Zwerg

Anlaß für dieses Selbstbau-Projekt war der 2. Forumswettbewerb von Jogis Röhrenbude. Die Ausschreibung für 2004 hatte das Motto

“Wer baut den kleinsten Stereo-Röhrenverstärker?”

Nachdem ich den ersten Wettbewerb nicht mitgemacht hatte war es jetzt endlich die Gelegenheit, auch selbst mal aktiv zu werden. daß man auch Röhrengeräte recht klein bauen kann bewiesen ja schon die Hörgeräte vor etwa 50 Jahren, also sollte es mit heutigen Bauteilen erst recht funktionieren. Es ist schon erstaunlich, was sich in den letzten Jahren bei Volumen und Leistungsfähigkeit bei passiven Bauteilen so getan hat.
So begannen die ersten überlegungen, welche Größe ist machbar, wieviel Aufwand zu treiben ist man berei und was sind die eigenen Vorstellungen hinsichtlich der Brauchbarkeit auch zum späteren Einsatz. Es soll ja kein Wegwerfgerät sein sondern für längere Zeit Freude bereiten (und später vielleicht auch einmal Erinnerungen wecken, wie geschickt man mal mit den Händen war).

Schaltungskonzept
Auf Grund des schlechten Wirkungsgrades der Eintakt-Endstufen schied dieses Konzept von vornherein aus, auf jeden Fall mußte es Gegentakt werden. Möglichst auch AB- bzw. D-Betrieb für eine bessere Röhrenausnutzung. Ebenso ist es mit dem Vergleich Triode-Pentode ausgegangen, Trioden haben einen schlechteren Wirkungsgrad, Pentoden das bessere Leistungs/Volumen-Verhältnis. ---> also Pentoden

Auswahl der Röhren
Hier war die Auswahl recht schnell erfolgt, möglichst kleine Baugröße und eine platzsparende Kontaktierung bieten nur Nuvistoren und Subminaturröhren. Nuvistoren sind allerdings wegen Beschaffbarkeit und Preis eine ungünstige Grundlage für “Basteleien”, wesentlich bessere Auswahl und Verfügbarkeit von russischen Subminis sprechen für den Einsatz dieser Röhren. Ein Blick in diverse Datenblätter bringt erstaunliches zutage. So gibt es kleine Sendepentoden mit 2,5 Watt Anodenverlustleistung und recht hohen zulässigen Anodenspannungen. Damit war die Frage der Endröhren geklärt, die 1P24B ist geeignet. Als Eingangs- und Phasenumkehrstufe sollten ebenfalls solche Subminiaturröhren arbeiten,allerdings scheint es in dieser Bauform keine Trioden zu geben. Eine kennlinienaufnahme einer 1Scha18B in Triodenschaltung brachte brauchbares hervor, die erzielbare ca. 17-fache Verstärkung erschien brauchbar.

Gehäusefragen
Nach einigen überlegungen zum Gehäuse kam ich immer wieder zum Ergebnis, daß übliche Aufbauten mit Chassis als offener Aufbau und auch allumschließende Gehäuse einfach zu viel Platz beanspruchen, wenn alles mechanisch stabil (für Postversand geeignet) werden sollte. Wie bekommt man die kleinstmögliche Bauform..?  Die Lösung ist die Einbeziehung von Bauteilen in die Gehäusekonstruktion. Irgendwie müßte man es schaffen, die größten Bauteile in die Konstruktion einzubeziehen, daß diese die Abmessungen bestimmen, der Rest wird dann schon passen.

Nachdem das Konzept grob feststand ging es los
Schmierzettel mit Schaltungsentwurf, Gegentakt nach altbewährtem Muster..

Problem!   geht ja gut los...wie baue ich mit direkt geheizten Röhren die Phasenumkehr ? Differenzverstärker und Kathodynstufe scheiden aus, alles andere mit Signalspannung an der kathode auch. Trafokopplung?..mu0ß nicht sein, der Platz ist sowieso schon zu knapp...also richtig primitiv, mit einer als Triode geschalteten 1Scha18B. Die Verstärkung auf 1 runterbringen? Geht nicht so ohne weiteres. Also Arbeitswiderstand der Eingangsstufe anzapfen, einstellbar zum Einstellen der Symmetrie der Ansteuerspannungen

