d) Frequenzgang-Kontrolle und etwas Meßtechnik


Nach dem Aufbau eines RIAA-Entzerrer-Verstärkers stellt sich die Frage, wie der erzielte Frequenzgang auf Einhaltung vorgegebener Toleranzen überprüft und gegebenenfalls korrigiert werden kann.

Die in 3.c. angedeutete Korrektur des tieffrequenten Frequenzgangs durch Versuch ist ein Ausnahmefall, da hier nur bei einer einzigen Frequenz ( ca. 20 Hz) kontrolliert werden muß. Im allgemeinen ist es nicht ratsam, ohne ausreichende Meßmittel ausgehend etwa von einem übernommenen RIAA-Netzwerk Korrekturen des Frequenzgangs durch probeweises Ändern von Bauteilwerten durchzuführen. Eine Änderung z.B. von C8 wirkt auf die beiden Zeitkonstanten T1 und T2. Eine Verbesserung des Frequenzgangs an einer Stelle durch Änderung von C8 wird i.a. durch eine Verschlechterung an einer anderen Stelle erkauft.

Die beste Methode, einen engtolerierten Frequenzgang zu erreichen, besteht darin, die Bauteilwerte genau zu berechnen und dann das RIAA-Netzwerk aus engtolerierten Bauteilen aufzubauen sowie im Fall einer aktiven Entzerrung, auf genügend große Schleifenverstärkung zu achten. Die Genauigkeit dieser Methode übertrifft die Meßgenauigkeit einer durchschnittlich ausgestatteten Bastlerwerkstatt bei weitem.

Auch für professionell ausgestattete Elektroniklabors wäre es keine ganz einfache Aufgabe, den Frequenzgang eines RIAA-Entzerrer-Verstärkers mit einer Genauigkeit von z.B. 0.1 dB auszumessen ohne auf Meßgeräte im >5000Euro-Bereich zurückzugreifen. Wegen der starken Frequenzabhängigkeit der Verstärkung muß nicht nur diese über einen Bereich von fast zwei Größenordnungen hinweg mit etwa 1% ( = ca. 0.1dB) relativer Genauigkeit ( relativ zum Meßwert, nicht etwa relativ zum Vollausschlag des Meßinstruments! ) gemessen werden, auch die Meßfrequenz selbst muß dabei deutlich besser als auf 1% genau bekannt sein.

Wenn auch ausreichend genau gehende Frequenzzähler in vielen Selbstbauerwerkstätten vorhanden sind, die Verfügbarkeit eines ausreichend genauen Wechselspannungsmeßgeräts dürfte eher die Ausnahme sein. Wer sich mit einer nur wenig schlechteren Genauigkeit von etwa +/- 0.2 dB begnügt, kommt in diesem speziellen Fall jedoch auch etwas einfacher zum Ziel.

Die Methode besteht darin, nicht den Frequenzgang des Entzerrer-Verstärkers selbst, sondern dessen Abweichung vom normierten RIAA-Frequenzgang zu messen.

Dazu baut man sich ein kleines passives Netzwerk, das den RIAA-Schneidfrequenzgang simuliert (s. Bild 4.).


  

Bild 4. RC-Netzwerk zur Frequenzgangkontrolle an RIAA-Entzerrer-Verstärkern


Das Netzwerk ist im Prinzip das gleiche, das auch im Entzerrer-Verstärker verwendet wird. Der Frequenzgang dieses Netzwerks entspricht dem RIAA-Schneid-Frequenzgang bis auf Abweichungen in der Größenordnung von hundertstel dB, sofern die Bauteilwerte exakt eingehalten werden. (s. Anhang.) Unter Verwendung von Bauteilen mit einer Toleranz von 1% (Bezugsquelle z.B. Fa. Reichelt) erreicht man in der Regel Abweichungen von maximal etwa +/- 0.1 dB. Die im Schaltbild angegebenen Bauteilwerte werden dafür aus Normwerten zusammengesetzt.
Da keine aktiven Bauteile verwendet werden, entspricht das Verhalten des Netzwerks genau dem berechneten Frequenzgang innerhalb der geringen angegebenen Toleranzen und ist sicher reproduzierbar. Das hier verwendete Test-Netzwerk wurde sehr sorgfältig mit einem frisch geeichten, hochwertigen DVM ausgemessen. Die maximale Abweichung vom Normfrequenzgang blieb dabei noch deutlich unter +/-0.1 dB bei Verwendung handelsüblicher, nicht selektierter Bauteile mit 1% Toleranz.

