Röhren-Hifi-Vorverstärker mit RIAA-Entzerrung
(nach Frank Raphael, aus Elrad Heft 10-1986)

Heute können wir uns bei der Entwicklung eines Preamps - abgesehen vom RIAA-Eingang - auf eine reine Linearverstarkung beschränken. Damals war hochkapazitives und verlustarmes Kondensatormaterial kaum erhältlich, bzw. sehr teuer. Heute jedoch können wir unsere Röhrenverstärker wunschgemäß aufbauen und Koppelkondensatoren höchster Güte verwenden, ohne dafür besonders tief in die Tasche greifen zu müssen und unser Projekt von vornherein unwirtschaftlich werden zu lassen.

Ein röhrenbestückter Vorverstärker ist - wenn überhaupt - kaum teurer als ein Halbleitergerät in Minimalausstattung, diesem jedoch hinsichtlich seiner Musikwiedergabequalität weit überlegen.
- Wie kommt's?
Für die RIAA-(Phono-Entzerrung)-Vorstufe benötigen wir nur eine Röhre (Doppeltriode) pro Kanal. Die RIAA-Entzerrung kann aktiv (im Gegenkopplungsweg) oder passiv (im Signalweg) durchgeführt werden.
Im Hochpegelverstärker werden ebenfalls beide Triodensysteme als zweistufiger Vorverstärker genutzt. Im Gegenkopplungsweg liegt hier ein einfacher Trimmer, damit der Verstärkungsfaktor frequenzunabhangig verändert werden kann. Das Netzteil ist sehr ein fach aufgebaut (Trafo, Gleichrichter, Sieb-Elkos, drei Widerstände und sieben Dioden zur Spannungsregulierung).
Das Ergebnis läßt aus klanglicher Sicht kaum Wünsche offen. Lediglich in bezug auf Rausch- und Brummarmut könnte man mit Halbleiterschaltungen geringfügig bessere Ergebnisse erzielen. Mit den heute aber überwiegend verwendeten wirkungsgradschwachen Lautsprecherboxen (< 90 dB) ist dies jedoch auch in den Abendstunden und bei klassischer Musik nicht störend.
Transparenz, Wärme und hohe Übersteuerungssicherheit (wichtig nicht nur für CD) und das bei einer einfachen, preiswerten und nachbausicheren Schaltung sind die besonderen Merkmale dieser Schaltung.

 Die techn. Daten :

Nennausgangsspannung - 0 dBm
Max. Ausgangsspannung - +32 dBm

Eingangsspannung für U aus = 0 dBm :
CD, Tuner, Rec - 10 dBm
Phono - 44 dBm

max. Eingangsspannung :
CD, Tuner, Rec - +12 dBm
Phono (1kHz) - - 22 dBm

Frequenzgang :
CD, Tuner, Rec < 10 Hz ... 700 kHz (-0,5 dB)
Phono < 10 Hz ... 80 kHz (+/- 1 dB)

Ausgangsimpedanz - ca 1 kW

Eingangsimpedanz :
CD, Tuner, Rec - 250 kW
Tuner - 47 kW

Störspannungsabstände (bezogen auf Uaus = 0 dBm, Eingänge mit Nennimpedanz abgeschlossen) :
CD, Tuner, Rec - Ufremd = -89 dBm, Ugeräusch = -95 dBm
Phono - Ufremd = -59 dBm, Ugeräusch = -75 dBm

Klirrfaktoren (Kges), gemessen bei Uaus = 0 dBm :
CD, Tuner, Rec - 100 Hz = 0,05 %, 1 kHz = 0,1 %, 10 kHz = 0,05 %
Phono - 100 Hz = 0,4 %, 1 kHz = 0,4 %, 10 kHz = 0,45 %

Aus Gründen einer möglichst langen Spieldauer (geringer Rillenabstand) und eines günstigen Signal / Störspannungsabstandes werden bei der Aufzeichnung von Analogplatten absichtlich die Tiefen abgeschwächt und die Höhen angehoben. Wäre dies nicht der Fall, würden die kräftigen Ausienkungen bei den Bässen einen ungewöhnlich großen Rillenabstand (kürzere Laufzeit der Schallplatte) erfordern, und die Höhen im unvermeidlicnen Nadelrauschen untergehen. Diese beabsichtigte Aufnahme-'Verzerrung' (Schneidkennlinie) läßt sich bei der Wiedergabe durch verhältnismäßig einfache RC-Glieder rückgängig machen, wodurch man sich die erzielten Vorteile recht billig einhandelt.