Problem! Wie erzeuge ich die nötige Gittervorspannung der ersten beiden Stufen? Die Endstufe bekommt ihre aus dem Netzteil, allerdings in einer ganz anderen Größenordnung. Mal schauen.... die Endröhren lassen sich wahlweise mit 1,2 oder 2,4V heizen, die Vorröhren nur mit 1,2V.... aha, heizung also 2,4V, die Vorröhren bekommen einen Vorwiderstand in die Minusleitung der Heizung, liegen damit im Mittel auf 3/4 der heizspannung. Die Ug ergibt sich zu etwa -1,8V, das paßt.
Nun ging es an den Probeaufbau, Lochrasterplatine im Euro-format war recht schnell bestückt, einfach einen verfügbaren Aü dran, Batterien angeschlossen. Es kam tatsächlich Musik aus dem Teil. Nun ging es ans Messen.... 2 Watt, Verzerrungen im Baßbereich unter 40 Hz. Nicht so toll, die Leistung war nicht befriedigend, für mehr wohl auch die Aü zu klein. Also hab ich einen größeren Aü genommen und erst mal für verschiedene Raa die Leistungen ermittelt. Mit einem richtigen Aü und etwas höheren Spannungen war sofort mehr da, bis etwa 8 Watt auch die Stromaufnahme proportional der Aussteuerung, darüber hinaus stieg der Strom überproportional an, 9,6 Watt waren die höchste gemessene Leistung, aber sicher zuviel für die armen Röhren! Nach einigem überlegen und Messen entschied ich mich für weniger Leistung, so daß ein M55-Trafo ausreicht. Die messungen ergaben 8k als günstigen Wert für Raa. Also mußten erstmal passende Aü her, M55-Gegentaktübertrager mit Raa 8 KOhm.

Beim probeweisen zusammenlegen der Trafos fiel mir auch auf, daß bei 2mm Wandstärke und 55mm Außenmaß genug Platz für den Quereinbau der Röhren vorhanden ist. Daraus ergaben sich dann die Festlegungen für das Gehäuse: Begrenzung der Leistung auf 2 x 5 Watt,Verwendung der M55-Aü. Damit standen auch 2 Gehäusemaße fest: 55 x 55 mm. Das dritte Maß war schnell ermittelt, 4 Röhren nebeneinander, daneben die Aü... Gesamtlänge 160mm, das Volumen damit knapp 0,5 Liter.

Die Anforderungen bei einem solch kleinen Gehäuse sind vor allem gute Zugänglichkeit der Schaltung, alle Teile müssen einzeln abnehmbar sein. Zu diesem Zweck habe ich mir kleine Rahmen gebaut, an die von allen Seiten die Gehäusewände angeschraubt werden können. gehalten wird das Ganze mit 4 durchgehenden Gewindestangen, damit ist der Zusammenhalt aller Teile gegeben.
Aus dem Quereinbau der Röhren ergab sich die Anordnung 2 x 4 Röhren nebeneinander, dazwischen war genug Platz für die Verdrahtung, ... dachte ich zumindest. Aber irgendwie wollte es mit frei verdrahteten bauteilen nicht passen, es mußte eine Leiterplatte her. Also schaltung in EAGLE bringen und layouten. Symbole erstellen für das ALPS-Poti und die aus einem 1-EURO-Radio ausgebaute Klinkenbuchse für den NF-Eingang. Die Röhren hab ich nur als Lötstützpunkte vorgesehen, das ließ mehr Freiheiten für das Platzieren der Bauteile. Dabei kam folgendes heraus:

Die daraus entstandene Leiterplatte ist etwa 50x50mm groß und trägt alle Bauteile, zueätzlich für die Endröhren gibt es noch eine kleine Lötleiste, die mit den Masseverbindungen an Rückwand und Stromversorgungsanschluß verbunden ist und die Endröhren trägt. Damit ist die gesamte Elektronik Bestandteil der Rückwand und kann mit dieser zusammen angebaut werden.

Die Rückwand trägt die komplette Elektronik und braucht  nur über je 5 Drähte mit den Aü verbunden werden.

Mechanisch wird die Leiterplatte dann durch die Verschraubung des Potis in der Front verdrehsicher gehalten, zusätzliche befestigungen sind nicht nötig.

Die Stromversorgung erfolgt übrigens über ein selbstgebautes Kabel mit 9poligen Sub-D-Verbindern. Als einzige gemeinsame Leitung für beide Endstufen ist der Schirm von einem Stück RG58 verantwortlich, der über die 8 Einzellitzen gezogen wurde.

