4. Der Line-Verstärker

 

Der sog. Line-Verstärker hat die Aufgabe, den Pegel der Tonquellen an die vom Endverstärker benötigte Eingangsspannung anzupassen. Der Phono-Vorverstärker liefert maximal etwa 500 mVeff, ein CD-Spieler oft mehr als 1 Veff. Der hier benutzte Endverstärker benötigte knapp 1 Veff Eingangsspannung an 100 kOhm für Vollaussteuerung. Der vom Line-Verstärker geforderte Verstärkungsfaktor ist also nicht sehr groß. Um eine kleine Reserve für leise Tonquellen am dritten Eingang zu haben, wurde er auf etwa 10 dB festgelegt.

Dieser Verstärkungsfaktor ist mit einem einzigen Triodensystem pro Kanal leicht zu erreichen. Der Line-Verstärker besteht deshalb auch nur aus einer Verstärkerstufe mit einem Triodensystem einer E88CC. Bild 1 zeigt die ausgeführte einfache Schaltung mit Stromgegenkopplung zur Einstellung der Verstärkung.

 

Bild 1. Line-Verstärker, ein Kanal.  Vergrößerte Darstellung durch Anklicken.

 

Eine zweite Forderung an den Line-Verstärker ist, daß er einen genügend niedrigen Ausgangswiderstand aufweist, um das Verbindungskabel zum Endverstärker zu treiben. Die Kabelkapazität von normalerweise etwa 100 pF/m liegt parallel zum Ausgang und sollte keinen übermäßigen Abfall der Verstärkung bei höheren Frequenzen verursachen. Bei längeren Kabeln ist diese Forderung mit nur einem Triodensystem schon schwieriger zu erfüllen. Hier muß ein Kompromiß eingegangen werden.

Begrenzt man die Länge des Verbindungskabels zwischen Vor- und Endverstärker auf etwa 1 m, so ist mit einer Kapazität von ca. 150 pF parallel zum Ausgang des Vorverstärkers zu rechnen. Fordert man für die Verbindung eine obere Grenzfrequenz von mindestens 100 kHz, so darf der Ausgangswiderstand des Vorverstärkers nicht größer als etwa 10 kOhm sein.

  Ra= 1/(2*pi* Fg * Ck )   mit Ra   = Ausgangswiderstand,   Fg  = Grenzfrequenz   und    Ck = Kabelkapazität + Streukapazität

Im vorliegenden Fall ließ sich mit einer auf 1 m begrenzten Kabellänge gut leben. Diese Begrenzung und der relativ hohe Eingangswiderstand des angeschlossenen Endverstärkers von ca. 100 kOhm ermöglichen einen Außenwiderstand von 10 kOhm für die Triode des Lineverstärkers. Mit Rücksicht auf reichliche Aussteuerbarkeit und möglichst hohe Linearität der Verstärkung wurde ein Arbeitspunkt bei Ia = ca. 10 mA angestrebt. Damit kann man auf die Suche nach einer geeigneten Triode gehen. Unter Berücksichtigung des begrenzten Inhalts der Bastelkiste fiel die Wahl zunächst auf die Typen ECC81, ECC82 und ECC88.

Ein Blick in die Kennlinienfelder ergab, daß die ECC81 und die ECC82 in diesem Fall weniger günstig sind. Beide Röhren verlangen unter diesen Umständen relativ hohe Anodenspannungen mit entsprechend hoher Anodenverlustleistung. Trotzdem ist die mit der ECC81 erzielbare Linearität die schlechteste im Vergleich der drei Röhren. Für die ECC82 läßt sich zwar ein Arbeitspunkt mit guter Linearität finden, dafür hat sie die geringste Verstärkung. Am günstigsten erwies sich die ECC88 mit einem Arbeitspunkt bei  Ia = 9 mA und Uak = 100..110 Volt.

Die erzielbare Linearität der Verstärkung läßt sich mit einer Klirrfaktormessung überprüfen. In der oben gezeigten Schaltung aber mit jeweils optimiertem Arbeitspunkt und gleichem Verstärkungsfaktor ergab sich ein gemessener Klirrfaktor von 0.15%, 0.1% und 0.03% für eine ECC81, ECC82 und ECC88 resp. bei 1 kHz und einer Ausgangsspannung von 1 Veff. Die ECC88 profitiert hier wegen der lokalen Gegenkopplung durch die nicht überbrückten Kathodenwiderstände auch von ihrer relativ hohen Verstärkung. Für die Lineverstärkerschaltung wurde deshalb die ECC88 bzw. eine Langlebensdauervariante E88CC (Siemens) gewählt. Der Einsatz anderer Röhrentypen ist natürlich möglich, wurde aber nicht untersucht. Eine hörbare Verbesserung dadurch ist kaum zu erwarten. Möglicherweise lassen sich aber noch Röhren mit besseren Mikrofonie-Eigenschaften finden.

Die gewünschte Verstärkung zwischen Ein- und Ausgang von ca. 10 dB wird durch die nicht überbrückten Kathodenwiderstände R4 und R5 eingestellt. R4 dient auch zur Einstellung des Arbeitspunktes. Aus dem Kennlinienfeld liest man eine Gitter-Kathodenspannung von -2 V ab für einen Anodenstrom von 9 mA. Damit wird R4 = 2 V/9 mA = 222 Ohm. Verwendet wird der nächstliegende Normwert der E96-Reihe, 221 Ohm.

Der Wert des Widerstandes R5 kann überschlägig nach folgendem Schema berechnet werden.