Die Stufe 1 (V1a) beginnt mit R1 = 47 k W und C1 = 120 pF. Diese beiden Bauteile geben den Eingangswiderstand und die Eingangskapazität der Schaltung vor; beide können für spezielle Tonabnehmersysteme verändert werden. Das Signal gelangt über R2 (der Eingang wird dadurch unempfindlicher gegenüber HF-Einstreuungen) auf das Gitter des ersten Systems der 7025. Es wurde bewußt diese Röhre gewählt, weil sie bereits vorselektiert ist und eine höhere mechanische Stabilität und Rauscharmut aufweist. Diese Röhre sollte auch unbedingt, wenn verfügbar, verwendet werden - ansonsten sind Vergleichstypen in der Stückliste (s.u.,) angegeben.
Die beiden Triodensysteme arbeiten als zweistufiger Vorverstärker mit einer aus R8, R9, C6, C7, C8, C9 bestehenden frequenzabhängigen Gegenkopplung. Die Gegenkopplung bewirkt, daß - wie oben beschrieben - aus der negativen RlAA-Kennlinie wieder ein linearer Frequenzverlauf entsteht. (Es ist eigentlich überflüssig zu erwähnen, daß diese Bauteile maximal eine 2 %-ige Toleranz aufweisen dürfen.)
Die Berechnung der Werte für das Gegenkoppiungsnetzwerk ist nicht schwierig. Die Formeln lassen sich Fachbüchern entnehmen. Eine RC-Kombination, die einen tadellosen Frequenzverlauf erzeugt, muß jedoch nicht unbedingt auch klanglich zufriedenstellen. Durch Versuche sind hier große Unterschiede festgestellt worden. Die hier gewählte Kombination wird so oder ähnlich in vielen Vorverstärkern angewendet.
Besondere Beachtung verdienen die Kondensatoren C3 und C 11. Jedes Signal durchläuft diese für die Gleichstromabkopplung verantwortlichen Teile. Hier ist beste Qualität und Spannungsfestigkeit angesagt. Bewährt haben sich Folienkondensatoren, insbesondere Wima MKP 10-Typen. Da auf eine Impedanzumwandlung verzichtet wurde, bestimmen C4, C5 und der Eingangswiderstand der nachfolgenden Schaltung die interne Grenzfrequenz der RIAA-Stufe. Gehen wir davon aus, daß die zu treibende Ausgangslast nicht kleiner als 47 k W ist, treten keine Schwierigkeiten auf. Will jemand allerdings 4 Cassettenrecorder gleichzeitig anschließen, besteht die Gefahr, daß die Stufe etwas von ihrer Vitalität verliert.

Über die im Schaltbild eingezeichneten Schalter S1 (Eingangsselektor) und S2 (Tape-Monitor) gelangen die Signale über den Lautstärkeregler P1 in den Hochpegelverstärker; hier kann mit dem im Gegenkopplungszweig liegenden Trimmer P2 der Verstärkungsfaktor eingestellt werden. Es ist hier genug 'Headroom' vorhanden, um auch wenig empfindliche Endstufen anzusteuern. Auch hier gilt: Der Eingangswiderstand der nachfolgenden Schaltung sollte beachtet werden.
Die gesamte Schaltung RIAA / Hochpegel hat einen recht geringen Stromverbrauch.
Ein Trafo mit einer Sekundärspannung von 250 V befindet sich komplett auf der Platine - die Siebkette besteht aus einer zwar einfachen, aber wirksamen RC-Kombination. Die Kondensatoren sind für 385 V Spannung ausgelegt und haben eine Kapazität von je 220 µF. Die Zener-Dioden D1 - D7 stabilisieren die Speisespannung - dies ist wichtig für das Impulsverhalten - auf 329 V. Jede Verstärkerstufe ist über 10 kW -Widerstände und nochmals 47 pF / 350 V von den übrigen Stufen entkoppelt. Die Widerstände R25 - R28 sorgen dafür, daß die Ladekondensatoren nach Ausschalten des Verstärkers langsam entladen werden.
Um ihre Aufgabe bewältigen zu können, müssen Röhren beheizt werden. Normalerweise geschieht dies bei den hier verwendeten E-Röhren mit 6,3 V Gleich- oder Wechselspannung. Die Gleichspannungsbeheizung hat den Vorteil, daß der Röhre keinerlei Netzbrummen zugeführt wird. Um die Lebenserwartung der Trioden zu erhöhen, wurde die Heizspannung auf ca. 5 V = gesenkt. Klanglich hat dies keine Auswirkungen.
Da sich alle Bauteile auf einer Platine befinden, beschränken sich die mechanischen Arbeiten auf den Einbau der Bedienelemente und der Anschlußbuchsen. Poti und Schalter werden auf der Frontplatte montiert.

