durch das Erfolgserlebniss belohnt für die Mühe die man sich gemacht hat.
Die Frontplattenbeschriftung könnte perfektioniert werden, ist aber für die Funktion des Prüfers völlig unmaßgeblich, denn hier ist mehr die innere Qualität gefragt.

Zurück zur Philetta: Nachdem ich auch deren Röhren geprüft hatte, die defekte UKW Röhre ECC85 und ECL86 Endröhre ausgetauscht und noch einen Abklatschkondensator gewechselt hatte, funktionierte auch die Philetta wieder hervorragend und erstahlt in neuem Glanz und tollem Sound hier bei mir in der Funkbude - und wie auf den Bildern zu sehen ist, hat sich die Arbeit gelohnt und jeder, der die Philetta hier bei mir sieht und hört, staunt nicht schlecht, denn es gibt heute kein solch schönes Gerät zu kaufen.

Gruss,
Karl Heinz Betz



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