Der Innenwiderstand der ECC88 wird durch die nicht überbrückten Kathodenwiderstände stark heraufgesetzt. Da außerdem der Außenwiderstand R3 relativ klein ist, kann man den Einfluß des Innenwiderstandes auf die Verstärkung in erster Näherung vernachlässigen. Die Verstärkung

V = Ua~/Ue~    (Ua~ Ausgangswechselspannung, Ue~ Eingangsspannung) 

ergibt sich dann näherungsweise als

V = Ua~/Ue~ = Ra/(Rs+R4+R5) ,

mit dem Arbeitswiderstand Ra = R3||100kOhm||Ri, also der Parallelschaltung von R3 mit dem Eingangswiderstand des angeschlossenen Endverstärkers und dem (vorläufig unbekannten, aber relativ großen) Innenwiderstand Ri. Daraus folgt: Ra ~ 8...9 kOhm.

Rs ist der Kehrwert der statischen Steilheit S im Arbeitspunkt, also Rs = 1/S ~ 1/ 9mA/V ~ 110 Ohm.

Setzt man für V die gewünschte Verstärkung von ca. 10 dB ~ 3.2 ein und löst nach R5 auf, so ergibt sich
R5 ~ 2.3 kOhm. Mit dem nächstgelegenen Normwert der E12-Reihe von 2.2 kOhm erreicht man die gewünschte Verstärkung genügend genau.

 

Am Widerstand R5 liegen etwa 85% der Eingangsspannung.

 UR5/Ue~ = R5/(Rs+R4+R5) ~ 0.85.  

Am Widerstand R1 liegt nur noch der Rest von ca. 15% der Eingangsspannung. Der Eingangswiderstand des Lineverstärkers gemessen zwischen Gitter und Masse beträgt damit ca. R1 / 0.15 ~ 7 MOhm. Das Lautstärkepotentiometer wird dadurch kaum belastet. Der Eingangswiderstand an den Anschlußbuchsen entspricht praktisch dem Potiwiderstand von 100 kOhm. Die genaue Größe und Konstanz dieses Widerstandes unabhängig von der Lautstärkeeinstellung ist wichtig für die exakte Funktion des Entzerrer-Vorverstärkers (s.a. (3) ).

Wie aus der Schaltung Bild 1. auch ersichtlich, wurde auf einen gesonderten Balanceregler verzichtet. Jeder Stereokanal erhielt ein Einzelpotentiometer zur Lautstärkeeinstellung. Um trotzdem eine definierte Balanceeinstellung zu ermöglichen, wurden die zugehörigen Drehknöpfe relativ groß gehalten und mit einer individuell in dB kalibrierten Skala versehen, auf der die eingestellte Dämpfung bis auf ca. 1 dB genau abgelesen werden kann (s.a. (7)). Diese Lösung wurde vorgezogen, da die üblichen Verfahren zur getrennten Einstellung von Lautstärke und Balance starke Nachteile gehabt hätten. Unter Beibehaltung eines konstanten Eingangswiderstandes von 100 kOhm hätte man entweder erhöhtes Rauschen, Brummen und Höhenabfall in Kauf nehmen oder eine zusätzliche Pufferstufe einführen müssen.

Die Betriebsspannung am oberen Ende von R3 muß auf ca. 220 V herabgesetzt werden. Dazu dient R6, der aus zwei Widerständen zusammengesetzt wird. Der Kondensator C3 wurde relativ groß gewählt, da dieser Wert gerade in der Bastelkiste vorhanden war. Wesentlich kleiner sollte die Kapazität von C3 aber auch nicht angesetzt werden, um einen Anstieg der Verstärkung bei tiefen Frequenzen zu vermeiden.

C2 und C4 sollten Kondensatoren guter Qualität sein. Hier wurden MKP-Typen eingesetzt. Für C2 wurde ein relativ großer Wert mit Rücksicht auf das Widerstandsrauschen von R1 gewählt.

Bild 2. zeigt den Frequenzgang des Lineverstärkers bei einer Belastung mit einem 100 kOm-Widerstand und einer parallelliegenden Kapazität von ca. 150 pF. Der Abfall bei tiefen Frequenzen wird durch den Kondensator C4 in Verbindung mit dem externen Lastwiderstand von 100 kOhm verursacht.

 

Bild 2. Frequenzgang des Line-Verstärkers, abgeschlossen mit 100 kOhm||150 pF
(Vergrößerte Darstellung durch Anklicken der Abb.)

 

Der Verlauf des Frequenzgangs ist auch für hohe Ansprüche an die Wiedergabegüte ausreichend glatt. Als Signal/Störspannungsabstand wurden 82 dB gemessen unter den in (2) angegebenen Verhältnissen. Die Störspannung enthielt noch Netzfrequenzanteile, das reine Rauschen liegt deutlich niedriger. Beim Line-Eingang liegt die Übersprechdämpfung für Frequenzen um 1 kHz bei offenem Eingang bei 70 dB. Bei abgeschlossenem Eingang sinkt das Übersprechsignal unter den Rauschpegel. Am abgeschlossenen Tonabnehmereingang ist kein Übersprechen oberhalb des Rauschpegels festzustellen.

Der gemessene Klirrfaktor des Lineverstärkers bezogen auf 1 Volt Ausgangsspannung betrug 0.03% im Frequenzbereich von 40 Hz... 10 kHz (untere und obere Meßgrenze).

Die Line-Stufe invertiert übrigens das Eingangssignal. Wer eine vorzeichenrichtige Wiedergabe bevorzugt, muß die Lautsprecheranschlüsse umpolen.

 

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