Tip : Diesen Bestückungsplan ausdrucken, anhand des Schaltbildes die Bauteile identifizieren und die Leiterbahnen entsprechend einzeichnen. - Mit etwas Übung gelingt es leicht...

 Stückliste :

Widerstände
(alle Metallfilm !)
R1, 101 - 47 kW
R2, 16, 17, 102, 116, 117 - 10 kW
R3, 6, 103, 106 - 301 kW
R4, 7 ,104,107 - 2,2 kW
R5, 10, 12, 105, 110, 112 - 470 kW
R8, 14, 108, 114 - 100 kW
R9, 109 - 2,2 MW
R11, 111 - 4,7 kW
R13, 113 - 1 MW
R15, 115 - 1 kW
R18, 19, 20 - 150 W (2 Watt)
R21, 22, 23, 24, 121, 122, 123, 124 - 470 W
R25, 26, 27, 28 - 470 kW (1 Watt)

Kondensatoren
C1, 101 - 120 pF Wima FKC 3
C2, 10, 102,110 - 47 µF / 350 V
C3, 11, 103, 111 - 0,22 µF / 400 V Wima MKP 10
C4, 12, 104, 112 - 0,33 µF / 400 V Wima MKP 10
C5, 13, 105, 113 - 1,5 µF / 400 V Wima MKP 10
C6, 106 - 68 pF / 630 V Styroflex
C7, 107 - 680 pF / 630 V Styroflex
C8, 9, 108, 109 - 1500 pF / 630 V Styroflex
C14, 15, 16, 17 - 220 µF / 385 V Frako Dreieck-Becher
C18, 19 - 10.000 µF / 16 V
C20, 21, 22, 23, 120, 121, 122, 123 - 20 pF / 630 V Styroflex

Röhren
V1, 2, 101, 102 - 7025 oder 12 AX 7 oder ECC 83

Halbleiter
D1, 2, 3, 4, 5 , 6, 7 - ZD 47
LED Rot
B500 C 1500 rund
B 40 C 1500 rund

Potentiometer
P1, 101 - 100 kW lin.
P2, 102 - 2 x 220 kW +log.

Verschiedenes
Netztrafo Prim.: 230V, Sek.: 250 V - 20 mA, 4,5 V - 2 A
12 Cinch-Biuchsen
S2 - Drehschalter 2 x Um
S1 - Drehschalter 2 Ebenen, 3 Schaltstellungen
Netzschalter
4 Röhrensockel Noval rund f. Platine

Vom Holger Mai bekam ich die folgenden Fotos seines Vorverstärkers nach Frank Raphaels Schaltung.








Holger schrieb dazu: "Ich hab statt diesem Stilbruch-Netzteil ein Netzteil gemacht mit einer EZ 80.
Die beiden Extra-Röhren (mitte) werden noch nicht betrieben, da ich noch daraus eine Phonostufe in Cascoden-Schaltung baeue, da mir die Standard-Stufe wie sie auf dem Schaltplan ist zu sehr brummt.
Der mech. Aufbau erfolgte in einem 19" Rack 1HE, die Rückwand wurde durch eine Pertinax-Platte ersetzt.
Der Trafo und der Hochvolt-Elko waren aus einem Radio, die Röhren sind neue Orginal Funkwerk Erfurt-Röhren von meinem Großvater, der alle möglichen Arten von Röhren hat."



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