Die Gehäuseteile bestehen aus 2mm-Aluplatten mit dunkelbraun eloxierter Oberfläche, die Hilfsrahmen aus Kunststoff. Als seitlicher Abschluß sitzt auf den Aü jeweils eine Abdeckhaube H55SW. über 4 Gewindestangen wird alles zusammengehalten, die Gehäusewände sind jeweils mit den Hilfsrahmen verschraubt. Vor der endgültigen Bearbeitung der Gehäuseteile erfolgte ein Probeaufbau um etwaige Unstimmigkeiten festzustellen, es hat allerdings alles gepaßt.

Das Netzteil wurde nach dem gleichenKonzept gestrickt, allerdings mit M65-Trafos und demzufolge etwas größeren Abmessungen.

Hier der Probeaufbau, der für den mehrtägigen Dauertest so zum Einsatz kam.

Die Schaltungen von Endstufe und Netzteil:

Schaltbild Zwerg

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Die Schaltung  der Endstufe entspricht weitgehend klassischer Vorgehensweise. Im Eingang arbeitet eine 1Scha18B in Pentodenschaltung, da sich herausstellte, daß in Triodenschaltung die geforderte Eingangsempfindlichkeit nicht erreichen lies. Der Anodenwiderstand wurde mit einem Einstellregler verlängert, an dem die Spannung für die Phasenumkehr abgegriffen wird. Mit diesem wird die Wechselspannungssymmetrie eingestellt. Der 15p-C von Gitter zur Anode sorgt für stabileren Betrieb der gegengekoppelten Endstufe. Die Phasenumkehr selbst erledigt die 2. 1Scha18B in Triodenschaltung. Die beiden gegenphasigen Signale gelangen dann über die 4,7k-Schutzwiderstände an die Gitter der Endröhren. Deren Arbeitspunkt kann mit den 100k-potis getrennt eingestellt werden. Eine Besonderheit ist die Erzeugung der Gittervorspannung der Vorstufenröhren, hier wird über die Vorwiderstände an den 2,4V-Heizkreis angepaßt, es ergeben sich dadurch ca. -1,8V Ug. Der Widerstand der Vorröhre wurde etwas größer gewählt da die Gegenkopplung gleichstrommäßig parallel liegt.

Das Netzteil ist kanalgetrennt aufbebaut. Die M65-Trafos sind etwas überdimensioniert, ursprünglich sollte einer davon zum Einsatz kommen. Da wußte ich aber noch nicht so richtig, wie die Gehäuse gebaut werden sollten. Als das dann klar war habe ich der Einfachheit halber nur einen zweiten NT gebaut anstatt 2 neuer in der Bauform M55. Jeder trafo liefert die Spannungn für eine Endstufe. Die Anodenspannung wird mit einer Transistorsiebung stabilisiert und gesiebt, aus der stabilisierten Spannung wird auch die Ug2-Spannung gewonnen. Der 10k-Widerstand vor der 160V-Z-Diode sorgt für eine Begrenzung des Schirmgitterstromes, ab 9mA bricht die Ug2 zusammen und verhindet zu starkes Aussteuern der Endröhren. Die Gittervorspannung hat als Besonderheit einen 4,7K-Widerstand in der Trafozuleitung. Dieser begrenzt den Ladestrom des Ladekondensators, im Kurzschlußfall wirkt er als Sicherung, da nur etwa 9mA fließen können. Die Heizung wird mit Schottkydioden gleichgerichtet und über einen LDR auf  knapp 2,5V stabilisiert, an den Heizungen liegen dann wegen der Kabewiderstände ca. 2,4V an.

Nach dem mit Bravour bestandenen Dauertest (sogar der Betrieb übereinandergestellt ist ohne störenden Brumm möglich) wurden beide Geräte nochmals zerlegt, um das endgültige Aussehen festzulegen.

Bei der Gestaltung der Front habe ich auf eine Beschriftung der Bedienelemente bewußt verzichtet, eigentlich kann man da kaum was falsch machen. Größere Probleme bereitete die Namensgebung, kurz und prägnant sollte der Name sein,  nichts hochtrabendes, nie erreichbare Eigenschaften suggerierendes wie z.B. Gigantissimo-Hyper-Ultra-Super-Amp usw. Dergleichen gibts wohl auch schon genug.

Na ja, ZWERG sagt eigentlich alles und paßt.

Als Schmankerl, in letzter Sekunde sozusagen, habe ich noch in beiden Teilen eine grünleuchtende Neon-Glimmlampe aus einem geschlachteten Kofferfernseher eingebaut,dort diente sie zur Anzeige des Kanalumschalters.


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