b) Entzerrer-Netzwerk

 

Bild 1.a  Schaltung mit Entzerrer-Netzwerk


Der zentrale Teil der Schaltung ist das Gegenkopplungsnetzwerk (R8, R9, C7, C8). Es bildet zusammen mit dem Kathoden-Widerstand R4 einen frequenzabhängigen Spannungsteiler, an dessen Ausgang die Kathode der ersten Triode angeschlossen ist. Der Frequenzgang dieses Spannungsteilers bestimmt den Frequenzgang der ganzen Schaltung und sollte dem RIAA-Schneidfrequenzgang zumindest im hörbaren Bereich entsprechen. Das Spannungsteilerverhältnis, üblicherweise mit "k" bezeichnet, wird im hörbaren Bereich im wesentlichen durch die Zeitkonstanten T1 = R9 * C8, T2 = R8 * C8 und T3 = R8 * C7 bestimmt.

Auch die RIAA-Schneidkennlinie wird durch drei Zeitkonstanten festgelegt, Ta = 3180 µsec, Tb = 318 µsec und Tc = 75 µsec. Die Berechnung der Zeitkonstanten T1, T2 und T3 aus den Zeitkonstanten Ta, Tb und Tc ist nicht ganz trivial und führt zu umfangreicher Rechenarbeit. Glücklicherweise sind diese Rechnungen bereits von anderen durchgeführt und veröffentlicht worden ([7], [8], [12]). Anhand von [7] wurden die in Bild 1. eingetragenen Bauteilwerte ermittelt. Lediglich der Wert für R9 mußte noch individuell an diese Schaltung angepaßt werden, wie weiter unten erläutert.

In Schaltplänen der einschlägigen Literatur und im Internet angegebene Werte für die Zeitkonstanten T1...T3 bzw. die zugehörigen Bauteilwerte erwiesen sich häufig als falsch oder so speziell an die jeweiligen Verhältnisse angepaßt, daß eine einfache Übernahme nicht möglich war. Die teilweise 'krummen' Bauteilwerte in Bild 1. müssen durch Parallel- oder Serienschaltung mehrerer Kondensatoren bzw. Widerstände erreicht werden. Die in (2 geforderten maximalen Abweichungen von +/- 0.2dB von der Schneidkennlinie sind am ehesten zu erreichen, wenn im Gegenkopplungsnetzwerk Bauteile mit 1% Toleranz eingesetzt werden.

In den späten 70er Jahren (des vorigen Jahrhunderts) wurde von der IEC (International Electrotechnical Commission) die Einführung einer zusätzlichen Zeitkonstante von 7950 µsec entsprechend einer Grenzfrequenz von ca. 20 Hz empfohlen [9]. Diese Zeitkonstante sollte nur bei der Wiedergabe eingesetzt werden und die Funktion eines Rumpelfilters übernehmen. In dieser Schaltung, ebenso wie in vielen anderen, wurde diese Zeitkonstante nicht übernommen. Rumpelstörungen durch den Plattenspieler lassen sich besser durch ein spezielles Rumpelfilter, noch besser durch die Anschaffung eines besseren Plattenspielers beseitigen. Mit der Verstärkungsreserve von nur zwei Triodenstufen wäre es allerdings auch kaum möglich, den entsprechenden tieffrequenten Frequenzgang mit Hilfe aktiver Entzerrung zu realisieren.

Die (frequenzabhängige) Verstärkung V der gesamten Schaltung wird dann gegeben durch die universell für Gegenkopplungs-Schaltungen dieser Art gültige Gleichung

,

wobei k das erwähnte (frequenzabhängige) Spannungsteilerverhältnis und A die (frequenzabhängige) Leerlaufverstärkung der Schaltung ist, also die Verstärkung ohne Gegenkopplung. Diese mißt man am besten, wenn man das untere Ende des Gegenkopplungsnetzwerks nicht mit R4 sondern über einen gleichgroßen Widerstand von 1.2 kOhm mit Masse verbindet. (Wer über geeignete Meßinstrumente verfügt, kann A auch direkt als das Verhältnis der Ausgangswechselspannung zur Wechselspannung zwischen Gitter und Kathode der ersten Triode bestimmen.) Bild 2. zeigt den frequenzabhängigen Verlauf von A (Amplitude) für die Schaltung in Bild 1. Hierbei wurde die Schaltung ausgangsseitig noch zusätzlich mit dem 100kOhm-Lautstärkepoti belastet.



Bild 2. Leerlaufverstärkung A in Abhängigkeit von der Frequenz.


Man sieht, daß die Leerlauf-Verstärkung von 20 bis etwa 100 Hz annähernd konstant bei 67 dB liegt. Für höhere Frequenzen fällt sie zunächst langsam ab, dann ab etwa 2...3kHz schneller mit ca. 6 dB pro Oktave. Dieser Verlauf wird im wesentlichen durch die Verstärkung der zweiten Stufe verursacht ( s.a. 3.c ).

Das Spannungsteilerverhältnis k des Gegenkopplungsnetzwerks ist im Prinzip für eine bestimmte Frequenz, z.B. 1 kHz, frei wählbar. Damit hat man es in der Hand, die Verstärkung V der Schaltung in gewissen Grenzen beliebig einzustellen. Wie man der Gleichung für V oben entnehmen kann, nähert sich die Verstärkung V dem Wert 1/k umso mehr je größer A ist. Da 1/k den gewünschten, zur Schneidkennlinie inversen Frequenzverlauf darstellt, ist es also zweckmäßig, A möglichst groß zu machen. Genauer gesagt sollte der "Verstärkungsüberschuß", die sog. Schleifenverstärkung, also das Produkt k*A ausreichend groß gemacht werden, z.B. k*A >30. Diese Forderung bestimmt auch im wesentlichen die restliche Auslegung der Schaltung und war ausschlaggebend für die Wahl der E83CC als Verstärkerröhre.

Die bei höheren Frequenzen stark abfallende Leerlaufverstärkung A (Bild 2.) stellt kein so großes Problem dar, wie es zunächst scheint. Da hier das Spannungsteilerverhältnis k etwa im gleichen Maße ansteigt wie A abfällt, bleibt das Produkt beider Größen annähernd konstant und ausreichend groß. Die abfallende Leerlaufverstärkung trägt im Gegenteil zur Stabilisierung der Gegenkopplungschleife bei.

Probleme, die Forderung k*A > 30 zu erfüllen, gibt es dagegen im unteren Frequenzbereich. Mit nur zwei Triodensystemen läßt sich aber die maximale Leerlaufverstärkung von 67 dB kaum mehr erhöhen. Hier hilft es, die Gesamtverstärkung V nicht allzu hoch anzusetzen. 40 dB bei einer Frequenz von 1 kHz sind ein üblicher Wert. In diesem Fall wurden ca. 35 dB gewählt. Dieser Wert muß durch entsprechende Wahl von R4 und den Werten des RIAA-Netzwerkes eingestellt werden. Genaueres dazu in Abschnitt 3.c .

 

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