Bezüglich der Reproduktion des RIAA-Frequenzgangs gilt dies zunächst für den Hörbereich. Oberhalb des Hörbereichs weist das Netzwerk prinzipbedingt eine Abweichung vom RIAA-Schneidfrequenzgang auf, da die Anhebung der hohen Frequenzen in diesem Netzwerk begrenzt ist, im RIAA-Schneidfrequenzgang (theoretisch) jedoch nicht. Die gleiche Abweichung tritt natürlich auch im Entzerrer-Verstärker auf, wo sie zu einer relativen Anhebung hoher Frequenzen (relativ zum weiterhin abfallenden RIAA-Wiedergabe-Frequenzgang!) oberhalb des Hörbereichs führt. Die Grenzfrequenz für diese Anhebung liegt normalerweise 2..3 Oktaven oberhalb von 20 kHz.
Diese Anhebung ließe sich durch ein kleines RC-Glied am Ausgang des Verstärkers rückgängig machen. Im allgemeinen wird aber darauf verzichtet, da derart hohe Frequenzen ohnehin nicht aufgezeichnet werden und andere Komponenten der Wiedergabekette in diesem Frequenzbereich zumeist für eine ausreichende Absenkung sorgen. Die absolute Verstärkung des Entzerrer-Verstärkers liegt bei diesen Frequenzen ohnehin nur noch bei ca. 0 db ~ 1. Störungen z.B. durch HF sind daher nicht zu befürchten. (vgl. auch
Fußnote 3-1)

Um die Grenzfrequenz der Anhebung genügend groß zu machen, sollte der Widerstand Rx nicht zu groß gewählt werden. Die Grenzfrequenz F4 der Anhebung ergibt sich ungefähr zu

F4 ~ 1/( 2*pi*T4)   mit der Zeitkonstante T4 = Rx*Cs.

Cs ist dabei die Kapazität der Serienschaltung von C7 und C8, Cs ~ 1 nF. Das führt auf F4 ~ 120 kHz für Rx = 1.21 kOhm wie im Gegenkopplungsnetzwerk. F4 hat damit noch einen kleinen Einfluß im Hörbereich, ca.+0.2 dB bei 20 kHz. Um einen im ganzen Hörbereich korrekten Frequenzgang zu bekommen sollte Rx daher deutlich kleiner gemacht werden, z.B. Rx = 120 Ohm.

Bei Frequenzgangmessungen wird dieses Netzwerk zwischen Testgenerator und Verstärker eingefügt. Bei einem Rx von 120 Ohm ist die Dämpfung des Netzwerks erheblich. Die Ausgangsspannung (!) des RIAA-Entzerrerverstärkers wird um etwa den Faktor 10 kleiner sein als die Eingangsspannung am Netzwerk. Daher wurde parallel zum Netzwerk noch ein frequenzunabhängiger Spannungsteiler eingefügt, an dessen Ausgang die Eingangsspannung kontrolliert wird. Der Teiler kann so eingestellt werden, daß die Spannung an Ausgang2  z.B. bei 1 kHz der Ausgangsspannung des RIAA-Entzerrerverstärkers entspricht. Bei korrekter Entzerrung muß die letztere unabhängig von der Frequenz immer gleich der Spannung am Ausgang2 sein. Die Frequenzgangmessung beschränkt sich also darauf, Abweichungen von der Gleichheit dieser Spannungen (Amplituden) festzustellen. Wichtig ist natürlich, daß an beiden Ausgängen mit dem gleichen Instrument gemessen wird. Der Frequenzgang und die Genauigkeit des Anzeigegerätes sind dann nur noch von geringer Bedeutung, ebenso die Genauigkeit, mit der die Meßfrequenz bekannt ist. Der Ausgangswiderstand des Testgenerators sollte genügend klein sein, z.B. 50 Ohm.

Bei dieser Meßmethode sind die hohen Genauigkeitsanforderungen gewissermaßen in die Toleranzen der Netzwerk-Bauteile verlagert worden. Diese sind selbst bei einer Genauigkeit von 1% wesentlich billiger zu beschaffen als ein Wechselspannungsvoltmeter mit der gleichen Genauigkeit. Außerdem behalten sie ihre Toleranz von z.B. 1% bei bis zu Frequenzen, die in beiden Richtungen weit über den Audiobereich hinausgehen. Das kann man selbst von hochwertigen Meßinstrumenten nicht uneingeschränkt behaupten.
Bild 5. zeigt den auf diese Weise gemessenen relativen Frequenzgang des RIAA-Entzerrer-Teils
(Schaltung Bild 1.).


Bild 5. Gemessene Abweichungen des Frequenzgangs
des Entzerrer-Verstärkers vom Soll-Frequenzgang nach RIAA
(ohne Line-Verstärker) . Willkürlich normiert auf 0 dB bei 1kHz.
          
(Vergrößerte Darstellung durch Anklicken der Abb.)

Wie in Bild 5. zu sehen, liegt der Frequenzgang im Bereich von 20 Hz...20 kHz sicher innerhalb eines Toleranzbandes von +/- 0.2 dB. Die Extremwerte des Frequenzgangs werden außerdem nur an den gehörmäßig weniger wichtigen Enden des Bereichs erreicht. Dies gilt auch noch unter Berücksichtigung der Toleranz von knapp 0.1 dB des Testnetzwerks und unter Einbeziehung des Frequenzgangs der Linestufe. Die beiden Stereo-Kanäle unterschieden sich nicht wesentlich.

Der relative Abfall des Frequenzgangs bei niedrigen Frequenzen wird durch die begrenzte Leerlaufverstärkung sowie durch die untere Grenzfrequenz von ca. 4 Hz, gegeben durch C9 und das 100k-Lautstärkepoti, verursacht. Der (scheinbare) Anstieg bei hohen Frequenzen ab etwa 20 kHz ist die Folge der unvermeidbaren Zeitkonstante T4 (s.o.) Durch den invers verlaufenden Frequenzgang des Lineverstärkers wird dieser Anstieg aber kompensiert.

Mit Hilfe dieser Messvorrichtung lassen sich auch nachträglich noch kleinere Korrekturen am Frequenzgang des Entzerrer-Verstärkers anbringen, falls sich dies als notwendig erweist. Im allgemeinen reichen Korrekturen an den Bauteilwerten des Netzwerks im 1%-Bereich aus. Derartige Änderungen gegenüber den nach [7] berechneten Werten können notwendig werden als Folge der begrenzten Leerlaufverstärkung des zweistufigen Triodenverstärkers und des Einflusses von T4. Sie erklären die (bis auf R9) geringen Unterschiede in der Dimensionierung des Test- und des Entzerrer-Netzwerks.

Ein schneller Test ist möglich, wenn statt sinusförmiger Signale Rechteckimpulse mit verschiedener Frequenz auf den Eingang der Meßanordnung gegeben werden und die Ausgangsspannung des RIAA-Entzerrers am Oszillograf betrachtet wird. Die Rechteckpulse am Ausgang sollten weitgehend unverformt und symmetrisch sein. Aus einer Verformung läßt sich auch mit geringer Erfahrung auf Welligkeiten im Frequenzgang schließen.

Die folgenden Bilder zeigen Oszillogramme mit verschiedenen Frequenzen gemessen jeweils am Lineausgang bei einer Amplitude von ca. 3Vss. Die Rechteckimpulse wurden einmal über das Testnetzwerk und einen zusätzlichen 40 kHz-Tiefpaß am Phono-Eingang, einmal ohne Testnetzwerk und Tiefpaß direkt am Line-Eingang eingegeben.
(Da steilflankige Impulse am Eingang des Testnetzwerks den Verstärker schnell übersteuern, ist eine Bandbegrenzung der Rechteckpulse auf z.B. 30...50 kHz unbedingt notwendig für diesen Test.)

 

Bild 6. Phono + Line-Verstärker, 1 kHz, über Testnetzwerk + 40 kHz-Tiefpaß

 

      

       

Bild 7.  obere Reihe:  Phono+Line über Testnetzwerk + 40 kHz-Tiefpaß, 100 Hz (links), 10 kHz (rechts)
           untere Reihe: nur Line-Verstärker ohne 40 kHz-Tiefpaß, 100 Hz (links), 10 kHz (rechts)

Die im Oszillogramm zu sehende, etwas geringere Anstiegsgeschwindigkeit der Impulse in der oberen Reihe rechts ist auf den Einfluß des zusätzlichen 40 kHz-Tiefpasses zurückzuführen.  Ebenfalls zu sehen ist die Abwesenheit von Instabilitäten oder HF-Schwingneigung.        

Eine weitere Möglichkeit, genaue Messungen mit Hausmitteln durchzuführen, bietet die Zeitschrift c't an
(Link s.
Anhang). Diese Meßmethode setzt allerdings das Vorhandensein eines Computers mit guter Soundkarte, eines CD-Brenners und eines batteriebetriebenen CD-Spielers voraus.

Die gemessene absolute Verstärkung des Entzerrer-Verstärkers bei 1000 Hz liegt bei 35.2 dB.
Die folgende Tabelle gibt gemessene Werte an für die Übersteuerungsfestigkeit.

 

Frequenz in Hz

max. Eingangsspannung in mVeff

max. Ausgangsspannung vor  Einsatz der Begrenzung in Volteff

20

75

40

100

140

40

1k

500

29.5

5k

950

21

10k

1000

12

20k

1100

6.6

 

Damit ist die Übersteuerungsreserve bei allen Frequenzen größer als 30 dB bezogen auf die jeweils empfohlene maximale Aussteuerung der Schallplattenrille und eine Empfindlichkeit des Tonabnehmers von ca. 0.8 mVsec/cm. Bei normaler Schallplattenwiedergabe werden also nur wenige Prozent des insgesamt zur Verfügung stehenden linearen Verstärkungsbereichs ausgenutzt.

Der einschließlich Line-Verstärker gemessene Klirrfaktor betrug 0.05% im mittleren Frequenzbereich bis 10 kHz (obere Meßgrenze). Bei niedrigeren Frequenzen stieg er leicht an auf 0.06% bei 40 Hz (untere Meßgrenze). Jeweils bezogen auf eine Ausgangsspannung von 1 Volt.

Angaben zum Signal/Rauschverhältnis s. Abschnitt 8.d.

 

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